Auch obsiegende Kläger*innen müssen Kostenanteil tragen / WiE befürchtet „abschreckende Wirkung“ / Tipp: WiE-Musterbeschluss zur abweichenden Kostenverteilung
22.07.2024. Wenn einzelne Wohnungseigentümer*innen die Wohnungseigentümergemeinschaft verklagen und vor Gericht gewinnen, müssen sie trotzdem anteilig die Kosten für den Prozess tragen. Das hat der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil (Urt. v. 19.07.2024, Az. V ZR 139/23) klargestellt. Der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum sieht das Urteil kritisch, da es - insbesondere in kleinen WEGs, in denen sich die Kosten nur auf wenige Eigentümer*innen verteilen – WEG-Mitglieder abschrecken könnte, vor Gericht zu gehen. WiE empfiehlt daher, vorab per Beschluss zu regeln, wer die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen hat.
Wer in einer Wohnungseigentümergemeinschaft etwas gerichtlich durchsetzen möchte, muss damit rechnen, trotzdem an den Prozesskosten beteiligt zu werden, auch wenn er Erfolg hat. Das hat der BGH nun klargestellt. Seit 2020 müssen sogenannte Beschlussklagen nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer*innen, sondern gegen die gesamte WEG gerichtet werden.
Im konkreten Fall hatten drei Eigentümer*innen einer WEG mit 8 Wohneinheiten im Jahr 2021 ihre WEG verklagt. In diesem Vorprozess wandten sie sich gegen einen Beschluss – ihre Anfechtungsklage war erfolgreich. Die Kosten dieses Prozesses wurden per Beschluss auf alle WEG-Mitglieder umgelegt; jeder sollte rund 800 Euro zahlen – auch die Eigentümer*innen, die den Prozess gewonnen hatten. Die drei Eigentümer*innen klagten gegen diesen Beschluss zur Kostenverteilung. Nachdem die Klägerinnen vor dem Amtsgericht verloren und in der Berufung vor dem Landgericht gewannen, landete der Fall vor dem BGH. Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und stellte klar, dass die Kostenverteilung auf alle WEG-Parteien, wie vom Amtsgericht entschieden, zulässig ist.
BGH: Kosten für Vorprozess sind Verwaltungskosten der Gemeinschaft
Der WEG-Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage für Kosten des Vorprozesses entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung, stellte der BGH klar. Kosten, die der Gemeinschaft in einem Beschlussklageverfahren auferlegt worden sind, sind laut BGH „Verwaltungskosten der Gemeinschaft, an denen sämtliche Wohnungseigentümer unabhängig von ihrer Parteistellung im Prozess“ zu beteiligen sind.
„Das Urteil kann bei WEG-Mitgliedern, die Klage erheben möchten, unter Umständen abschreckende Wirkung haben“, sagt WiE-Rechtsreferent Michael Nack. „Das hat der BGH zwar auch so gesehen, er geht aber nicht von einer Gesetzeslücke aus, die der BGH durch eigene Wertung ersetzen könnte.“ Der Beschluss über die Sonderumlage war deshalb ordnungsgemäß. Aufgrund dieser möglichen Konsequenz sieht WiE das Urteil kritisch. „Es widerspricht vermutlich dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Wohnungseigentümer*innen, dass sie, obwohl sie vor Gericht Recht behalten haben, die Kosten anteilig mittragen müssen.“ Vor allem in kleineren WEGs, in denen die Kosten auf wenige Eigentümer*innen verteilt werden, könne dies ein Problem sein. Offengelassen hat der BGH die Frage, ob den Klägerinnen ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch (eine Unterform des Schadensersatzes) zustehen könnte, den sie gesondert geltend machen können. WiE empfiehlt, in der Eigentümerversammlung darüber zu diskutieren, ob eine abweichende Kostenregelung in der WEG für diese Fälle beschlossen werden sollte.
Hinweis: Für Mitglieder hält WiE dazu verschiedene Musterbeschlüsse (bitte erst einloggen) bereit.