01.07.2022. Begrünte Dächer bieten einen natürlichen Hitzeschutz. Welche weiteren Vorteile Dachbegrünungen mit sich bringen, erläutert Felix Mollenhauer vom Bundesverband Gebäudegrün (BuGG) im Interview mit Wohnen im Eigentum. Lesen Sie auch wichtige Hinweise für die Planung.

WiE: Warum ist es sinnvoll, Dächer zu begrünen?

Felix Mollenhauer: „Für eine Dachbegrünung sprechen viele Gründe. Zunächst wirkt die Begrünung – neben dem Dach – als zweite Haut und ermöglicht somit einen natürlichen Hitzeschutz, indem sie im Sommer eine kühlende Wirkung auf das Gebäude und auch auf die Umgebung hat. Im Winter hingegen hält das Gründach zusätzlich Kälte von außen ab – die Dämmung wird erhöht. Zudem schützt die Begrünung die Dachabdichtung vor Extremwitterungen und verlängert so deren Lebensdauer. In der Regel muss die Dachabdichtung alle 20 bis 25 Jahre erneuert werden. Mit einer Dachbegrünung kann sie deutlich länger halten. Es können damit also Sanierungskosten eingespart werden.

Ein weiterer positiver Effekt mit Blick auf den Klimawandel: durch Verdunstung wird die Umgebung gekühlt, was dem urbanen Hitzeinseleffekt entgegengewirkt. Das wird u.a. durch den hohen Regenwasserrückhalt der begrünten Dächer ermöglicht. Schon mit sehr einfachen extensiven Dachbegrünungen können pro Quadratmeter etwa 20 bis 30 Liter Niederschlag zurückgehalten, verzögert abgeleitet bzw. verdunstet werden – es kann aber auch durchaus mehr sein. Wie hoch die Menge im Einzelfall ist, hängt von der Dimensionierung des jeweiligen Begrünungsaufbaus ab.

Indem sie co2 und Feinstäube speichern, tragen die Pflanzen auf dem Dach außerdem zur Verbesserung der Umgebung bei. Und gleichzeitig bietet die Begrünung auch noch einen Rückzugs- und Lebensraum für viele Vögel und Insekten. Aber auch für den Menschen kann ein begrünter und strukturreicher Aufenthalts- und Ruheort auf dem Dach geschaffen werden.“

 

WiE: Eignen sich denn nur Flachdächer zur Begrünung?

Felix Mollenhauer: „Nein, keinesfalls. Es lassen sich durchaus auch Dächer mit einer Neigung – bis etwa 45 Grad – begrünen. Für diese kommt die sogenannte Extensivbegrünung infrage. Diese hat einen niedrigen Begrünungsaufbau, ist relativ pflegeleicht und besteht in der Regel aus Sedumarten (zu deutsch Fetthenne oder Mauerpfeffer), Kräutern, Gräsern und Moosen. Sie kommt relativ häufig zum Einsatz. Die intensive Begrünung hingegen ist i.d.R. nur für Flachdächer geeignet. Sie kann z.B. aus mehrjährigen Stauden, Sträuchern, Bäumen und Rasenfläche bestehen, wird in der Regel als (begehbarer) Dachgarten errichtet und erfordert deutlich mehr Pflege als die Extensivbegrünung.

Nicht immer ist eine umfangreiche, nachträgliche Begrünung von Dächern möglich. Wer trotzdem aktiv werden möchte, findet auch Lösungen für Garagen- oder Carportbegrünungen. Diese können Haus- oder Wohnungseigentümer bei kleinen Flächen in der Regel selbst aufbringen, ohne zwingend einen Fachbetrieb beauftragen zu müssen.“

 

Extensive Dachbegrünungen im Prinz-Eugen-Park, München
© Bundesverband Gebäudegrün

WiE: Was muss bei dem Projekt Dachbegrünung alles bedacht werden und wer plant das?

Felix Mollenhauer: „Bei einer Dachbegrünung handelt es sich um ein komplexes Projekt. In der Regel sind Betriebe des Garten- und Landschaftsbaus die richtigen Ansprechpartner. Sie arbeiten häufig mit Dachdecker-Betrieben Hand in Hand, die sich um die Abdichtung des Daches und die Wärmedämmung kümmern. Es ist auf jeden Fall sinnvoll, sich vor der Beauftragung eine Referenzliste des ausführenden Fachbetriebs zeigen zu lassen. Die Planung der Begrünung sollte im Idealfall von der Hochbauarchitektur in Zusammenarbeit mit der Landschaftsarchitektur erfolgen.

Grundvoraussetzung für eine Dachbegrünung ist eine wurzelfeste Dachabdichtung. Diese muss – falls noch nicht vorhanden – vom Dachdecker verlegt werden. Wenn hingegen bereits eine wurzelfeste Abdichtung vorhanden ist, sollte diese noch einige Jahre halten, damit sich die Begrünung auch lohnt. Wer über eine Dachbegrünung nachdenkt und ohnehin eine Sanierung des Daches ansteht, sollte diesen Zeitpunkt nutzen.

