Sylvia Jörrißen

Mitglied des Deutschen Bundestags, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Wahlkreisbüro in Hamm

im Interview mit wohnen im eigentum e.V.

26.09. 2014

 

Immobilienbesitzer als Verbraucher, das ist in der Politik eine neue Sichtweise. Warum wurde sie notwendig?

Der Kauf einer Immobilie oder der Bau eines Eigenheimes stellt für die meisten Menschen eine der größten Investitionen dar, die sie in ihrem Leben tätigen – mit weitreichenden Konsequenzen: Die Kauf- oder Bauentscheidung bindet meist über Jahrzehnte finanzielle Mittel und erfordert die Erfüllung gesetzlicher Standards und Regelungen nicht nur im Bau, sondern auch im weiteren Unterhalt. Das Produkt „Eigenheim“ ist daher in vieler Hinsicht komplexer geworden als noch in der Vergangenheit. Diejenigen, die sich für ein Eigenheim entscheiden, sind in den meisten Fällen jedoch keine Experten, sondern Bürger, die sich eine Altersvorsorge schaffen oder ein Lebensprojekt verwirklichen. Da es sich um eine meist einmalige Entscheidung für ein sehr komplexes Produkt mit weitreichenden Konsequenzen handelt, ist es richtig, dass hier der besondere Schutz eines Verbrauchers angewandt werden muss.

Der Koalitionsvertrag will den Verbraucherschutz für Bauherren beim Bauvertragsrecht ausbauen. Wo sehen Sie konkreten Änderungsbedarf?

Die Entscheidung zum Kauf oder Bau einer Immobilie bindet in den meisten Fällen große Teile der finanziellen Kapazitäten und führt zu Kreditaufnahmen. Den Verbraucherschutz für Bauherren beim Bauvertragsrecht auszubauen, halte ich deshalb für äußerst wichtig. So müssen beispielsweise Bauherren vor finanziellen Schäden bis hin zur Existenzbedrohung durch Pleiten von Baufirmen geschützt werden. Häufig können Nachfrager von Immobilen die finanzielle Tragweite ihrer Kaufentscheidung schwer realistisch einschätzen. Zentral sind daher Rechts- und Kalkulationssicherheit beim Abschluss privater Bauverträge und ein verankertes Widerrufsrecht. Wichtig ist, dass eine klare Transparenz erreicht wird, um die Kaufentscheidung auf eine bestmögliche Grundlage zu stellen.

Laut Koalitionsvertrag kommen für Wohnungsverwalter berufliche Mindestanforderungen und Pflichtversicherung. Welche fachlichen Bausteine schlagen Sie für die Mindestqualifikation vor? Welche Mindestdeckung für die Pflichtversicherung?

Hausverwalter üben eine äußerst komplexe Tätigkeit aus. Sie sind Mittler verschiedenster Akteure wie Mieter, Eigentümer, Behörden und Versicherungen – jeder mit eigenen individuellen Interessen. Die Tätigkeit erfordert aktuelle Kenntnisse gesetzlicher Regelungen und technischer Anforderungen. Von zentraler Bedeutung ist hier sicherlich die Verwaltung großer und vor allem fremder Vermögen, was sowohl eine hohe Sachkenntnis erfordert als auch Vertrauen. Daher sind eine gute Qualifikation und regelmäßige Weiterbildungen essenziell, um den breiten Erfordernissen dieses Berufes gerecht zu werden. In diesem Sinne ist es sehr zu begrüßen, dass in dieser Legislaturperiode Regelungen geschaffen werden, in welchen Mindestanforderungen der Qualifizierung und Festlegungen über Pflichtversicherungen verankert werden. Zum jetzigen Zeitpunkt können hier leider noch keine konkreten Aussagen getroffen werden.

Nach Auffassung von wohnen im eigentum verlangt die Sicherung des Vermögens der Wohnungseigentümer neben Qualifikation und Versicherung eine effektive Kontrolle der Verwaltung durch die Eigentümer. Praktisch ist das besonders in größeren Anlagen nur über die Verwaltungsbeiräte zu realisieren. Doch deren gesetzliche Position ist schwach. Was sollte hier geschehen?

