Einspruch gegen Grundsteuerwert beim Bundesmodell muss möglich sein / Eigentümer*innen müssen Abweichung um mehr als 40 Prozent nachweisen
25.6.2024. Viele Eigentümer*innen haben in den vergangenen Monaten vom Finanzamt einen Bescheid über die Feststellung ihres neuen Grundsteuerwerts erhalten. Der Bundesfinanzhof hat jüngst Zweifel an der Richtigkeit der Berechnungsgrundlage der neuen Grundsteuer beim Bundesmodell geäußert. Mit zwei Beschlüssen (Az. II B 78/23 und 79/23) hat er die Rechte von Immobilien- und Grundstückseigentümer*innen gestärkt. Diese können gegen zu hoch angesetzte Grundsteuerwerte vorgehen. Damit ihr Einspruch Erfolg haben kann, müssen sie nachweisen, dass der tatsächliche Grundsteuerwert mindestens 40 Prozent unter dem angesetzten Wert liegt. Der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum (WiE) begrüßt die Beschlüsse.
Für die Berechnung der neuen Grundsteuer, die ab 01.01.2025 erhoben wird, müssen bis zu 36 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Beim sogenannten Bundesmodell, das in elf Bundesländern angewandt wird, bewerten die Finanzämter in einem ersten Schritt das Grundstück; dies ergibt den sog. Grundsteuerwert. Der Grundsteuerwert wird dann mit der Steuermesszahl, die sich nach der Grundstücksart richtet, multipliziert. Darauf wendet die jeweilige Kommune schließlich ihren sogenannten Hebesatz an – das ergibt dann die Grundsteuer, welche die Kommune in Form des Grundsteuerbescheids festsetzt.
Nun hat der Bundesfinanzhof in zwei Fällen entschieden, dass diese Bescheide nicht vollzogen werden dürfen, die Bescheide also vorerst nicht Grundlage für die Festsetzung der Grundsteuer werden dürfen. Zwei Grundstückseigentümer*innen aus Rheinland-Pfalz hatten ihre Bescheide vor dem Finanzgericht angefochten, da sie der Ansicht waren, dass die festgesetzten Grundsteuerwerte aus verschiedenen Gründen zu hoch sind. In einem Fall machte der Antragsteller geltend, dass der tatsächliche Grundstückswert aufgrund der Lage des Grundstücks - in zweiter Reihe und Hanglage sowie nur durch einen Privatweg erschlossen - um über 40 % vom durchschnittlichen Bodenrichtwert abweiche. In einem anderen Fall ging es um ein im Jahr 1880 errichtetes Gebäude, an dem seit dem Baujahr angeblich keine wesentlichen Renovierungen vorgenommen wurden, so dass hier von einem Gebäudewert von Null ausgegangen werden könne, so die Begründung der Antragstellerin.
Dr. Sandra von Möller: „Wichtiges Signal für Steuerpflichtige, die Abweichung nachweisen können.“
Zwar sei es, so der Bundesfinanzhof, nicht von vornherein verfassungswidrig, dass die steuerlichen Bemessungsgrundlagen typisiert und pauschaliert werden. Allerdings müssen Steuerpflichtige die Chance bekommen, im Einzelfall einen niedrigeren Grundsteuerwert darzulegen. Das Gericht folgt damit seiner bisherigen Linie. Immobilien- und Grundstückseigentümer*innen müssen dafür aufzeigen können, dass der tatsächliche Grundsteuerwert mindestens 40 Prozent unter dem festgesetzten Wert liegt.
„Auch wenn damit noch nicht abschließend entschieden ist, ob die beiden Bescheide rechtswidrig sind und aufgehoben werden müssen, macht es doch die grundlegende Einstellung des Bundesfinanzhofs in dieser Frage deutlich“, sagt Dr. Sandra von Möller, Geschäftsführerin von Wohnen im Eigentum. „Für Steuerpflichtige, die diese Abweichung nachweisen können, ist das ein wichtiges Signal“, so von Möller, „denn die Chancen, ebenfalls in laufenden oder künftigen Verfahren eine Aussetzung der Vollziehung erreichen zu können, dürften sich mit den Entscheidungen verbessert haben“.
Hinweise zum Vorgehen für Immobilien- und Grundstückseigentümer*innen:
- Innerhalb eines Monats ab Erhalt des Bescheids vom Finanzamt über den neuen Grundsteuerwert haben Sie als Immobilien- und Grundstückseigentümer*in die Möglichkeit, Einspruch einzulegen. Sonst wird der Bescheid bestandskräftig. Im Zusammenhang mit dem Einspruch sollten Sie auch beantragen, die Vollziehung der Festsetzungsbescheide auszusetzen.
- Sie dürfen die konkreten Details Ihres Grundstücks oder Ihrer Immobilie vortragen, aus denen sich ergibt, dass der tatsächliche Grundstückswert mindestens 40 Prozent niedriger ist als vom Finanzamt festgelegt.
- Um dies nachzuweisen, ist es sinnvoll, selbst Informationen über den Wert des Grundstücks einzuholen. Dafür kommt eine Recherche auf Immobilienportalen sowie die Nachfrage bei Makler*innen, Rechtsanwält*innen und Steuerberater*innen in Betracht.
- Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte ein Sachverständigengutachten einholen. Allerdings müssen Sie hier mit mehreren Tausend Euro Kosten rechnen – überlegen Sie also vorher, ob die steuerlichen Vorteile die Kosten aufwiegen.
- In laufenden Verfahren sollten Sie auf die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofes hinweisen. Es ist zudem sinnvoll, die Musterklagen, die u. a. vom Bund der Steuerzahler unterstützt werden, zu verfolgen und sich ggf. anzuschließen. Dann ruht Ihr eigenes Verfahren bis zum Abschluss des Musterverfahrens.