WiE-Umfrage mit großer Beteiligung: In 42% der WEGs seit rund 2 Jahren keine Eigentümerversammlung / Zwei Drittel der Befragten sehen negative wirtschaftliche Folgen / Kein Digitalisierungsschub in WEGs

 

05.08.2021 Die Antworten von 2.510 Wohnungseigentümer*innen aus 2.407 WEGs mit 99.054 Wohnungen belegen, dass ein Durchführungsstau bei den Eigentümerversammlungen in Deutschland besteht. Dies ist eine der wichtigen Erkenntnisse der WiE-Umfrage über Eigentümerversammlungen in Corona-Zeiten. Weitere: Zwei Drittel der Befragten sehen negative wirtschaftliche, bauliche wie finanzielle Folgen durch die verspätete Durchführung oder die Nichtdurchführung von Versammlungen. Hier zu den Ergebnisse der Umfrage „Eigentümerversammlungen in Corona-Zeiten – Probleme und Herausforderungen“. WiE gibt Tipps, u.a. wie die Durchführung von Eigentümerversammlungen auf den Weg gebracht werden kann.

In der üblicherweise jährlich stattfindenden Eigentümerversammlung treffen die Eigentümer von rund 10 Mio Eigentumswohnungen in Deutschland die für ihre WEG-Verwaltung zentralen und wichtigen Entscheidungen. Finden keine Eigentümerversammlungen statt oder können keine Versammlungen stattfinden, dann fehlt dem Verwaltungsunternehmen Vorgaben, Freigaben und „Grünes Licht“ für viele Aufgaben. Bestimmte Verwaltungsaufgaben können nicht durchgeführt werden, es kommt zum Stillstand oder zum eigenmächtigen Handeln der Verwaltungen und es fehlt an Kontrollen durch den Beirat.

Wohnen im Eigentum (WiE) wollte wissen, wie WEGs und Verwaltungen mit den Lockdowns umgegangen sind und welche Folgen eingetreten bzw. gesehen werden. Die hohe Beteiligung von Wohnungseigentümern, besonders vielen Beiratsmitgliedern, und die breite Streuung der Teilnehmer auf das gesamte Bundesgebiet und auf alle WEG-Größen geben den Ergebnissen eine hohe Aussagekraft und Relevanz. Das Ergebnis:

Durchführungsstau bei Eigentümerversammlungen: In 42% der WEGs gibt es seit rund zwei Jahren (also seit 2019) keine Eigentümerversammlung mehr, in 60% der WEGs gibt es in 2021 bisher keine Eigentümerversammlung. Es scheint unwahrscheinlich, dass dieser Stau bis Ende des Jahres abgearbeitet werden kann.

Wichtiger Tipp an die Beiräte: Sie sollten per eMail, Messenger Dienste oder SMS mehr als 25 Prozent aller Wohnungseigentümer*innen hinter sich sammeln, die alle gemeinsam die Durchführung der Eigentümerversammlung verlangen, wenn die Verwaltung nicht aktiv ist.

Negative Folgen im Einzelnen: Aus Sicht von 67 % der Befragten hat die verspätete Durchführung bzw. Nichtdurchführung von Eigentümerversammlungen negative Folgen. Aufgezählt werden mit unterschiedlicher Gewichtung: Fehlende Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen; höhere Kosten für die WEG-Verwaltung; Verschlechterung der Kommunikation zwischen der Verwaltung und den Wohnungseigentümern, unter den Wohnungseigentümern, zwischen Beirat und Wohnungs-eigentümern; verzögerte oder ausstehende Beschlussfassungen, damit die Verwaltung handeln kann; erhöhte Kosten für Erhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen; Probleme bei der Abberufung der Verwaltung oder der Bestellung des Verwaltungsbeirats.

Negative Folgen für die WEG und alle Beteiligten:

Wenn Eigentümerversammlungen mit größer Verspätung oder gar nicht stattfinden (können) und keine Alternativstrategien zur klassischen Eigentümerversammlung entwickelt werden, dann leiden darunter

  • die Verwaltungsarbeiten. Sie werden nur verzögert durchgeführt, unterbleiben oder werden eigenmächtig vom Verwalter entschieden und durchgeführt.
  • Die Verwaltungsbeiräte. Sie wissen häufig nicht, wie sie ihre Kontrollaufgaben durchführen sollen. Ein besonderes Problem für Beiräte: Manche WEGs haben keinen Beirat mehr oder konnten keinen neuen Verwaltungsbeirat bestellen, weil im Rahmen der „Pandemiegesetze“ der Bundesregierung, also dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ von 2020 nur die Bestellung der Verwaltungen gesetzlich fortgeschrieben wurde, aber nicht die Bestellung der die Verwaltungen kontrollierenden Beiräte.
  • Die Wohnungseigentümer: Sie müssen mit höheren Verwaltungskosten rechnen, mit zunehmenden Schäden, wenn Notmaßnahmen oder Erhaltungsmaßnahmen unterbleiben und höheren Schadensbeseitigungs- und Sanierungskosten anfallen. Außerdem werden sie über den „Zustand“ ihrer WEG nicht mehr angemessen informiert (sein).

Diese Erkenntnisse sind der Online-Befragung und den fast 600 Freitextantworten zu entnehmen und spiegeln den gesellschaftlichen Trend während der Corona-Pandemie auch unter den Wohnungseigentümern und in den WEGs wieder: den „Rückzug ins Private“.

Eine Gegenbewegung seitens der Wohnungseigentümer dazu ist nicht zu erkennen. Trotz fehlender Zusammenkünfte gab es keinen breiten Digitalisierungsschub in den WEGs. Der Einsatz und die Nutzung von Sozialen Medien, SMS, Messenger Diensten etc. bleibt in den WEGs unter 10%.

Die gesetzlich neu eingeführte Möglichkeit der Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen wurde von einer Mehrheit von 55% der Befragten befürwortet, auch wenn die Mehrheit der Befragten wiederum diese Teilnahmemöglichkeit selbst nur im Notfall nutzen würde. Sollten sich die WEGs dafür entscheiden - in jeder WEG muss zur Umsetzung dazu erst ein Mehrheitsbeschluss gefasst werden - dann wären zumindest die Türen geöffnet für eine größere Beteiligung von Wohnungseigentümern an den Eigentümerversammlungen. Zukünftige Pandemie-Lockdowns würden die WEGs nicht oder weniger treffen. Die Beschlussanträge dazu müssen allerdings angesichts des komplexen Themas sorgfältig formuliert werden. 

Wohnungseigentümer, Beiräte und insbesondere die Verwaltungen sollten die kommenden Wochen unbedingt nutzen, bevor möglicherweise im Herbst die nächsten Einschränkungen kommen. Ausstehende Beschlüsse zu Jahresabrechnungen und Wirtschaftsplänen, aber auch zu allen anderen Belangen der WEG, zu Erhaltungsmaßnahmen und Sanierungen und nicht zuletzt zur Neubestellung von Verwaltungsbeiräten oder zur Abberufung der Verwaltung sowie neu zur Online-Teilnahme müssen zeitnah gefasst werden, um die Folgen und möglichen Schäden nicht noch weiter zu erhöhen.

Wohnen im Eigentum bietet in seiner Studie auch Tipps, konkrete Orientierungshilfen oder Verweise zu einzelnen Fragen und Problemen. Hier der direkte Zugang zu den Umfrageergebnissen „Eigentümerversammlungen in Corona-Zeiten – Probleme und Herausforderungen“.