Mit Bezug auf die vorhergehende Frage kann ich nur unterstreichen, dass Optimierungen im Bereich der Hausverwaltung angebracht sind und auch im Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode verankert sind. Im Rahmen dessen wird auch geprüft werden, wie es zu mehr Transparenz kommen kann. Hier gilt es auch, die rechtliche Position der Verwaltungsbeiräte auf den Prüfstand zu stellen und deren Position gegebenenfalls zu stärken.

Bei vielen Gesetzen und Fördermaßnahmen kommen die speziellen Umsetzungsprobleme im Wohnungseigentum nicht in den Blick. Typisch ist der Fall der Erleichterung energetischer Sanierung durch die letzte Mietrechtsreform. Jetzt soll hier nachgebessert werden. Wie kann es erreicht werden, dass Wohnungseigentum in Zukunft von vornherein einbezogen wird?

In allen Gesetzgebungsverfahren ist es essenziell, dass alle betroffenen Interessensgruppen eingebunden werden. Ihre fachliche Expertise ist von herausragender Bedeutung. Dies geschieht meist im Rahmen von Anhörungen und Fachgesprächen. Wohnungseigentümer haben mit dem Verband wohnen im eigentum eine gute und starke Vertretung. Was die energetische Sanierung betrifft, schneiden Sie ein klassisches Umsetzungsproblem an. Entscheidend ist, dass alle Maßnahmen einer energetischen Sanierung gestärkt werden sollen. Es gilt nun, allen Zielgruppen gleichermaßen Anreize zu geben, in diesem Bereich im Sinne des Klimaschutzes und der Energieeffizienz Maßnahmen umzusetzen.

Bei der Geldanlage treffen den Anbieter oft weitreichende Informationspflichten. Obwohl das Produkt „Eigentumswohnung“ nicht leichter zu verstehen ist und obwohl sein Kauf weitreichende Konsequenzen hat, gibt es hier nichts Vergleichbares. wohnen im eigentum fordert umfassende Informationspflichten. Wie stehen Sie dazu?

Bei einer Eigentumswohnung oder einem Eigenheim handelt es sich um ein äußerst individuelles Produkt. Man wählt es zumeist nicht aufgrund seiner prognostizierten Wertentwicklung aus, sondern nach „weichen“ Kriterien. Man überlegt sich eher, ob man sich mit seiner Familie darin wohl fühlt, ob die Lage angenehm ist, ob die Kapazitäten ausreichend sind und ob das gewünschte Projekt langfristig finanzierbar ist. Eine intensive und individuelle Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Objekt ist deshalb für jeden Käufer von entscheidender Bedeutung. Gesetzlich bestehen bereits Informationspflichten im Beurkundungsgesetz, das Anforderungen nach einem Notar enthält und auch zeitliche Fristen beinhaltet.

Es ist viel zu tun. Wo sehen Sie Ihre persönlichen Arbeitsschwerpunkte in Sachen Verbraucherschutz für die Besitzer von Eigenheim und Eigentumswohnung in dieser Legislaturperiode?

Wohnen ist eines der elementarsten Bedürfnisse des menschlichen Lebens. Ich setze mich dafür ein, dass in diesem wichtigen Feld dort Änderungen vorgenommen werden, wo es aktuell zu Ungleichgewichten gekommen ist. Konkret gilt es, den Wohnungsneubau weiter voranzutreiben. Jeder Mensch muss Rahmenbedingungen vorfinden, die ihn eine Wohnung oder ein Haus finden lassen, in dem er leben kann und möchte. Daher ist es mir wichtig, im Hinblick auf Wohneigentümer und diejenigen Bürger, die zukünftig gerne eine Immobile erwerben möchten, mich für bessere Verbraucherrechte und mehr Transparenz einzusetzen. Die Kauf- oder Bauentscheidung muss das rechtliche Gewicht erhalten, das sie verdient.

Sind Sie selbst Eigentümerin eines Eigenheims oder einer Eigentumswohnung? Sind konkrete Erfahrungen von daher in Ihre politischen Einstellungen zum Thema eingeflossen? Welche?

Mit meinem Mann und meinen drei Kindern bewohne ich ein Haus in meiner Wahlkreisstadt Hamm und bin gut mit der Sichtweise eines Eigenheimbesitzers vertraut. Ich kenne jedoch auch die Verwalterseite. Seit zwölf Jahren führe ich eine Haus- und Wohnungsverwaltung in Hamm.