03.12.2021. Im Sommer bestand noch die Hoffnung, dass Corona zum Jahresende, spätestens aber nach der 1. Hälfte 2022 ein nicht mehr den Alltag dominierendes Thema sein würde. Mit den Impfungen, dann notfalls mit „3G“ oder wenigstens „2G“, sollte die Lage in den Griff zu bekommen sein. Nach Meinung von WiE-Rechtsreferent Michael Nack sollte es auf dieser Grundlage weiterhin möglich sein, Eigentümerversammlungen abzuhalten.

Die gesellschaftlichen Einschränkungen für Ungeimpfte sollten nicht dazu führen, dass erneut Eigentümerversammlungen aufgeschoben werden. Die Abwägung der schützenswerten Interessen sollte für „2G“ sprechen.

Es kann nicht sein, dass Eigentümerversammlungen jetzt wieder abgesagt werden oder nicht stattfinden sollen. Der finanzielle, wirtschaftliche und soziale Schaden wird zu groß, denn viele WEGs hatten seit 2020 keine ordentliche Eigentümerversammlung mehr, keine Jahresabrechnungen erhalten. Mehrkosten aufgrund fehlender Schadensbeseitigungen oder Sanierungsstaus nehmen zu. So funktioniert keine ordnungsgemäße WEG-Verwaltung, schon gar nicht auf Dauer.

Deshalb ist vollkommen unverständlich, warum einige Verwalterverbände nun die Auffassung vertreten, dass Eigentümerversammlungen unter „2G“ nicht ordnungsgemäß seien und wieder abgesagt werden müssten oder nicht einberufen werden könnten. Die Forderung nach Online-Versammlungen ist keine Lösung. Eine gesetzliche Grundlage für virtuelle Versammlungen ist nicht erforderlich und kann kurzfristig nicht umgesetzt werden. Hier der ausführliche Kommentar von Michael Nack dazu:

„Angesichts seit Wochen steigender Inzidenzwerte und einer neuen Corona-Mutante steht nun wieder einmal bzw. noch immer die Frage im Raum: Was ist mit Eigentümerversammlungen in Corona-Zeiten?

Zutrittsbegrenzungen durch „2G“

Verwalterverbände vertreten teilweise die Auffassung, unter „2G“ seien Eigentümerversammlungen nicht ordnungsgemäß. Es entspricht aber nicht dem Interesse der Eigentümer*innen, wenn die Pandemie zu einem erneuten Winterschlaf oder einer Panikstarre in den WEGs führt. Viele WEGs hatten seit 2020 keine ordentliche Eigentümerversammlung (wie die WiE-Umfrage vom Sommer 2021 zeigt). Bereits bestehender Sanierungsstau hat sich weiter verschärft, eine Umsetzung der Klimaziele kann nicht ohne Zutun der WEGs erreicht werden, die Kommunikation zwischen Eigentümer*innen und Verwaltungen war vorher schon nicht optimal. Ein Digitalisierungsschub ist bisher nicht erkennbar, die Möglichkeiten der Online-Teilnahme werden eher zaghaft umgesetzt.

Wenn in einzelnen Bundesländern die „2G“-Regel auch für Eigentümersammlungen gilt bzw. dies möglicherweise bundesweite Vorschrift wird, ist, das von der WEG und den Eigentümer*innen ohne Wenn und Aber einzuhalten, denn eine Versammlung unter Verstoß gegen diese Vorschrift kann nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Für Eigentümerversammlungen gilt der Grundsatz, dass sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen dürfen.

Klar ist aber auch: Die Ladung zur Eigentümerversammlung darf keine Eigentümer*in von der Versammlung ausschließen. Das Stimmrecht ist ein Kernrecht der Eigentümer*innen.

Daraus folgt aber nicht zwingend, dass Eigentümerversammlungen unter der Geltung von „2G“ unmöglich wären.

Die Situation im Spätherbst/Winter 2021 ist grundlegend anders als zu Beginn der Pandemie, als noch kein Impfstoff verfügbar war und drastische Kontaktbeschränkungen die einzige Maßnahme war, um Infektionen zu begrenzen.

