06.07.2021. Bei der Pflege von Grünflächen wird häufig viel falsch gemacht. Welche Fehler WEGs und Hauseigentümer*innen dabei vermeiden können, erläutert WiE-Mitglied Erich Kulling im Interview. Er ist Ingenieur für Gartenarchitektur und Landespflege. Lesen Sie auch, wie Sie Ihren Garten naturnah gestalten können.

Seit 30 Jahren ist Erich Kulling beim Grünflächenamt in Worms für die Grünflächenunterhaltung und Baumpflege verantwortlich.

WiE: „Viele Kommunen machen sich intensiv Gedanken über die Gestaltung ihrer Grünflächen. Warum ist es auch für Wohnungs- und Hauseigentümer*innen wichtig, sich mit diesem Thema zu beschäftigen?

Erich Kulling: „Grünflächen sind nicht nur wichtig mit Blick auf den Klimawandel und Natur- und Artenschutz, sondern schaffen ganz konkret Lebensqualität in unserem direkten Wohnumfeld und steigern den Wert einer Immobilie. Dazu müssen sie allerdings fachgerecht geplant und gepflegt werden. Leider ist das, was man in vielen Wohnanlagen zu sehen bekommt erschütternd. Hausmeisterdienste dominieren den Markt und die Fachkunde bleibt häufig auf der Strecke.“

WiE: „Was wird denn Ihrer Erfahrung nach am häufigsten falsch gemacht?“

Erich Kulling: „Seit längerem hat sich der von Fachleuten gefürchtete 'Hausmeisterschnitt' verbreitet – das habe ich in unserer Wohnanlage selbst erlebt. Gehölze, also Sträucher und Bäume, werden dabei ohne Rücksicht auf ihren natürlichen Wuchscharakter einem Einheitsschnitt mit der Heckenschere unterzogen. Kugel, Kasten, Wolke, Keule und andere merkwürdige Gebilde sind das Ergebnis. Derartig traktierte Sträucher sehen nicht nur unästhetisch aus, sie sind auch nachhaltig geschädigt. Und vor allem ist so etwas ganz schlecht für den Tierschutz, den Gehölze sind Lebensraum und Nahrungsquelle z.B. für Vögel, Igel und Insekten. Ich selbst kenne Ziersträucher, die nie blühen, weil sie immer falsch geschnitten werden. Dabei ist es eigentlich relativ einfach, solche Schäden zu vermeiden. Viele Sträucher müssen überhaupt nicht oder nur sehr selten geschnitten werden. Grundsätzlich gilt: Wenn ein Strauch in Ordnung ist, muss er nicht geschnitten werden.”

Unnötig, unästhetisch und schädlich: der "Hausmeisterschnitt"
©Erich Kulling

 

WiE: “Was heißt das für WEGs?”

Erich Kulling: „Häufig gehört der Gehölzschnitt zum Standard-Programm, der regelmäßig einmal im Jahr ‘durchgezogen’ wird. Das ist aber gar nicht immer nötig. Oder Rasen wird gemäht, wo es nichts zu mähen gibt. Ich empfehle daher WEGs, ein Pflegekonzept von einem Gartenarchitekten erstellen zu lassen – das ist eine einmalige Investition, die sich sehr schnell bezahlt macht. Die Pflegearbeiten selbst sollten unbedingt an einen Fachbetrieb vergeben werden (Meisterbetrieb des Garten- und Landschaftsbaus). Adressen gibt es bei den Garten- und Landschaftsbauverbänden der Bundesländer. Eine fachgerechte Pflege muss nicht teuer sein. WEGs zahlen für Pfusch so viel Geld, das ist unglaublich.

Was viele Wohnungseigentümer*innen nicht auf dem Schirm haben: Wenn eine Grünfläche nicht fachgerecht gepflegt wird, dann wird sie auf Dauer zwangsläufig zum Sanierungsfall und verliert wichtige Funktionen. Niemand hält sich in einer unattraktiven, vergammelten Anlage auf. Die Fachkunde sollte also auch in meiner Branche die Basis der Instandhaltung sein. Wenn eine WEG Elektroarbeiten durchzuführen hat, beauftragt sie ja auch einen Fachbetrieb.

Wer Garten-Arbeiten an einen Dienstleister vergibt, hat natürlich einen Anspruch auf eine fachgerechte Ausführung. So müssen zum Beispiel stets die Bestimmungen des Natur- und Artenschutzes (Bundesnaturschutzgesetz und Landesgesetze) beachtet werden, beispielsweise sind in der Zeit vom 1. März bis 1. Oktober Gehölzschnittmaßnahmen in größerem Umfang, sowie Rodungen und Fällungen nicht erlaubt). Außerdem gibt es DIN-Normen (insbesondere die DIN 18919) und Richtlinien der "Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau" für die Grünflächenunterhaltung – auf die Einhaltung dieser Qualitätskriterien sollten WEGs bei der Leistungsbeschreibung und Auftragsvergabe immer bestehen.“

 

WiE: “Kann man Gehölze nicht auch selbst schneiden?”

