30.03.2021. Balkone sind gefragt – zum Grillen, Sonnenbaden, Entspannen. Wer eine Wohnung ohne Balkon hat, kann in vielen Fällen einen nachträglich anbauen lassen. Welche Möglichkeiten es gibt und was dabei zu beachten ist, erläutert WiE-Experte und Diplom-Ingenieur Jan Habermann im Interview.

WiE: Herr Habermann, was spricht für einen nachträglichen Balkonanbau?

Jan Habermann: „Ein Balkon erhöht die Wohnqualität. Inmitten der Corona-Pandemie haben Balkone zusätzlich an Bedeutung gewonnen – als Wohlfühloase. Wer nachträglich einen Balkon anbaut, kann grundsätzlich davon ausgehen, dass diese Maßnahme mit einer Wertsteigerung der Immobilie verbunden ist. Eine Wohnung mit Balkon lässt sich meist auch einfacher vermieten als eine ohne Balkon.“

WiE: Was müssen Wohnungseigentümer beachten, wenn sie einen Balkon nachträglich anbauen möchten?

Jan Habermann: „In WEGs ist es häufig so, dass ein solches Projekt gemeinschaftlich gewünscht wird, dass also alle Wohnungen der Anlage einen Balkon erhalten. Aber auch einzelne Eigentümer*innen haben diese Möglichkeit (Hinweis von WIE: Dies ist aber nicht im Alleingang durchsetzbar, sondern nur, wenn die Eigentümergemeinschaft diese bauliche Veränderung mehrheitlich beschließt, Näheres lesen Sie hier). Ohne die fachkundige Beratung und Begleitung durch eine Architekt*in lässt sich ein solches Projekt in der Regel nicht realisieren. Für WEGs können Balkone in speziellen Fällen übrigens auch eine Möglichkeit darstellen, in Verbindung mit einem Außen-Aufzug einen barrierefreien Zugang zu Wohnungen zu schaffen.“

WiE: Welche Möglichkeiten gibt es grundsätzlich?

Jan Habermann: „Bestandsgebäude lassen sich am einfachsten mit einem Vorstellbalkon nachrüsten. Dieser steht auf vier Stützen auf Betonfundamenten und ist am Gebäude lediglich rückverankert. Der Einbau ist relativ einfach, es handelt sich hierbei um die kostengünstigste Lösung. Die Alternative ist der Anbaubalkon, der auf zwei Stützen steht. Ein freitragender Balkon hingegen wird an der Hauswand montiert. Er ist im Bestand nur selten umzusetzen und daher die kostenintensivste Variante. Er bietet sich vor allem dann an, wenn es keine Möglichkeit gibt, den Balkon auf dem Boden abzustützen.“

Vorstellbalkone aus Aluminium
Foto: Balco Balkonkonstruktionen GmbH

WiE: Welche Punkte spielen bei der Planung eine Rolle?

Jan Habermann: „Erst wenn eine Baugenehmigung vorliegt, darf gebaut werden. Es muss also vorher ein Bauantrag bei der zuständigen Behörde gestellt werden, was in der Regel eine Architekt*in übernimmt. Diese berät fachkundig in allen Fragen zur Planung und Ausführung und hilft der WEG dabei, Ihre „Wunsch“-Balkone umzusetzen. Sie hat auch das entsprechende Fachwissen, wenn es um die Beurteilung der Statik des Gebäudes geht. In der Planungsphase muss außerdem unter anderem geprüft und geklärt werden, ob die Außenbereiche der Wohnanlage einen Balkonanbau überhaupt zulassen, ob genügend Abstand zum Nachbarhaus eingehalten werden kann und auch, ob andere Wohnungen bzw. Balkone im Stockwerk darunter durch den Balkonanbau weniger Licht haben, also wie stark die Beschattung ausfällt. Außerdem sind geplante Veränderungen am Gebäude wie z.B. eine neue Wärmedämmung etc., zu berücksichtigen.“

WiE: Welche Grenzen gibt es bei der Umsetzung der Eigentümerwünsche?

