Wohnen im Eigentum rät von dem Geschäftsmodell ab / Fehlender Verbraucherschutz / Gesetzgeber muss Regelungslücke schließen und Verbraucher schützen

15.01.2025. Banken und andere Anbieter richten sich gezielt an ältere Haus- und Wohnungseigentümer:innen mit Angeboten zum Immobilien-Teilverkauf. Dabei verkaufen Eigentümer:innen bis maximal 50 Prozent der eigenen Immobilie an Anbieter und erhalten dafür eine einmalige Auszahlung. Die Immobilie dürfen sie gegen Zahlung eines monatlichen Nutzungsentgelts weiterhin nutzen. Doch für die Immobilieneigentümer:innen ist dieses Geschäftsmodell mit erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken verbunden und in aller Regel deutlich nachteiliger als ein entsprechender Kredit. Dies zeigt sich häufig erst bei einem späterem Gesamtverkauf der Immobilie. Darauf macht der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum (WiE) aufmerksam und fordert den Gesetzgeber auf, dieses Geschäftsmodell zum Schutz der Verbraucher:innen zu regulieren.

In letzter Zeit werben Banken und andere Anbieter verstärkt für den Immobilien-Teilverkauf. Das Modell, bei dem die Anbieter bis zu 50 Prozent einer abbezahlten, lastenfreien Immobilie kaufen, richtet sich insbesondere an ältere Haus- oder Wohnungseigentümer:innen, die aufgrund ihres Alters häufig nur schwer einen Kredit bekommen.

Die Vorzüge erscheinen auf den ersten Blick verlockend: Die Eigentümer:innen erhalten rasch und unkompliziert finanzielle Liquidität, etwa um Sanierungen an der Immobilie durchzuführen. Gleichzeitig können sie die Immobilie weiterhin nutzen, indem ein Nießbrauchrecht über den veräußerten Anteil vereinbart wird, für das ein monatliches Nutzungsentgelt an den Anbieter zu zahlen ist.

Der Teilverkauf ist in der Regel der erste Schritt auf dem Weg zum späteren Gesamtverkauf der Immobilie an einen Dritten. Verträge können zwar ein Rückkaufsrecht für den Teilverkäufer beinhalten. Ein Rückkauf ist aber in der Regel so teuer, dass er in der Praxis nur selten realisiert werden dürfte.

Für den Immobilien-Teilverkauf gibt es bisher keinerlei gesetzliche Regelungen, was Anbietern bei der Vertragsgestaltung freie Hand lässt. „Die Verträge sind meist sehr komplex und enthalten eine Reihe erheblicher Risiken und Nachteile für Haus- bzw. Wohnungseigentümer*innen“, kritisiert Dr. Sandra von Möller, Vorständin des Verbraucherschutzverbands Wohnen im Eigentum (WiE). Konkret sollten Verbraucher:innen insbesondere folgende Risiken und Nachteile kennen:

1. Das monatliche Nutzungsentgelt liegt häufig über dem Zinssatz für einen entsprechenden Kredit.

Das Nutzungsentgelt liegt in der Regel, auf das Jahr berechnet, zwischen 5 und 7 Prozent des Teilkaufpreises – und damit über dem Zinssatz, der üblicherweise bei einem entsprechenden Kredit anfallen würde.

2. Das Nutzungsentgelt kann nach Ablauf des Festsetzungszeitraums deutlich erhöht werden.

Die Höhe des Nutzungsentgelts wird häufig für 10 Jahre festgeschrieben. Danach kann der Anbieter das Nutzungsentgelt auf Basis des Immobilienwerts neu berechnen. Ist dieser zwischenzeitlich gestiegen - beispielsweise aufgrund von durchgeführten Sanierungsmaßnahmen -, erhöht sich das Nutzungsentgelt entsprechend.

„Das kann Eigentümer wirtschaftlich überfordern, da zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses meist nicht klar ist, wie stark die Erhöhung später ausfallen wird“, sagt Dr. Sandra von Möller. Damit verbunden sei das Risiko, die Immobilie zu verlieren: Wenn Teilverkäufer:innen das Nutzungsentgelt nicht mehr oder nur verzögert bezahlen können, droht im schlimmsten Fall die Zwangsversteigerung der Immobilie, sofern dies nicht vertraglich ausgeschlossen wurde.

3. Je nach Nutzungsdauer, kann das Nutzungsentgelt über der Summe aus Zins und Tilgung eines vergleichbaren Kredits liegen – trotzdem verbleibt der verkaufte Teil der Immobilie beim Anbieter.

Nutzt die Teilverkäufer:in die Immobilie länger als erwartet, kann die Nutzungsentschädigung über die Summe aus Zins und Tilgung für ein entsprechendes Darlehen hinausgehen. Trotzdem verbleibt der verkaufte Anteil im Eigentum des Anbieters.

4. Sämtliche Betriebs- und Erhaltungskosten der Immobilie sind meist ausschließlich von der Teilverkäufer:in zu bezahlen.

