16.10.2023. Wohnungseigentümer*innen haben seit der Wohnungseigentumsgesetz-Reform 2020 einen gesetzlichen Anspruch auf die Installation von Ladeeinrichtungen für E-Fahrzeuge. Allerdings haben sie keinen Anspruch auf eine bestimmte Aus- und Durchführung der Maßnahme, wie ein aktuelles Urteil des Landgerichts Stuttgart (Az. 10 S 39/21) zeigt. Der Fall ist ein Beispiel dafür, wie Sie das Thema nicht angehen sollten. Ein kostenloses Infoblatt von WiE enthält wertvolle Tipps für Wohnungseigentümer*innen zum Vorgehen.

Ein Wohnungseigentümer, der das Sondernutzungsrecht an einem Außenstellplatz hat, beantragte 2018, dass ihm die WEG die Errichtung einer öffentlich zugänglichen Ladesäule inklusive Betonfundament gestattet. Der Eigentümer beantragte und erhielt dafür Bundesfördermittel in Höhe von mehr als 19.000 Euro. Die WEG lehnte die Beschlussfassung aber ab (damals noch nach dem „alten“ Wohnungseigentumsgesetz).

Zwang zum Rückbau

Dennoch ließ der Eigentümer im Sommer 2019 die Ladesäule sowie das erforderliche Betonfundament installieren, woraufhin die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ihn auf Rückbau verklagte – denn jede bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum erfordert einen Beschluss, und dieser lag nicht vor.

Da der Eigentümer die Ladesäule nicht freiwillig entfernte, beauftragte die Gemeinschaft im Wege der Zwangsvollstreckung eine Firma mit dem Rückbau und der Einlagerung der Gerätschaften (Ladesäule, Betonsockel, Zuleitungen).

Neuer Versuch

Im Jahr 2020 startete der Eigentümer einen neuen Versuch und legte ein Ladeinfrastrukturkonzept in der Eigentümerversammlung vor, über das in der Versammlung allerdings nicht beraten wurde. Die WEG beschloss allerdings, eine Firma mit der Erstellung eines Gesamtkonzepts für Ladepunkte zu beauftragen. Im Jahr 2021 wurden die von der Firma vorgeschlagenen Konzepte mehrheitlich abgelehnt, ebenso wie das von dem Eigentümer vorgelegte Ladeinfrastrukturkonzept. Gleichzeitig wurden die Anträge mehrerer Miteigentümer*innen auf das Anbringen einzelner Wallboxen – insgesamt für vier Stellplätze – durch einen Mehrheitsbeschluss genehmigt. Denn die WEG wollte lediglich einzelne Wallboxen und keine weitergehende, auf die (öffentliche) Nutzung durch zahlreiche Fahrzeuge angelegte Lademöglichkeit.

Wallbox zum Laden eines E-Autos
WiE

Scheitern der Beschlussersetzungsklage

Daraufhin verklagte der Eigentümer die WEG auf Gestattung der Installation einer Ladesäule gemäß seinem „Ladeinfrastrukturkonzept“ und hilfsweise auf Gestattung einer Wallbox. Die Klage blieb jedoch in beiden Instanzen erfolglos.

Die Argumentation des Landgerichts Stuttgart: Der Wohnungseigentümer hat zwar einen Anspruch auf das „Ob“ – also auf das grundsätzliche „Ja“ für das Errichten von Ladeinfrastruktur (gemäß § 20. Abs.1. Wohnungseigentumsgesetz) –, aber keinen Anspruch auf das „Wie“, also auf eine bestimmte Durchführung der baulichen Veränderung. Darüber beschließt die WEG im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 19 Abs. 1 WEGesetz), wobei ihr inhaltlich ein Ermessen zusteht. Die WEG hat also die Entscheidungsfreiheit, welches von mehreren Konzepten sie wählt.

Der Anspruch auf ein bestimmtes Konzept besteht nur dann, wenn das Ermessen der Gemeinschaft „auf null reduziert ist“. Das wäre nur der Fall, wenn allein ein bestimmtes Konzept die einzig sinnvolle bzw. zulässige Maßnahme ist. Das war hier aber nicht so.

Der Hilfsantrag des Eigentümers auf Gestattung einer Wallbox scheiterte aus einem anderen Grund: Der Eigentümer hatte zuvor stets auf seinem Konzept beharrt, aber nicht die Installation „nur“ einer Wallbox beantragt. Da das Thema „Wallbox“ also vorher niemals TOP einer Eigentümerversammlung war, hatte die Wohnungseigentümergemeinschaft keine Chance gehabt, sich damit zu befassen. Da bereits andere Eigentümer*innen Wallboxen gestattet bekamen, wäre davon auszugehen gewesen, dass auch diesem Eigentümer eine Ladestation gestattet worden wäre, wenn er sie beantragt hätte. Diese Chance hätte er der WEG vor der Klageerhebung geben müssen. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung der Gerichte, wonach Eigentümer*innen zunächst wenigstens versuchen müssen, einen Beschluss herbeizuführen – und die WEG nicht mit einer Klage „überraschen“ dürfen.

Hinweise von WiE:

  • Infrastruktur zum Laden von E-Fahrzeugen wird im Zusammenhang mit der Energie- und Klimawende zunehmend bedeutsamer werden. Darauf sollten sich Wohnungseigentümergemeinschaften einstellen.
  • Damit bei der Umsetzung nicht sinnlos „Geld verbrannt wird“, sollten alle Eigentümer*innen an einem Strang ziehen und sich ergebnisoffen und tolerant mit Konzepten und Lösungen auseinandersetzen.
  • Unabhängig von dem gesetzlichen Anspruch einzelner Wohnungseigentümer*innen auf das Errichten von Ladeinfrastruktur (§20. Abs.1. Wohnungseigentumsgesetz) hat Ihre WEG die Möglichkeit, den Einbau von Ladeinfrastruktur im Gemeinschaftseigentum zu beschließen, zum Beispiel, um sich bereits jetzt für die Zukunft aufzustellen.
  • Tipps, wie Sie vorgehen sollten, wenn Sie Ihren Anspruch auf das Errichten von Ladeinfrastruktur umsetzen möchten oder wie Ihre WEG gemeinschaftlich vorgehen kann, finden Sie als Mitglied in unserem kostenlosen Infoblatt „Ladestationen für E-Autos“ (bitte erst auf der Webseite einloggen, dann hier herunterladen).
  • Informationen und Links rund um E-Mobilität für Wohnungseigentümer*innen gibt es auf unserer Themenseite.