13.08.2024. Das Modell der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung soll die Produktion und Nutzung von Solarstrom in Mehrfamilienhäusern vereinfachen und ankurbeln. Wie es funktioniert und was für WEGs bei der rechtlichen Ausgestaltung zu berücksichtigen ist, lesen Sie im Folgenden.

Mit dem „Solarpaket 1“ ist am 16. Mai 2024 unter anderem die die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung eingeführt worden. Diese soll die Lieferung von Solarstrom an die Bewohner*innen in Mehrfamilienhäusern vereinfachen.

Der Unterschied zum Mieterstrommodell: Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung ist mit weniger bürokratischem Aufwand für diejenigen Wohnungseigentümer*innen (einzelne Eigentümer*innen, eine Gruppe Eigentümer*innen oder die WEG) verbunden, die eine PV-Anlage auf dem WEG-Dach errichten und betreiben.

Keine Vollversorgungspflicht mehr

Weniger bürokratischer Aufwand wird unter anderem dadurch erreicht, dass der Anlagenbetreiber keine Pflicht zur Vollversorgung mehr hat, das heißt er muss nicht mehr – wie beim Mieterstrommodell – sicherstellen, dass zusätzlich Strom aus dem Netz dazu gekauft wird, wenn die eigene PV-Anlage nicht genügend Strom liefert, sondern jede Wohnungseigentümer*in hat weiterhin ihren Stromliefervertrag mit einem Anbieter ihrer Wahl.

Verteilung des Stroms

Die Idee bei der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung: Der erzeugte Solarstrom wird unter den teilnehmenden Bewohner*innen des Gebäudes anteilig verteilt – entweder nach einem statischen oder einem dynamischen Verteilungsschlüssel.

Strommessung im Viertelstunden-Takt Voraussetzung

Eine der technischen Voraussetzungen ist, dass der erzeugte Strom viertelstündlich gemessen wird. Dafür sind digitale Zähler erforderlich, die an ein intelligentes Messsystem (Smart-Meter-Gateway) angeschlossen werden. Das Messsystem gleicht dann Erzeugung und Verbrauch viertelstündlich miteinander ab. Für die Abrechnung wird eine Software eingesetzt.

Statischer oder dynamischer Verteilungsschlüssel

Bei der statischen Aufteilung bekommt jede Wohnungseigentümer*in einen festgelegten Anteil des Solarstroms, der innerhalb des 15-Minuten-Intervalls produziert wird, in einem starren Verhältnis, unabhängig vom Verbrauch (zum Beispiel bei zwei Teilnehmenden je 50 Prozent). Wenn eine der Bewohner*innen in dem jeweiligen Intervall den ihr zugeordneten Strom nicht vollständig verbraucht, wird dieser als Überschuss ins Netz eingespeist. Bei der dynamischen Aufteilung hingegen wird der Strom nach dem Verbrauch aufgeteilt (siehe hierzu auch Infos des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, Frage 3.4).

Entscheidungsfreiheit

Jede Wohnungseigentümer*in und Mieter*in kann entscheiden, ob sie den Strom aus der PV-Anlage überhaupt beziehen möchte oder nicht– das ist auch beim Mieterstrommodell so. Das bedeutet: Vermietende Wohnungseigentümer*innen können ihre Mieter*innen nicht dazu verpflichten, den erzeugten Solarstrom abzunehmen. In der Regel wird der Solarstrom vom Dach allerdings günstiger sein als der Netzstrom, da auf ihn keine Netzentgelte, keine Stromsteuer und keine Umlagen anfallen.

Zwei Varianten für WEGs: Beschluss oder Vertrag

Wohnungseigentümergemeinschaften können entscheiden, wie sie die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung rechtlich regeln: entweder durch einen Beschluss oder durch einen Vertrag (Gebäudestromnutzungsvertrag zwischen dem Anlagenbetreiber und den teilnehmenden Wohnungseigentümer*innen). Wichtig ist, dass darin insbesondere die Aufteilung des erzeugten Solarstroms (siehe oben) sowie der Preis des Solarstroms festgelegt wird. Allerdings ist derzeit nicht geklärt, wie sich bei der Vertragsvariante später hinzukommende Wohnungseigentümer*innen („Nachzügler“) am Stromprojekt beteiligen können, hierfür enthält das Gesetz keine Regelung, was WiE mehrfach kritisiert hat. Das müsste in dem Gebäudestromnutzungsvertrag explizit geregelt werden. Mehr zur Kritik von WiE lesen Sie in unserer Pressemitteilung.

Ist das Stromprojekt der WEG hingegen per Beschluss geregelt, haben „Nachzügler“ diesen Anspruch automatisch, da das Wohnungseigentumsgesetz einen Teilhabeanspruch für diejenigen Wohnungseigentümer*innen vorsieht, die später in das Projekt einsteigen wollen.

Weitere Betriebskonzepte

WEGs haben allerdings auch andere Möglichkeiten, selbst erzeugten Solarstrom zu nutzen, etwa indem sie den Allgemeinstrom, zum Beispiel Beleuchtung im Treppenhaus, Aufzug, Heizungspumpe, damit decken und den restlichen Strom ins Netz einspeisen oder den kompletten Strom ins Netz einspeisen (Volleinspeisung).

Weitere Informationen:

Eine detaillierte Übersicht der verschiedenen Betriebskonzepte für Solarstrom in Wohnungseigentümergemeinschaften bietet die Energieagentur Freiburg, speziell zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung hier.

Fragen und Antworten zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung sowie zum Solarpaket 1 findet man beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.