Während früher die Begrenzung der Teilnehmerzahl – entweder fest oder in Abhängigkeit von der Größe des Versammlungsraums – eine objektive und feste Grenze setzte, sind die „G“-Regeln flexibler. Ihr Anknüpfungspunkt ist keine starre Zahl, die von niemanden beeinflusst werden könnte, oder die notwendige Mindestgröße eines Raums. Stattdessen handelt es sich im weitesten Sinn um eine Beschränkung, die am Verhalten der Eigentümer*innen anknüpft. Inzwischen ist Impfstoff genug vorhanden, dass sich jede impfwillige Person impfen lassen kann.

Damit haben es die meisten Eigentümer*innen selbst in der Hand, die Voraussetzungen für ihre Teilnahme zu schaffen. Das war vorher nicht so.

So entwickelt sich auch das gesellschaftliche Verständnis während der Pandemie. Sich nicht impfen zu lassen ist – jedenfalls nach aktueller Rechtslage – nach wie vor eine freie persönliche Entscheidung. Sie führt aber zu praktischen und spürbaren Konsequenzen, weil die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt wird. Es ist grundsätzlich kein Grund ersichtlich, warum diese allgemeinen Regeln nicht auch bei der Eigentümerversammlung Anwendung finden können.

Um ein anschauliches Beispiel zu liefern: Die Situation ist heute vergleichbar damit, dass eine Eigentümer*in unbedingt einen ganz bestimmten Weg zur Eigentümerversammlung nehmen will und diese Straße durch behördliche Anordnung gesperrt ist. Die anderen Zufahrten sind aber frei, die Eigentümer*in könnte diese ohne besonderen Aufwand nutzen, um zur Versammlung zu gelangen.

Weitere Verschärfung ist unzulässig

Die Grenze ist da zu ziehen, wo der Zutritt zu Eigentümerversammlungen über die allgemeinen Einschränkungen hinaus weiter verschärft wird. Das galt auch vorher schon und soll an einem (noch) aktuellen Beispiel der Corona-Schutzverordnung NRW dargestellt werden: In Nordrhein-Westfalen gilt derzeit für Eigentümerversammlungen (noch) die 3G-Regel: § 4 Abs. 1 Nr. 6 CoronaSchVO NRW (Stand: 24.11.2021) sieht für rechtlich erforderliche Sitzungen von Gemeinschaften vor, dass die Teilnehmenden immunisiert (geimpft oder genesen) oder getestet sein müssen. Das sind also die durch das öffentliche Recht gestellten Anforderungen.

Für die Einhaltung dieser Anforderungen hat die WEG – durch ihr Organ Verwalter – zu sorgen. Die WEG darf diese Zutrittsvoraussetzungen nicht enger fassen. Soweit also die Versammlung an einem Ort stattfinden soll, in dem strengere Voraussetzungen gelten – z.B. eine Gaststätte, wo der Wirt auf „2G“ besteht –, wäre das eine unzulässige Zugangsbeschränkung. Solche Räume dürften dann nicht angemietet werden. Stellt sich erst zu Beginn der Versammlung heraus, dass es diese Beschränkung gibt, ist von der Durchführung dringend abzuraten, wenn dadurch Eigentümer*innen an der Teilnahme gehindert sind.

Güterabwägung erforderlich

Was ist aber mit denjenigen Eigentümer*innen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen dürfen? Diesen gegenüber zieht das Argument, dass sie die Voraussetzungen für die Teilnahme selbst in der Hand haben, offensichtlich nicht.

Es wird eine Güterabwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich: Auf der einen Seite das Stimm- und Teilnahmerecht der einzelnen Eigentümer*innen, auf der anderen Seite das Recht auf eine handlungsfähige Gemeinschaft. Und hier dürfte aufgrund der geänderten Sachlage auch eine Verschiebung angezeigt sein: Je länger die Gemeinschaft handlungsunfähig bleibt, desto höher das Interesse, endlich wieder zur Handlungsfähigkeit zu kommen. Das Recht zur Teilnahme ist nämlich nicht schrankenlos gewährleistet.

