07.04.2022. Nach dem neuen WEGesetz können WEGs ihre Verwaltung jederzeit abberufen, auch ohne dass ein wichtiger Grund vorliegen muss. In einem aktuellen Urteil hat der BGH nun die Voraussetzungen konkretisiert, unter denen einzelne Wohnungseigentümer*innen gegenüber ihrer WEG einen Anspruch auf Abberufung der Verwaltung haben.

Im verhandelten Fall brachten die Kläger*innen einen Abberufungsbeschluss wegen Pflichtverletzungen der Verwalterin auf die Tagesordnung. Der Beschlussantrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Daraufhin erhoben die Kläger*innen eine Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage mit dem Ziel, die Abberufung der Verwalterin gerichtlich durchzusetzen.

Die Klage war in den ersten beiden Instanzen erfolglos. Im Rahmen der Revision hat der Bundesgerichtshof (BGH) den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.

Abberufungsmöglichkeit nach neuem WEGesetz darf nicht eingeschränkt werden

Ein Teil des Urteils des Bundesgerichtshofs (25.02.2022, Az. V ZR 65/21) bezieht sich auf den Konflikt zwischen „alten“ Verwalterverträgen (also Verträgen, die vor dem 01.12.2020 geschlossen wurden) und der neuen Gesetzeslage. Nach § 26 Abs. 3 WEGesetz dürfen WEGs ihre Verwaltung jederzeit abberufen, ohne dass ein wichtiger Grund vorliegen muss. Wird in einem Verwaltervertrag oder in der Gemeinschaftsordnung die Möglichkeit der Abberufung der Verwaltung eingeschränkt, indem zum Beispiel die Abberufung nur dann möglich sein soll, wenn es einen wichtigen Grund dafür gibt, dann sind solche Regelungen unwirksam (Leitsatz 3 der Entscheidung).

Haben einzelne Eigentümer*innen einen Anspruch auf Abberufung der Verwaltung?

Ja, unter bestimmten Voraussetzungen. Diese werden im Urteil des BGH auch benannt. Ein Anspruch auf Abberufung besteht zum Beispiel dann, wenn die Ablehnung der Abberufung "aus objektiver Sicht nicht mehr vertreten werden kann". Konkret und am Beispiel bedeutet das: Liegen zwingende Gründe für eine Abberufung vor - zum Beispiel die Weigerung einen bestandskräftigen Beschluss umzusetzen - und ist den (einzelnen) Eigentümer*innen, die die Abberufung wollen, ein Festhalten an der Verwaltung nicht mehr zuzumuten, dann muss die WEG der Abberufung zustimmen. Stimmt die Mehrheit in der Eigentümerversammlung der Abberufung nicht zu, können die einzelnen Eigentümer*innen sich die notwendige Abberufung vom Gericht bestätigen lassen.

Die Situation ist also grundlegend anders als bei der Abberufungsregelung nach § 26 Abs. 3 WEGesetz: Grundsätzlich ist für die Abberufung einer Verwaltung kein wichtiger Grund mehr nötig, die Gemeinschaft kann über die Abberufung einen Beschluss fassen: Stimmt die Mehrheit in der Eigentümerversammlung dafür, muss die Verwaltung ihr Amt niederlegen, stimmt die Mehrheit dagegen, bleibt sie im Amt. Will eine einzelne Wohnungseigentümer*in allerdings die Abberufung der Verwaltung durch einen Mehrheitsbeschluss erzwingen, braucht sie einen wichtigen Grund dafür.

Das Gerichtsurteil bringt im Grunde nichts Neues, sondern entspricht der bisherigen Rechtsprechung. Allerdings hat der BGH diesen Rechtsstreit zum Anlass genommen, die Kriterien und den Prüfungsmaßstab für den Abberufungsanspruch der (einzelnen) Wohnungseigentümer*innen zu erläutern und weiter zu konkretisieren: "Ob ein Anspruch auf Abberufung besteht, ist durch eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und aller gegen die Verwaltung erhobenen Vorwürfe zu prüfen."

Bei dieser Gesamtschau 

  • können schwerwiegende Verstöße die Abberufung (und damit den Anspruch darauf) nahelegen. Beispiele: Beleidigung von Wohnungseigentümer*innen, Strafanzeigen gegen Wohnungseigentümer*innen, die jeglicher Grundlage entbehren.
  • kann bei leichteren Verstößen berücksichtigt werden, ob künftig ein ordnungsgemäßes "besseres" Verhalten der Verwaltung zu erwarten ist. Beispiel: Verzögerungen bei der Umsetzung von Beschlüssen; Nichtaufnahme "kleinerer", nicht eiliger Punkte in die Tagesordnung; Verweigerung der Belegeinsicht; Provozieren von Rechtsstreitigkeit der WEG.
  • gibt es keine allgemeingültige zeitliche Grenze, wonach länger zurückliegende Pflichtverletzungen nicht mehr zu berücksichtigen sind. Beispiel hier im Fall: auch im Jahr 2019 kann ein Verstoß aus dem Jahr 2012 möglicherweise noch bedeutsam sein.
  • kann ein erneuter Vorfall einen alten Vorfall in neuem Licht erscheinen lassen. Beispiel: eine ältere Pflichtverletzung wurde zunächst nur als Nachlässigkeit bewertet, später stellt sich heraus, dass das fehlerhafte Verhalten Methode hatte.
  • kann ein länger zurückliegender Vorfall im Zusammenhang mit späteren Vorfällen Beachtung finden, wenn damit „das Fass zum Überlaufen gebracht wurde“. Beispiele: viele kleinere Pflichtverletzungen summieren sich auf; ein Fehler in einer früheren Jahresabrechnung wird in einer späteren Jahresabrechnung wiederholt.

Das Landgericht ging davon aus, dass es Ereignisse aus dem Jahr 2012 (also sieben Jahre zurückliegend) in der Gesamtbetrachtung nicht berücksichtigen musste. Diese Position hat der BGH mit seiner Entscheidung gerügt. 

Auch wenn die genannten Kriterien in der Gesamtbetrachtung nicht so einfach auf andere Fälle zu übertragen sind, so sind sie jetzt vom BGH doch etwas konkreter und präziser formuliert und können Rechtsanwälten und Wohnungseigentümer*innen erste Orientierung bieten.