Erich Kulling: „Doch, natürlich ist das auch möglich. Wer sich dafür interessiert, kann die Basics in der Regel relativ schnell erlernen, beispielsweise bieten die Gartenakademien der Bundesländer Kurse hierzu an, die nicht teuer sind. Eine Grundregel: Weniger ist mehr; ein guter Schnitt ist unauffällig und berücksichtigt immer die natürliche Wuchsform der verschiedenen Gehölzarten. Der wichtigste Schnitt ist der sogenannte Erhaltungsschnitt. Dabei werden, in Abständen von mehreren Jahren alte Äste bodennah entfernt. Auf diese Weise wird ein Strauch kontinuierlich verjüngt und behält seine artspezifische, natürliche Form. In einer Wohnanlage sollte auch nie alles gleichzeitig geschnitten werden. Ein Vorgehen in Abschnitten ist sehr sinnvoll und schont das Budget.“

Fachgerecht geschnittene und gepflegte Bepflanzung
©Erich Kulling

WiE: „Was halten Sie von Schottergärten, die ja seit einigen Jahren sehr beliebt sind?“

Erich Kulling: „Mit der Grundidee von Gärten haben solche Steinwüsten natürlich nichts zu tun. Die Fachwelt ist sich da einig und betrachtet diese Entwicklung mit Sorge. Geschotterte Flächen sind beliebt, da man glaubt, sie seien pflegeleichter als „normale“ Gärten – aber dem ist nicht so. Auf Dauer kommt Unkraut durch – und das ist dann sehr schwierig zu entfernen, häufig nur mit der chemischen Keule. Auch das beliebte Unkrautvlies hilft da nicht. Ökologisch und gestalterisch sind solche Flächen eine Katastrophe, unter anderem da sich die Steine im Sommer sehr stark erhitzen. Und wer stellt schon seinen Liegestuhl in eine solche Fläche? Einige Kommunen und auch Bundesländer wie Baden-Württemberg haben sie daher inzwischen verboten, was ich für richtig halte. Mit echten Steingärten haben solche Steinwüsten übrigens nichts zu tun.“

WiE: „Welche Alternativen gibt es denn, die möglichst naturnah sind?“

Erich Kulling: „Da gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die auch helfen können, Geld zu sparen. Man kann einen Teil des Rasens in Wiese umwandeln. Das ist natürlich auch unter ökologischen Aspekten interessant. Wunderschön sind Flächen mit winterharten Blütenstauden und Gräsern. Der Bund Deutscher Staudengärtner bietet hierzu sehr interessante, pflegeleichte Standardmischungen an, die auch mit unseren trocken-heißen Sommern zurecht kommen. Bei den Gehölzen sollten immer auch heimische Arten verwendet werden, z.B. Weißdorn, Wolliger Schneeball und Pfaffenhütchen – tolle Sträucher und noch dazu sehr robust. Die Vielfalt der Pflanzen ist riesig, man muss sie nur kreativ nutzen. Fassaden- und Dachbegrünungen sind ebenfalls sehr spannende Themen.“

Rosenliebhaber Kulling
©Erich Kulling

 

WiE: „Verraten Sie uns abschließend noch, welche Ihre Lieblingspflanzen sind?“

Erich Kulling: „Mein Motto ist: Es gibt keine hässlichen Pflanzen, nur die die falsche Verwendung. Sehr gerne mag ich Pflanzen aus der Tradition unserer Bauerngärten, also zum Beispiel Salvien, Iris und Taglilien. Auch historische Rosensorten liebe ich. Diese sind in der Regel sehr robust und eignen sich deshalb auch für den Einsatz in WEG-Gärten. “

Weitere Hinweise:

  • Tipps zur Gartenpflege, Broschüren, Newsletter und Seminare gibt es unter anderem bei den Gartenakademien der Bundesländer, z.B. von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg
  • Videos zum richtigen Pflanzenschnitt finden Sie zum Beispiel bei „Gartenvideo“.
  • Informationen über Alternativen zu Schottergärten gibt es unter anderem beim NABU.
  • Informationen zu Staudenmischpflanzungen bietet u.a. der Bund Deutscher Staudengärtner.
  • Beispiele von falsch geschnittenen Gehölzen und Fotos, die fachgerecht geschnittene Gehölze zeigen, finden Sie auf der Website des Wohnparks Weierhof