Michael Groß

Mitglied des Deutschen Bundestags, Baupolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Mitglied des Deutschen Bundestags, Wahlkreis 122, Schwerpunkte: wohnungs- und baupolitische Themen

im Interview mit wohnen im eigentum e.V.

26.09.2014

 

Immobilienbesitzer als Verbraucher, das ist in der Politik eine neue Sichtweise. Warum wurde sie notwendig?

Das Thema ist nicht neu. Wohnen und Stadtentwicklung sind gerade für Mieter und Eigentümer, also Verbraucher, wichtig. Als baupolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion habe ich mich bereits mit der Übernahme der thematischen Begleitung der Wohnungsbauthemen in der vergangenen Legislatur mit den verbraucherpolitischen Fragen von Immobilienbesitzern intensiv auseinandergesetzt und mich auch für eine Einbettung der Themen in den Koalitionsvertrag stark gemacht. Gerade Wohneigentum ist für viele Menschen eine wichtige Altersvorsorge, die in den letzten Jahren mit niedrigen Zinsen und hohen Mieten in Ballungsräumen an Bedeutung gewonnen hat. Mit den unterschiedlichen Marktstrukturen von wachsenden und schrumpfenden Regionen fällt eine Bewertung der Immobilien jedoch sehr unterschiedlich aus. In Ballungsgebieten steigen die Immobilienpreise, während in demografisch schrumpfenden Regionen die Immobilien nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Wertes besitzen. Als Folge entstehen bspw. finanzielle und soziale Probleme für den einzelnen Eigentümer, die die Politik nicht ignorieren darf und kann – im Gegenteil, sehr ernst nimmt.

Der Koalitionsvertrag will den Verbraucherschutz für Bauherren beim Bauvertragsrecht ausbauen. Wo sehen Sie konkreten Änderungsbedarf?

Viele private Bauherren lassen nur einmal im Leben ein Haus oder eine Eigentumswohnung kaufen. Sie stehen weder bautechnisch noch juristisch auf Augenhöhe mit dem Firmenpartner. Solide, eindeutige und fachlich gut ausgearbeitete Bauverträge sind hier ein wichtiger Hebel, um böse Überraschungen zu vermeiden. Zahlungsraten sollten dem Baufortschritt entsprechen, Absicherung bei Mängeln und deren Beseitigung, Gewährleistungen, Qualität und Leistungsumfang, Zusatzwünsche – dies sollte klar formuliert und im Zweifel für den Schutz des Verbrauchers geregelt sein, um einen konfliktfreien Bauverlauf zu gewährleisten und ein böses Erwachen oder gar langwierige Verfahren bis hin zum finanziellen Ruin für den „Häusle- oder Eigentumswohnungsbauer“ zu vermeiden. Eine mögliche Umsetzung wird derzeit in den zuständigen Ministerien geprüft.

Laut Koalitionsvertrag kommen für Wohnungsverwalter berufliche Mindestanforderungen und Pflichtversicherung. Welche fachlichen Bausteine schlagen Sie für die Mindestqualifikation vor? Welche Mindestdeckung für die Pflichtversicherung?

Bis heute gibt es kein einheitliches, anerkanntes Berufsbild für Verwalter, welches gesetzlich verankert ist. Bisher darf in Deutschland jeder Immobilien verwalten, der sich beim Gewerbeamt ordnungsgemäß anmeldet. Die Anforderungen durch Gesetze, Verordnungen an Eigentümer und Mieter sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Weit über die Koordination von Reparaturen und Betriebskostenabrechnung hinaus, vertreten Verwalter Wohnungseigentümer oft in rechtlichen und kaufmännischen Fragen, beraten bei Sanierungen – auch energetischen Sanierungen – und verwalten oft mehrstellige Summen für die Eigentümer (Rücklagen, Hausgeld, Sonderumlagen etc.). Nicht zuletzt können Verwalter auch moderierende bzw. schlichtende Tätigkeiten zwischen zerstrittenen Hausparteien übernehmen, Beschwerden aufnehmen und vieles mehr, wenn sie denn gute und qualifizierte Verwalter im Sinne der Eigentümer sind. Ich möchte betonen, dass viele Verwalter kompetent sind. Trotzdem macht es die derzeitige Gesetzeslücke einfacher für sogenannte „schwarze Schafe“. Daher haben wir als SPD-Bundestagsfraktion im Koalitionsvertrag vereinbart, Mindestqualifikationen und Pflichtversicherung in dieser Legislaturperiode zu regeln. Die fachliche Qualifikation und der dazugehörige Sachkundenachweis müssen aus meiner Sicht grundlegende rechtliche und kaufmännische Kenntnisse beinhalten, aber auch der technischen und organisatorischen Verantwortung gerecht werden. Die Komplexität der Gesetzesgestaltung ergibt sich aus den unterschiedlichen Eigentümerstrukturen. Gerade bei Wohnungseigentum/Wohnungseigentümergemeinschaften sind zwar qualifizierte Verwalter inkl. einer Vermögens- und Schadenshaftpflichtversicherung dringend erforderlich, jedoch muss die Höhe an die Größe der WEG angepasst werden. Wohneigentum darf sich aber hierdurch nicht weiter verteuern oder für Bestandseigentümer zukünftig unbezahlbar werden. Zum derzeitigen Gesetzgebungsverfahren werden daher die Stellungnahmen der Verbände geprüft, viele Einzelgespräche und Runde Tische finden statt, um praktikable Lösungen im Dialog mit allen Beteiligten zu finden.