Ein weiterer Nachteil: In den Verträgen wird meist geregelt, dass die Teilverkäufer*in sämtliche Kosten und Lasten der Immobilie, also Betriebskosten sowie Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten, komplett alleine tragen muss, obwohl es nun einen Miteigentümer – den Anbieter – gibt. „Das kann sehr teuer werden, vor allem dann, wenn größere Maßnahmen wie eine Dachsanierung oder ein Heizungstausch anstehen“, warnt Dr. Sandra von Möller.

5. Der Anbieter sichert sich durch einen Mindesterlös oder eine Wertsicherungsklausel ab.

Für einen späteren Gesamtverkauf der Immobilie lassen sich die die Anbieter meist eine Wertsteigerung zusichern - sei es durch einen vertraglich vereinbarten Mindesterlös oder eine Wertsicherungsklausel.

„Tritt die Wertsteigerung nicht wie vereinbart ein oder kommt es gar zu einer Wertminderung, verringert sich der Anteil des Teilverkäufers am Verkaufserlös entsprechend“, sagt Dr. Sandra von Möller. „Damit trägt der Teilverkäufer das alleinige Risiko der Wertentwicklung der Immobilie.“

6. Die Vermarktungskosten bei einem Gesamtverkauf sind häufig intransparent.

Verträge können Vereinbarungen enthalten, wonach beim späteren Gesamtverkauf der Immobilie ein sogenanntes Durchführungsentgelt oder Pauschalen für Schönheitsreparaturen, Herrichtungskosten oder Präsentationskosten an den Anbieter bezahlt werden müssen. Diese schmälern zusätzlich den Anteil der Teilverkäufer:in am Verkaufserlös. Außerdem sind sie für Verbraucher:innen nicht überprüfbar

7. Bei einer Insolvenz des Anbieters kann die die Zwangsversteigerung der Immobilie drohen.

Bei einer Insolvenz des Anbieters sind Teilverkäufer:innen nicht abgesichert. In der Regel finanziert der Anbieter den Kaufpreis durch einen Kredit, der mit einer Grundschuld auf die Immobilie abgesichert wird. Im Falle der Insolvenz des Anbieters droht die Zwangsversteigerung der Immobilie, wodurch die Teileigentümer:in sowohl ihr Eigentum an der Immobilie, als auch ihr Nießbrauchsrecht verlieren würde.

WiE rät vom Immobilien-Teilverkauf ab

„Solange der Immobilien-Teilverkauf gesetzlich nicht reguliert ist, sehen wir diesen angesichts der Risiken und wirtschaftlichen Nachteile sehr kritisch und raten grundsätzlich davon ab“, warnt WiE-Vorständin Dr. Sandra von Möller. „Im Zweifel setzen Immobilieneigentümer damit ihr Eigenheim, das sie jahrzehntelang abbezahlt haben, aufs Spiel.“ Wer im Alter zusätzliche Liquidität benötige, sollte alternative Finanzierungsmöglichkeiten recherchieren und sich von unabhängigen Experten beraten lassen.

Forderungen von WiE

Wohnen im Eigentum fordert den Gesetzgeber auf, das Geschäftsmodell Immobilien-Teilverkauf zu regulieren, unter anderem durch eine Verankerung rechtlicher Grenzen im Bürgerlichen Gesetzbuch oder durch ein Sondergesetz – um sicherzustellen, dass die Vertragsgestaltung verbraucherorientiert umgesetzt wird und Teilverkäufer:innen als Verbraucher.innen nicht unangemessen benachteiligt werden. Unerlässlich ist auch eine Aufklärung der Verbraucher:innen durch öffentlichkeitwirksame Kampagnen und Beratungsangebote.

Eine ausführliche Darstellung und Erläuterung der Risiken und Nachteile des Immobilien-Teilverkaufs sowie Beispielrechnungen verschiedener Anbieter finden Mitglieder im kostenlosen WiE-Infoblatt „Immobilien-Teilverkauf: Geschäftsmodell mit Tücken!“ auf der Webseite von WiE.

Über WiE

Wohnen im Eigentum (WiE) ist ein bundesweiter Verbraucherschutzverband mit über 15.000 Mitgliedern und Sitz in Bonn. Der Verband tritt für die Interessen und Rechte von privaten Immobilieneigentümer*innen, insbesondere von Wohnungseigentümer*innen und Wohnungseigentümergemeinschaften ein. WiE fordert mehr Verbraucherschutz und Markttransparenz in der Bau- und Immobilienbranche. Seine Mitglieder unterstützt WiE mit kostenfreien Rechts-, Energie- und Bauberatungen sowie mit umfangreichen Informationsveranstaltungen, Ratgebern und Arbeitsmaterialien. WiE ist parteipolitisch neutral, unabhängig und Mitglied im Verbraucherzentrale Bundesverband. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Vereins unter www.wohnen-im-eigentum.de.