Bundesrat fordert einstimmigen Beschluss für reine Online-Eigentümerversammlung

Stellungnahme zu geplanter Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes / Ein Etappensieg für die Wohnungseigentümer*innen / WiE sieht eigenes Engagement bestätigt

30.11.23. Die Bundesregierung hat im September 2023 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes vorgelegt, wonach Wohnungseigentümer*innen eine rein virtuelle Eigentümerversammlung bereits mit einer ¾-Mehrheit beschließen können sollen. Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme Ende November 2023 dagegen ausgesprochen und fordert für ein reines Online-Format einen einstimmigen Beschluss. Kapitalschwache, lebensältere oder technikferne Eigentümer*innen könnten mit der Teilnahme an einer Videokonferenz überfordert sein und Minderheiten durch einen Beschluss mit ¾-Mehrheit letztlich „aus der Versammlung gedrängt“ werden, heißt es in der Begründung. Damit folgt der Bundesrat der Kritik von Wohnen im Eigentum und bestätigt damit das Engagement von WiE für die Rechte der Wohnungseigentümer*innen.

Seit September liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes vor, nach dem die reine Online-Eigentümerversammlung für drei Jahre eingeführt werden soll, wenn sich 3/4 der anwesenden und vertretenen Eigentümer*innen in einer Eigentümerversammlung dafür aussprechen. Derzeit kann sie entweder „ganz klassisch“ als reine Präsenzveranstaltung durchgeführt werden oder in hybrider Form, bei der sich einzelne Eigentümer*innen digital vom Computer oder Smartphone dazuschalten können. Die hybride Form muss in der Eigentümerversammlung mit Mehrheit beschlossen werden. Eine reine Online-Versammlung kann derzeit nur durchgeführt werden, wenn alle Wohnungseigentümer*innen dem zustimmen. Noch bevor sich der Bundestag sich mit dem Gesetzentwurf befasst, hat sich der Bundesrat nun gegen diese Quote ausgesprochen.

Bundesrat kritisiert Gesetzentwurf der Bundesregierung – Anspruch auf hybride Versammlung als Lösung?

In seiner Stellungnahme zum vorliegenden Gesetzentwurf fordert er, die Einführung der reinen Online-Eigentümerversammlung (= virtuelle Versammlung) nur mit einstimmigem Beschluss zuzulassen. Zur Begründung heißt es, der vorliegende Gesetzentwurf mit ¾-Mehrheit beim Beschluss lasse „den Eigentümern kein Wahlrecht mehr, in welcher Form sie teilnehmen“. Die Regelung verpflichte alle Eigentümer*innen, die technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an einer Videokonferenz zu schaffen. Das Bundesjustizministerium hatte in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass Wohnungseigentümer*innen, die nicht online teilnehmen können, „kommerzielle Angebote oder Nachbarschaftshilfe“ nutzen könnten, um an Eigentümerversammlungen teilzunehmen. Auch könnten sich Wohnungseigentümer*innen alternativ durch jemand anderen vertreten lassen. Diese Argumentation lässt der Bundesrat nicht gelten und stellt klar, dass dies nicht die Teilnahme- und Stimmrechte in gleich geeigneter Weise sichere. Mit dem jetzigen Regelungsvorschlag würde das Recht aller Wohnungseigentümer*innen zur physischen Teilnahme an der Wohnungseigentümerversammlung, das noch bei der WEGesetz-Novelle 2020 als unverrückbar galt, nun doch zur Disposition gestellt, kritisiert der Bundesrat. Der Bundesrat empfiehlt alternativ, zumindest eine Regelung zu schaffen, wonach auf Antrag schon eines Eigentümers die Versammlung als hybride Versammlung durchzuführen sei. Auch diese Variante hält WiE für eine sinnvolle Lösung, damit niemand ausgegrenzt wird.

„Ein Etappensieg für die Wohnungseigentümer*innen“

„Wir freuen uns, dass der Bundesrat unsere Kritik aufgegriffen hat“, sagt Gabriele Heinrich, Vorständin von Wohnen in Eigentum. „Das ist ein Etappensieg für die Wohnungseigentümer*innen und die WEGs. Denn keine Wohnungseigentümerin und kein Wohnungseigentümer darf vom Recht auf Teilnahme am Willensbildungsprozess in der Eigentümerversammlung und von ihrem oder seinem Rede-, Frage-, Antrags- und Stimmrecht ausgeschlossen werden.“

Allerdings geht WiE die Forderung des Bundesrates nicht weit genug. Einstimmigkeit in der Versammlung reiche zur Wahrung der Rechte aller Eigentümer nicht, wenn nicht alle an der Versammlung beteiligt sind oder sein können und wenn keine hohe Quote der Miteigentumsanteile vertreten ist.

WiE: Bestätigung der Wichtigkeit unseres Engagements für die Wohnungseigentümer*innen

„Die Stellungnahme des Bundesrates bestätigt die Notwendigkeit und Wichtigkeit unseres Engagements für die Rechte der Wohnungseigentümer*innen“, so Heinrich. WiE setzt sich bereits seit Bekanntwerden der Pläne des Bundesjustizministeriums – eine vereinfachte Beschlussfassung über die reine Online-Eigentümerversammlung ins Wohnungseigentumsgesetz einzuführen - dafür ein, dass Wohnungseigentümer*innen auf jeden Fall weiterhin an der Präsenz-Eigentümerversammlung teilnehmen können müssen. Dafür hat WiE Gespräche mit dem BMJ sowie mit Bundestagsabgeordneten geführt, zusammen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) einen kritischen Brief an Bundesjustizminister Buschmann verfasst, Positionspapiere und Stellungnahmen verfasst, die Justizministerien von Bayern, Baden-Württemberg und NRW kontaktiert, eine Protestbrief-Aktion von Wohnungseigentümer*innen initiiert und die Wohnungseigentümer*innen sowie die Medien laufend informiert. WiE wird den Gesetzgebungsprozess zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes auf jeden Fall weiterhin kritisch begleiten und die Wohnungseigentümer*innen informieren. „Noch ist nichts gewonnen, aber auch noch nichts verloren“, so Heinrich.

Ergänzener Hinweis: Die Bundesregierung hat im Dezember 2023 den Vorschlag in der Stellungnahme des Bundesrats in einer Gegenäußerung abgelehnt. Einstimmigkeit - wie vom Bundesrat gefordert - dürfte in den Versammlungen meist schwer zu erreichen sein, führt sie zur Begründung an. Am 18. Januar wird der Bundestag voraussichtlich in erster Lesung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung beraten (Stand: 10.01.2024).

Weitere Informationen dazu gibt es in unserer Chronologie und auf der Seite „Streitpunkt: Reine Online-Eigentümerversammlung“.

Wie sich der Bundesrat und seine Ausschüsse zum Thema Privilegierung von Photovoltaik-Anlagen positionieren, erfahren Sie hier.