13.06.2023. Ein aktueller Beschluss des Landgerichts Frankfurt (2-13 S 15/23) gibt Aufschluss darüber, wie und in welchem Umfang Sie als Wohnungseigentümer*in Ihr Recht auf Einsichtnahme geltend machen können. Sie dürfen Originale im Büro der Verwaltung einsehen und dürfen diese kopieren oder abfotografieren – das Zusenden von Kopien durch die Verwaltung reicht nicht aus. Falls es keine Papierunterlagen (mehr) gibt, muss Ihnen die Verwaltung zumindest Einsicht in die digitalisierten Unterlagen geben – und zwar auch im Büro der Verwaltung, an einem Computer.
In dem vorliegenden Rechtsstreit geht es dem klagenden Wohnungseigentümer darum, Einsicht in Vollmachten zur Übertragung der Stimmrechte zu nehmen, die der Verwaltung vorliegen. Er wollte sich von einem Rechtsanwalt begleiten lassen und Kopien von den Original-Vollmachten anfertigen. Das Amtsgericht gab ihm Recht, die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft (vertreten durch den Verwalter) legte aber Berufung gegen das Urteil ein. Im Rahmen der Berufung behauptete die Beklagte (die Wohnungseigentümergemeinschaft), die Originale seien nicht mehr vorhanden, zum Teil hätte sie auch nur Kopien der Vollmachten übersandt bekommen. Diese Unterlagen habe der Kläger bereits in Kopie erhalten – sprich: Er habe doch bereits durch Übersendung das bekommen, was er wollte, nämlich die Kenntnis über die Verwaltungsunterlagen und ihren Inhalt.
Diese Argumentation lässt das Berufungsgericht aber nicht gelten. Die folgenden Argumente des Landgerichts Frankfurt sollten Sie als Eigentümer*in kennen und vorbringen, falls Ihre Verwaltung Ihnen Schwierigkeiten bei dem Verlangen auf Einsichtnahme macht:
- „Die Übersendung von Kopien genügt nicht, denn der Eigentümer hat einen Anspruch auf Einsichtnahme in die Originalbelege.“ Das bedeutet: Sie müssen sich mit dem Angebot auf Übersendung von Kopien nicht zufriedengeben. Das gesetzliche Einsichtsrecht (§ 18 Abs. 4 WEG) meint die Einsicht „vor Ort“, also dort, wo sich die Originale befinden (üblicherweise das Büro der Verwaltung).
- „Nur wenn Papierunterlagen nicht (mehr) vorhanden sind, beschränkt sich das Einsichtnahmerecht auf die digitalen Daten“. […] „Die Einsichtnahme in die digitalen Daten kann auch dann im Regelfall im Büro des Verwalters ausgeübt werden.“ Als Eigentümer*in müssen Sie sich also nicht damit abspeisen lassen, dass Originale nicht mehr vorhanden seien. Sie haben dann ein Recht, zumindest digitalisierte Unterlagen einsehen zu dürfen – und zwar auch das vor Ort, d.h. an einem Computer im Büro der Verwaltung .
- „Im Übrigen lässt sich die Vollständigkeit der Unterlagen durch eine Einsichtnahme in die beim Verwalter vorhandenen Unterlagen deutlich besser prüfen, als durch die Übersendung von Kopien.“ Wenn Sie sicher sein wollen, dass Unterlagen vollständig sind, ist das also auch ein Grund, auf der Einsichtnahme vor Ort bestehen zu wollen und zu dürfen.
- „Ein Eigentümer kann auch wiederholt Einsicht nehmen, solange das Einsichtsbegehren nicht treuwidrig ist.“ Treuwidrigkeit läge nur dann vor, wenn Sie das Einsichtsbegehren zum reinen Selbstzweck machen oder nur dazu verwenden, um die Verwaltung zu schikanieren. Eine wiederholte Einsichtnahme kann Ihnen also nur in solchen Extremfällen verweigert werden.
Im konkreten Fall weist das Gericht ausdrücklich darauf hin, ein Erkenntnisgewinn könne sich zum Beispiel auch aus der Art des Papiers oder der Art der Kopie ergeben. Denn auch daraus könnten Rückschlüsse gewonnen werden, ob die Kopien von der Verwaltung angefertigt wurden oder ob der Verwaltung von vornherein nur Kopien übersandt wurden.
Weitere Hinweise und Tipps von Wohnen im Eigentum:
- Einen Anspruch auf Überlassung von Kopien haben Sie als Eigentümer*in grundsätzlich nicht. Das muss mit der Verwaltung vereinbart werden und die Verwaltung darf dafür ein Kopierentgelt verlangen. WiE empfiehlt WEGs, bereits in den Verwaltervertrag eine Regelung aufzunehmen, wonach sich die Verwaltung verpflichtet, auf Anfrage der Eigentümer*innen Kopien zu fertigen und die zu zahlenden Kopierkosten vorher festzulegen. Zulässig ist aber auch, selbst auf eigene Kosten Kopien vor Ort zu fertigen, also z.B. mit dem Handy zu fotografieren.
- Möchten Sie bei Ihrer Verwaltung Unterlagen einsehen, sollten Sie ihr hierzu schriftlich drei mögliche Termine innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen anbieten. Fordern Sie die Verwaltung in Ihrem Schreiben auf, einen dieser Termine innerhalb einer Frist von einer Woche zu bestätigen. Nähere Informationen zum weiteren Vorgehen, wenn die Verwaltung nicht reagiert, lesen Mitglieder in unserem kostenlosen WiE-Infoblatt „Was tun, wenn die Verwaltung nichts tut?“ ab Seite 5 (bitte erst einloggen, dann hier klicken und herunterladen). Auch der WiE-Ratgeber „Das neue Wohnungseigentumsgesetz für Wohnungseigentümer*innen“ behandelt das Recht auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen (ab Seite 230 sowie Seite 117 f.)