Nach Auffassung von wohnen im eigentum verlangt die Sicherung des Vermögens der Wohnungseigentümer neben Qualifikation und Versicherung eine effektive Kontrolle der Verwaltung durch die Eigentümer. Praktisch ist das besonders in größeren Anlagen nur über die Verwaltungsbeiräte zu realisieren. Doch deren gesetzliche Position ist schwach. Was sollte hier geschehen?

Die Problemanzeige ist vollkommen richtig. Wir müssen die Verbraucher- und Eigentümerrechte stärken, insbesondere in Aufsichts- und Kontrollfragen. Aber die Lösungen müssen alltagstauglich und rechtssicher sein. Ähnliches gilt für Mehrheitsfindungen in einer WEG. Qualitative Mehrheiten können ein Lösungsweg sein. Die notwendigen Schritte und Antworten müssen im Dialog erarbeitet werden.

Bei vielen Gesetzen und Fördermaßnahmen kommen die speziellen Umsetzungsprobleme im Wohnungseigentum nicht in den Blick. Typisch ist der Fall der Erleichterung energetischer Sanierungen durch die letzte Mietrechtsreform. Jetzt soll hier nachgebessert werden. Wie kann erreicht werden, dass Wohnungseigentum in Zukunft von vornherein einbezogen wird?

Die unterschiedlichen Strukturen von Wohneigentum und speziell von Wohneigentumsgemeinschaften erschweren viele Prozesse und Fördermaßnahmen, die eigentlich gesetzlich geregelt sind. Bundesweite Gesetzgebungen sind für bundesweit einheitliche Regelungen verantwortlich und können keine Einzelfälle betrachten. Der Gesetzgeber muss generalisieren, vereinfachen und auch bundesweit vereinheitlichen, dies jedoch widerspricht der „Natur“ vieler Wohnungseigentümergemeinschaften. Fakt ist aber auch, dass die unterschiedlichen Strukturen von Wohnungseigentum nicht aus dem Blick geraten sind, die oft sehr spezifischen Probleme allerdings nicht definiert werden. Daraus ergibt sich manchmal eine ungewollte Praxisuntauglichkeit. So schloss die KfW-Förderung zum energetischen Sanieren und Bauen WEGs nicht explizit aus. Die Praxis jedoch zeigte, dass Kreditgeber auf Grund der Tatsache, mit jedem einzelnen Wohneigentümer einen eigenen Förderantrag und eine Kreditbewilligung für jeweils kleine Beträge umsetzen zu müssen, hiervon abgesehen haben. Aufwand und Nutzen aus Sicht der Kreditgeber standen in einem ungleichen Verhältnis. Später spezialisierten sich kleinere Genossenschaftsbanken gerade auf WEGs und deren Finanzierungsmöglichkeiten für energetische und anderweitige Sanierungen. Mittlerweile entwickelt die KfW-Bankengruppe spezielle Programme oder Programmbausteine für Wohnungseigentümer und berät Immobilienverwalter. Hier ist auch gute und gezielte Lobbyarbeit – natürlich im positiven Sinne – gefragt, um das Verständnis für die Vielschichtigkeit von WEGs präsent zu halten und auch die Praxistauglichkeit von Gesetzen zu prüfen. Kein Gesetz ist fertig in Stein gemeißelt. Trotz Anhörungen und Fachexpertise gilt der Praxistest.
Die Mietrechtsreform der vergangenen Bundesregierung war aus meiner Sicht weder für WEGs und erst recht nicht für Mieter von Vorteil, sondern nahm dem Mietrecht seine soziale Funktion.

Bei der Geldanlage treffen den Anbieter oft weitreichende Informationspflichten. Obwohl das Produkt „Eigentumswohnung“ nicht leichter zu verstehen ist und obwohl sein Kauf weitreichende Konsequenzen hat, gibt es hier nichts Vergleichbares. Wohnen im Eigentum fordert umfassende Informationspflichten. Wie stehen Sie dazu?

Transparenz und Beteiligung sind die Basis für verständliche und nachvollziehbare Prozesse. Dies sollte für den Kauf einer Eigentumswohnung genauso gelten wie für politische Verfahren. Der offene und transparente Informationsfluss trägt nicht nur zum Verständnis bei, sondern beugt Missbrauch vor und kann vor Schäden schützen.

Es ist viel zu tun. Wo sehen Sie Ihre persönlichen Arbeitsschwerpunkte in Sachen Verbraucherschutz für die Besitzer von Eigenheimen und Eigentumswohnungen in dieser Legislaturperiode?

Als Baupolitiker lege ich den Fokus auf die energetische Sanierung und Quartiersentwicklung. Als sozial engagierter Politiker in der SPD sehe ich auch die Notwendigkeit, dass Wohnen bezahlbar bleiben muss. Egal, ob in eigener Wohnung, im Eigenheim oder zur Miete. Hier müssen die Menschen mehr beteiligt und aktiviert werden. Nur in einem breiten Diskurs können wir gemeinsam diese Probleme lösen.

Sind Sie selbst Eigentümer eines Eigenheims oder einer Eigentumswohnung? Sind konkrete Erfahrungen von daher in Ihre politischen Einstellungen zum Thema eingeflossen? Welche?

Ich selbst wohne zur Miete. Dennoch habe ich im persönlichen, politischen und beruflichen Umfeld mit vielen Wohneigentümern zu tun. Es hat alles sein Für und Wider. Ich kann Menschen verstehen, die zur Altersvorsorge eine Immobilie erwerben. Gleichzeitig gibt es keine Gewähr für die zukünftigen demografischen Entwicklungen und die damit verbundenen Wertentwicklungen. Durch meine Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft vor dem Einzug in den Bundestag sind mir die vielfältigen sozialen, ökologischen wie auch ökonomischen Anforderungen sehr bewusst. Aber es gibt das Motto „mit Menschen für Menschen bauen und die Städte gestalten“.