Eine unzulässige Einschränkung des Teilnahmerechts wäre darin zu sehen, wenn eine WEG gezielt Maßnahmen trifft, um einzelne Eigentümer*innen von der Versammlung auszuschließen. Wenn allgemein nicht-impffähige Personen nicht teilnehmen können, liegt eine solch unzulässige Einschränkung aber nicht vor. Sie werden nicht zielgerichtet ausgeschlossen.

Virtuelle Versammlung darf keine Lösung sein

Verwalterverbände befürworten erneut angesichts der Corona-Situation die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die virtuelle Versammlung. Zur Erinnerung: § 23 Abs. 1 Satz 2 WEGesetz sieht die Möglichkeit der Online-Teilnahme vor. Das ist etwas anderes als eine virtuelle Versammlung. Bei der Online-Teilnahme gibt es den physischen Versammlungsort. Die Eigentümer*innen können stets dort hingehen, wenn sie das wollen. Die Online-Teilnahme ist also ein Nebeneingang in den Versammlungsraum. Der Haupteingang muss aber weiter offen stehen. Er darf durch den Beschluss über die Online-Teilnahme nicht eingeschränkt – erst Recht nicht versperrt – werden.

Bei der virtuellen Versammlung gibt es keinen physischen Versammlungsraum mehr. Der Online-Nebeneingang wird nicht nur zum Haupteingang, sondern zum einzigen Eingang, der der Minderheit von der Mehrheit aufgezwungen wird.

Der Unterschied ist: Die virtuelle Versammlung ist eine Einschränkung und die Online-Teilnahme eine Erweiterung der Teilnahmemöglichkeiten.

Die virtuelle Versammlung als Lösung der Eigentümerversammlungen zur Corona-Zeiten zu propagieren, ist deshalb im Grunde unehrlich. Hierüber eine Beschlusskompetenz zu schaffen, egal mit welchem Quorum, ist eine gezielte Einschränkung von Rechten. Hinzu kommt: Corona mag gekommen sein, um zu bleiben. Aber die damit verbundenen gesellschaftlichen Einschränkungen werden nicht auf Dauer bestehen bleiben. Soviel Hoffnung sollte man dann doch haben.

Wenn aber erst einmal eine virtuelle Versammlung beschlossen wurde, wird es schwierig, sie wieder abzuschaffen. Muss darüber dann mit Mehrheit beschlossen werden? Das wäre dann wohl die logische Folge. Und das muss – offensichtlich – in der virtuellen Versammlung geschehen.

Die einfacheren Missbrauchsmöglichkeiten sind dabei noch gar nicht erwähnt. In der Präsenzversammlung muss sich keine Eigentümer*in den Mund verbieten lassen. In der virtuellen Versammlung lässt sich das mit einem Klick der Moderator*in auf „Stummschalten“ ermöglichen. Ein Hinauswerfen einer Eigentümer*in ist in einer Präsenzversammlung eher selten (und noch seltener rechtmäßig). Wer prüft bei der virtuellen Versammlung den Grund für den plötzlichen Verbindungsausfall? Diese Bedenken mag man auch bei der Online-Teilnahme haben. Dort sitzen aber auch Eigentümer*innen, die Fehlverhalten der Versammlungsleitung erkennen könnten. Und wer meint, durch die Online-Teilnahme nicht ausreichend zu Wort zu kommen, kann jedenfalls nächstes Mal wieder persönlich erscheinen.

Die rein virtuelle Versammlung bietet also keinen Mehrwert, sondern ist sogar missbrauchsanfälliger.“

Fazit:

1. Die gesellschaftlichen Einschränkungen für Ungeimpfte sollten nicht dazu führen, dass erneut Eigentümerversammlungen aufgeschoben werden. Die Abwägung der schützenswerten Interessen sollte für „2G“ sprechen.

2. Eine gesetzliche Grundlage für virtuelle Versammlungen ist nicht erforderlich.