10.11.2022. Reparaturen und Instandhaltungen fallen bei jedem Gebäude an. Warum Wohnungseigentümergemeinschaften eine angemessene Erhaltungsrücklage ansparen sollten, um solche Maßnahmen zu finanzieren, erläutert WiE-Rechtsreferent Michael Nack im Interview.

Die Erhaltungsrücklage (früher: Instandhaltungsrücklage) dient dem Ansparen von Geldern für Erhaltungsmaßnahmen, sei es für einzelne Reparaturen oder eine in den nächsten Jahren notwendige energetische Sanierung.

Der Beitrag zur Erhaltungsrücklage (= Zuführung zur Erhaltungsrücklage) ist Teil des Hausgeldes, das alle Wohnungseigentümer*innen bezahlen müssen, in der Regel geschieht dies monatlich. Die Höhe des Hausgeldes wird im Wirtschaftsplan festgelegt.

WiE: „Warum ist es für WEGs wichtig, eine Erhaltungsrücklage zu bilden?“

Michael Nack: „Bei jedem Gebäude stehen irgendwann Erhaltungsmaßnahmen an – sowohl routinemäßige als auch solche, die kurzfristig und unvorhersehbar sind – und die können teilweise sehr kostenintensiv sein. Denken Sie beispielsweise an die Heizungsanlage, die unerwartet ausfällt und erneuert werden muss, oder an die Sanierung maroder Balkone. Da fallen gerade in größeren WEGs schnell hohe Summen an. Das Ansparen einer Rücklage über die Zeit hinweg gewährleistet, dass Geld vorhanden ist, wenn man es braucht. Das ist der einfachste und bequemste Weg für WEGs, insbesondere größere Maßnahmen zu finanzieren. Die Alternativen – zum Beispiel eine Sonderumlage zu erheben oder einen Kredit aufzunehmen – sind für WEGs in der Regel komplizierter und aufwändiger (siehe hierzu auch weiter unten). Ganz wichtig: Langfristig gesehen, vermeiden WEGs mit dem Ansparen einer Rücklage einen Sanierungsstau. Hilfreich ist in dem Zusammenhang eine langfristige Erhaltungs- und Finanzierungsplanung, diese sollte jede WEG haben. WiE fordert bereits seit langem, dass für WEGs verpflichtend eine Erhaltungs- und Finanzierungsplanung im Wohnungseigentumsgesetz vorgeschrieben wird."

WiE: „Und was sollten Eigentümer*innen tun, wenn kein Erhaltungsplan aufgestellt wird?“

Michael Nack: „Wenn die Verwaltung nicht aktiv wird, sollten Eigentümer*innen und/oder der Beirat diesen Punkt auf die Tagesordnung der Eigentümerversammlung setzen lassen und darüber beschließen. Mit der Unterstützung eines Experten lässt sich dann ein Erhaltungsplan aufstellen, aus dem sich eine angemessene Höhe der Erhaltungsrücklage und die notwendige Zuführung zur Rücklage ermitteln lässt – alternativ gibt es aber auch andere mögliche Berechnungsmethoden (siehe hierzu Interview mit WiE-Mitglied Ronny dos Santos).“

WiE: „Was sagen Sie dazu, wenn WEGs die Höhe der Zuführung zur Erhaltungsrücklage reduzieren, wie in einem Erfahrungsbericht geschildert?“

Michael Nack: „Es besteht dann natürlich das Risiko, dass es – wenn die Reduzierung einmal beschlossen wurde – dauerhaft dabei bleibt. Und das kann für eine WEG langfristig negative Auswirkungen haben. Es kommt allerdings darauf an, wie eine WEG zu dem Zeitpunkt finanziell dasteht. Wurde beispielsweise in den vergangenen 30 Jahren eine gute Erhaltungsrücklage aufgebaut – ist also genug Geld im Topf – und sind auch kontinuierlich Erhaltungsmaßnahmen am Gebäude vorgenommen worden, sodass kein Sanierungsstau besteht, dann kann die Zuführung zur Erhaltungsrücklage eher reduziert werden. In Eigentümergemeinschaft, deren Gebäude jahrelang oder gar jahrzehntelang vernachlässigt wurde und wo die bisher angesparte Erhaltungsrücklage nur gering ausfällt, sollte sie eher erhöht werden.“

WiE: „Welche Möglichkeiten haben WEGs denn noch, Sanierungsmaßnahmen zu finanzieren?“

