20.07.2023. Wenn Wohnungseigentümer*innen mit einer einstweiligen Verfügung die Aussetzung eines Beschlusses über eine Baumaßnahme erwirken und diese später vom Gericht wieder aufgehoben wird, müssen sie der WEG den durch die Verzögerung der Maßnahme entstandenen Schaden erstatten. Das hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil (Az. V ZR 86/22) klargestellt. Lesen Sie wichtige Hinweise von Wohnen im Eigentum (WiE) zu den Risiken einer einstweiligen Verfügung.

Im vorliegenden Fall hatte eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) im November 2014 einen Beschluss über Sanierungsarbeiten an Balkonen gefasst, auf dessen Grundlage die Verwalterin im April 2015 zwei Handwerksunternehmen beauftragte. Eine Eigentümerin, die mit dem Beschluss nicht einverstanden war, erhob Anfechtungsklage und erwirkte Ende April 2015 eine einstweilige Verfügung. Mit dieser wurde der Sanierungsbeschluss ausgesetzt und ein Baustopp angeordnet.

Die einstweilige Verfügung wurde kurze Zeit später, Ende Mai 2015, aber vom Amtsgericht aufgehoben, da der Beschluss über die Sanierungsarbeiten nach Ansicht des Gerichts ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach. Die klagende Eigentümerin legte daraufhin erfolglos Berufung ein, das Landgericht Ende September bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.

Die Handwerksunternehmen konnten nun die Sanierungsarbeiten abschließen. Allerdings waren durch die Verzögerung Mehrkosten in Höhe von knapp 11.200 Euro entstanden, die sie der Wohnungseigentümergemeinschaft in Rechnung stellten. Die WEG bezahlte – und verklagte daraufhin die Eigentümerin auf Erstattung der Mehrkosten, da diese für den Baustopp verantwortlich war. Das wiederum wollte die Beklagte nicht auf sich sitzen lassen und zog vor den Bundesgerichtshof. Dieser gab aber mit Verweis auf die Zivilprozessordnung der Eigentümergemeinschaft recht (Urteil vom 21.04.23, Az. V ZR 86/22): Die Beklagte muss der WEG den entstandenen Schaden erstatten.

Im Folgenden einige wichtige Hinweise für den Umgang mit Anfechtungsklagen und Klagen auf einstweilige Verfügung:

  • Eine Anfechtungsklage gegen einen Beschluss hat keine aufschiebende Wirkung. Das heißt: Die Verwaltung muss einen Beschluss stets unverzüglich umsetzen, auch wenn gegen diesen eine Anfechtungsklage läuft. Erst wenn ein Gericht den Beschluss für ungültig erklärt hat, muss die Verwaltung diesen nicht mehr umsetzen.
  • Wer als Wohnungseigentümer*in die Umsetzung eines Beschlusses aussetzen möchte, bis das Gericht eine Entscheidung über die Anfechtung getroffen hat, kann eine einstweilige Verfügung beantragen. Dies ist auch noch nach Ablaufen der Anfechtungsfrist, die einen Monat beträgt, möglich.
  • Wichtig: Falls das Gericht die Verfügung später wieder aufhebt, weil sich diese als ungerechtfertigt herausstellt, muss die klagende Wohnungseigentümer*in der WEG den durch die Verzögerung entstandenen Schaden erstatten (Schadensersatz gemäß § 945 Zivilprozessordnung). Dies sollten Sie von Beginn an mit bedenken – um nicht möglicherweise später von hohen Kosten überrascht zu werden.
  • Grundsätzlich: Sollten Sie in Erwägung ziehen, eine einstweilige Verfügung gegen eine bauliche Veränderung oder eine Erhaltungsmaßnahme zu erwirken, müssen Sie dem Gericht sehr gute Argumente bzw. Gründe liefern können. Im Zweifel gehen die Gerichte nämlich zunächst davon aus, dass das Interesse der Gemeinschaft an der Beschlussdurchführung höher zu bewerten ist, als das Interesse einzelner Wohnungseigentümer*innen, den Beschluss „aufzuhalten“.
  • Ein Weg, Mehrkosten im Interesse aller zu vermeiden: Bestehen Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses und seine Durchführung ist nicht eilig, kann in den Beschluss aufgenommen werden, dass die Verwaltung angewiesen wird, den Beschluss erst dann zu vollziehen, wenn er bestandskräftig geworden ist (das heißt: die Anfechtungsfrist abgelaufen ist und keine Eigentümer*in Anfechtungsklage erhoben hat). Ob ein Beschluss bestandskräftig wurde, läßt sich normalerweise circa 6 Wochen nach der Beschlussfassung klären (man kann rechnen: 1 Monat Anfechtungsfrist plus circa 2 Wochen Geschäftslauf des Gerichts von der Klageerhebung bis zur Klagezustellung an die WEG).
  • Nähere Informationen zur Anfechtung von Beschlüssen lesen Sie hier.