Die Statik ist ein weiterer wichtiger Punkt. Bei Bestandsgebäuden müssen zunächst die Lastreserven geprüft werden, da die Dachbegrünung ein nicht zu unterschätzendes Gewicht mit sich bringt – häufig etwa 80 bis 120 Kilogramm pro Quadratmeter (bei Extensivbegrünungen). Die genauen Werte zum Gewicht der geplanten Begrünung lassen sich in der Regel bei der herstellenden Firma des Dachbegrünungssystems erfragen. Reicht die Statik für die geplante Begrünung nicht aus, muss sie zunächst angepasst werden. Dies kann je nach Gebäudeart aufwändig und ggf. auch kostenintensiv werden. Bei den meisten Neubauten hingegen kann die Statik so dimensioniert werden, dass Dachbegrünungen auch ohne aufwändige Mehrkosten möglich werden. Ältere Plattenbauten haben oft keine hohen Lastreserven übrig. Dann kann jedoch darüber nachgedacht werden, auf sogenannte Leichtbauweisen zurückzugreifen. Diese ermöglichen zwar kein hohes Artenreichtum der Pflanzen, gehen aber schon bei 30 bis 40 Kilogramm los und eignen sich daher vor allem zur nachträglichen Begrünung.

Was bei der Installation eines Gründaches darüber hinaus noch zu berücksichtigen ist, zum Beispiel die Entwässerung, Absturzsicherung oder Verwehsicherheit, können Sie gerne in unserer Planungs-Checkliste nachlesen.“

WiE: Und welche Rolle spielt die Bepflanzung und deren Pflege?

Felix Mollenhauer: „Zur Frage, wie konkret die Bepflanzung aussehen soll, lässt man sich am besten von dem ausführenden Fachbetrieb des Garten- und Landschaftsbaus (s.o.) beraten. Grundsätzlich sollte die Bepflanzung so ausgewählt werden, dass sie mit dem jeweiligen Gründachaufbau vereinbar ist und das Dach möglichst das ganze Jahr über ein ansprechendes Erscheinungsbild hergibt. Um mit den immer häufiger auftretenden Hitzeperioden umgehen zu können, empfehlen sich für extensive Dachbegrünungen Pflanzen, die gegen Trockenheit resistent und pflegeleicht sind. Mittlerweile gibt es eine Fülle an Saatgut- und Pflanzenlisten für verschiedene Einsatzzwecke der Dachbegrünung.

In der Regel sollte die Instandhaltung (Pflege und Wartung) durch einen Fachbetrieb des Garten- und Landschaftsbaus ein- bis zweimal im Jahr erfolgen (bei Intensivbegrünungen allerdings ist der Pflegeaufwand deutlich höher!). Insbesondere Wohnungseigentümergemeinschaften sollten daher bedenken, dass sie dem Pflegepersonal einen guten, möglichst einfachen Zugang zum Dach ermöglichen.“

WiE: Muss ein grünes Dach denn auch gegossen werden?

Felix Mollenhauer: „Nein, das regelmäßige Gießen, das in einem „normalen“ Garten anfällt, ist für Extensivbegrünungen nicht nötig. Diese Gründächer sind so ausgelegt, dass sie auch längere Zeit ohne natürlichen Wassereintrag zurechtkommen. Sind die Hitzeperioden im Sommer jedoch von Dauer, sollte ab und zu eine Bewässerung, beispielsweise per Beregnung, stattfinden. Für intensive Dachbegrünungen (begehbare Dachgärten) empfiehlt sich wiederrum eine dauerhafte Sicherstellung der Bewässerung über eine künstliche Bewässerungsanlage, z.B. mit Tropfschläuchen.“

 

Solargründach
© Bundesverband Gebäudegrün

Weitere Informationen:

  • Planungshinweise (Checkliste) finden Sie beim Bundesverband Gebäudegrün.
  • Die Kosten für eine Dachbegrünung hängen unter anderem davon ab, welche Art der Begrünung gewählt wird und wie stark die Dachneigung ist. Extensive Dachbegrünungen kosten je nach Aufbau und Größe etwa 30 bis 50 Euro pro Quadratmeter. Informieren Sie sich über mögliche Förderprogramme Ihrer Kommune und/oder Ihres Bundeslandes.
  • Spezielle Biodiversitäts-Gründächer mit einer hohen Struktur und Pflanzenvielfalt bieten Tieren Nist- und Lebensräume. Nähere Informationen
  • Solargründächer kombinieren eine Photovoltaik-Anlage mit einem Gründach auf der gleichen Fläche. Die Begrünung hat dabei eine kühlende Wirkung auf die sich im Sommer stark aufheizenden Solarmodule. So können die Solarmodule etwas mehr Leistung (ca. ein bis zwei Prozent) erbringen. Lesen Sie hierzu gerne die BuGG-Fachinformation oder den BuGG-Fokus „Solar-Gründach“. Hier klicken.