Michael Nack: „Grundsätzlich haben WEGs einen weiten Ermessensspielraum, wie sie eine Maßnahme finanzieren. Eine Möglichkeit besteht darin, einen Teil der Summe über die angesparte Erhaltungsrücklage und den anderen Teil über eine Sonderumlage zu finanzieren. Oder die WEG kann beschließen, eine Sanierung ausschließlich über eine Sonderumlage zu finanzieren. Es kann für WEGs sinnvoll sein, eine große, kostenintensive Sanierungsmaßnahme mithilfe der Erhaltungsrücklage zu stemmen und für eine kleinere, kurzfristig anstehende Maßnahme stattdessen eine „kleine“ Sonderumlage zu beschließen. Grundsätzlich ist es allerdings sinnvoll, den Weg der Sonderumlage zu vermeiden oder deren Höhe möglichst gering zu halten und eher eine ‚angemessene‘ Erhaltungsrücklage langfristig anzusparen. Nach dem Motto ‚besser langfristig regelmäßig kleinere Beträge ansparen als auf einmal eine große Summe aufbringen zu müssen‘.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass die WEG als Verband einen Kredit aufnimmt. Das ist allerdings im Vorfeld mit einem hohen Aufwand verbunden und wird deshalb wohl nur selten gewählt. Statt der WEG können auch nur einzelne Wohnungseigentümer*innen einen Kredit aufnehmen, um ihren Zahlungspflichten gegenüber der WEG nachzukommen. Näheres hierzu können Sie in unserem „Modernisierungsknigge“ ab Seite 162 nachlesen (Hinweis: Die Publikation gibt zwar die Rechtslage laut Wohnungseigentumsgesetz von 2007 wieder, die Informationen zur Aufnahme von Krediten sind aber noch aktuell.)

Alternativ kann es bei bestimmten Maßnahmen, zum Beispiel wenn eine neue Heizungsanlage erforderlich wird, oder eine Photovoltaikanlage betrieben werden soll, sinnvoll sein, mit einem Dienstleistungsunternehmen (Stichwort Contracting) zusammenzuarbeiten: das Mieten bzw. Leasen statt Kaufen kann durchaus interessant sein, da keine Investitionssumme aufgebracht werden muss. Allerdings sollten WEGs mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit ganz genau Kosten und Nutzen abwägen bzw. prüfen.“

Hinweise von WiE:

  • Das Bilden einer ‚angemessenen‘ Erhaltungsrücklage gehört laut Wohnungseigentumsgesetz zur ordnungsgemäßen Verwaltung. Was unter ‚angemessen‘ zu verstehen ist, ist aber im Gesetz nicht definiert, jede WEG hat hierbei einen Ermessungsspielraum. Näheres hierzu lesen Sie im Interview mit WiE-Mitglied und Beirat Ronny dos Santos.
  • Mit der Erhaltungsrücklage dürfen nicht nur Erhaltungsmaßnahmen (Reparaturen und Instandhaltungen) finanziert werden, sondern auch bauliche Veränderungen, sofern deren Kosten auf alle Eigentümer*innen verteilt werden können. Das ist der Fall, wenn die Maßnahme entweder mit doppelt qualifizierter Mehrheit beschlossen wird oder sich eine Amortisierung der Kosten darstellen lässt.
  • In den Niederlanden unterhält jede WEG (= VvE) einen Reservefonds zur Deckung weiterer Kosten, die über die normalen jährlichen (Betriebs-)Kosten hinausgehen. Danach muss jede VvE über ausreichende Mittel für die Instandhaltung und Sanierung des Gemeinschaftseigentums verfügen. Im Januar 2018 ist per Gesetz eine Rücklagenbildung in Höhe von mindestens 0,5 Prozent des „Wiederherstellungswertes“ der Wohnanlage verpflichtend eingeführt worden. Das politische Ziel war die Sicherung der Werterhaltung von WEGs und die Beförderung energetischer Gebäudesanierungen. Alternativ kann die zu bildende Reserve auf der Grundlage eines Langzeitwartungsplans von mindestens zehn Jahren ermittelt werden, die alle fünf Jahre aktualisiert werden muss. Nur wenn 80 Prozent der Eigentümer zustimmen, kann auf die Einzahlung in den Reservefonds verzichtet werden. Im Bedarfsfall werden dann Sonderzahlungen fällig.