Jan Habermann: „Wünsche und Ideen gibt es oft viele, doch in der Praxis lässt sich meistens nicht alles umsetzen. Grundsätzlich können sich Eigentümer*innen zwar Gedanken machen, an welcher Stelle der Balkon angebracht werden soll, ob zum Beispiel eher Morgen- oder Abendsonne gewünscht ist, und von welchem Raum aus sie den Balkon betreten möchten. Doch häufig sind die Möglichkeiten durch die baulichen Gegebenheiten begrenzt und der Anbau ohnehin nur an einer Hausseite möglich. Was die Größe des Balkons angeht, sollte dieser natürlich – wenn es die Gegebenheiten zulassen – nicht zu klein werden – ein Tisch(chen) mit zwei Stühlen sollte schon drauf passen, sonst ist der Mehrwert sehr gering. Was die Materialien angeht: Meistens kommt Alu oder Stahl zum Einsatz, Holz hat sich bei größeren Balkonanlagen, wie die Erfahrung zeigt, nicht so bewährt, da dieses durch die Witterung konstruktionsbedingt sehr in Mitleidenschaft gezogen werden kann.“

WiE: Mit welchen Kosten muss man rechnen?

Jan Habermann: „Die Kosten hängen natürlich unter anderem von der gewählten Variante ab. Inklusive Einbau sollte man schon im Mittel mit 15.000 Euro pro Balkon rechnen. Was viele vergessen: Beim Balkonanbau fallen natürlich auch Kosten für den Zugang zum Balkon an, denn dieser muss ja erst geschaffen werden (Durchbruch und Balkontür).“

Hinweise von WiE:

Möchten Sie als einzelne Wohnungseigentümer*in einen Balkon anbauen lassen, müssen Sie hierfür einen Beschlussantrag in die Eigentümerversammlung einbringen (§ 20 Abs. 1 WEGesetz). Diese bauliche Veränderung kann die Eigentümerversammlung Ihnen nach der neuen Rechtslage mit einfacher Mehrheit gestatten und kann Ihnen dabei auch Auflagen zur Ausführung der Maßnahme machen. Sämtliche Kosten und Folgekosten tragen dann Sie!

Bitte beachten Sie: Bauliche Veränderungen dürfen weder die Wohnanlage grundlegend umgestalten noch eine andere Wohnungseigentümer*in unbillig benachteiligen (§ 20. Abs. 4 WEGesetz). Das Risiko der „unbilligen Benachteiligung“ einzelner Miteigentümer*innen kann beim nachträglichen Anbau eines Balkons gegeben sein. Denn durch diese bauliche Veränderung wird in vielen Fällen die Eigentümer*in, die im Stockwerk darunter wohnt, sehr viel weniger Licht haben und sich dadurch erheblich benachteiligt fühlen. Dann könnte sie den Gestattungsbeschluss der WEG wohl erfolgreich anfechten. Doch deshalb muss die Maßnahme nicht unbedingt scheitern: Beide Parteien können sich einigen (zum Beispiel mithilfe einer Ausgleichszahlung).

Möglicherweise kann es auch sinnvoll sein, dass Sie sich gemeinsam mit anderen Eigentümer*innen, die ebenfalls einen Balkon wünschen, zusammentun und einen Beschlussantrag gemeinsam in die Eigentümerversammlung einbringen. Oder Ihre WEG beschließt, sogar alle Wohnungen mit einem Balkon auszustatten.

Balkone sind Gemeinschaftseigentum. Allerdings kann in Ihrer Teilungserklärung geregelt sein, dass die Balkone Ihrer WEG als Sondereigentum behandelt werden. Das betrifft dann aber meistens nur die Balkonfläche und den Bodenbelag oberhalb des Estrichs. Die Balkonbrüstung und die Balkontür bleiben zum Beispiel Gemeinschaftseigentum, weil sie Teil der Fassade sind.