31.01.2020. Verbraucher haben seit 2016 die Möglichkeit, Streitigkeiten mit Unternehmen außergerichtlich zu klären. Rechtliche Grundlage ist das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, das derzeit novelliert wird. MdB Dr. Manuela Rottmann, Obfrau der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz, erläutert im Interview mit WiE, wie Verbraucher von der Schlichtung profitieren können und wo aus ihrer Sicht noch nachgebessert werden muss.

1. WiE: „Frau Dr. Rottmann, warum ist es wichtig, dass es die Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung gibt?“

Dr. Manuela Rottmann: „Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es oft nicht leicht, ihre Rechte gegenüber Unternehmen durchzusetzen. Wenn Unternehmen sich weigern, beispielsweise eine Entschädigung zu zahlen oder eine Rückzahlung vorzunehmen, obwohl diese den VerbraucherInnen zustehen würde, bleibt den Betroffenen meist nur der Klageweg. Den aber wollen viele wegen kleinerer Summen nicht gehen. Schlichtungsverfahren können VerbraucherInnen eine Chance bieten, einfach und kostenfrei ihre Ansprüche gegenüber Unternehmen durchzusetzen. Ein unparteiischer Schlichter begutachtet dabei den Fall und macht einen Schlichtungsvorschlag. Für den einzelnen Verbraucher kann dies sehr hilfreich sein – und insgesamt trägt die Schlichtung dazu bei, dass Verbraucherrechte, auch wenn es sich um kleine Schäden handelt, tatsächlich durchgesetzt werden.“ 

2. WiE: „Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz wird derzeit novelliert. Was sollte aus Ihrer Sicht geändert werden bzw. welche Forderungen haben Sie diesbezüglich?“

Dr. Manuela Rottmann: „Mein Anliegen ist es, die Schlichtung zu stärken. Dort, wo es Schlichtungsstellen für bestimmte Branchen gibt, funktioniert Schlichtung gut. Oft scheitert Schlichtung aber an der Bereitschaft der Unternehmen, sich an Schlichtungsverfahren zu beteiligen. Daher ist es aus meiner Sicht richtig, Anreize für die Unternehmen zu setzen, indem man ihnen beispielsweise bei unbegründeten Ansprüchen die Gebühren reduziert oder erlässt. Außerdem sollte es in den Bereichen, in denen es besonders viele Verbraucherbeschwerden gibt, mehr Druck auf die Unternehmen geben, sich an der Schlichtung zu beteiligen, bis hin zu einer verpflichtenden Teilnahme, beispielsweise für den Bereich der Postdienstleistungen. Die große Koalition ist hier viel zu mutlos herangegangen und hat keine Anreize für mehr Schlichtungsverfahren auf den Weg gebracht.“

3. WiE: „In welchen Bereichen können denn Wohnungseigentümer und WEGs von einer Streitschlichtung profitieren – als Alternative zum Gerichtsverfahren?“

Dr. Manuela Rottmann: „Wohnungseigentümer und -innen können von der außergerichtlichen Streitbeilegung profitieren, wenn es um Verbraucherverträge geht. So könnte eine WEG sich bei Streitigkeiten mit Handwerkern an eine Verbraucherschlichtungsstelle wenden, oder bei Streitigkeiten mit dem Verwalter. Die Universalschlichtungsstelle in Kehl hat bereits entsprechende WEG-Streitschlichtungsfälle bearbeitet (Anmerkung von WiE: WiE wird sich diesbezüglich bei der Universalschlichtungsstelle informieren und nähere Informationen zu diesen Schlichtungsfällen anfragen. Wir halten Sie auf dem Laufenden).

Andere Streitigkeiten, beispielsweise innerhalb der WEG, fallen jedoch nicht in den Anwendungsbereich der Verbraucherschlichtung. Da auch hier eine außergerichtliche Streitbeilegung aus unserer Sicht hilfreich sein kann, sollte meiner Meinung nach im Zuge der Reformierung des Wohneigentumsgesetzes geprüft werden, wie Schlichtung für Wohnungseigentümer gestärkt werden kann."

4. WiE: „Und an wen können sich Wohnungseigentümer wenden, wenn sie einen Streit mit einem Dienstleister oder Unternehmen außergerichtlich klären möchten?“

Dr. Manuela Rottmann: „Wenn Wohnungseigentümer einen Streit außergerichtlich klären möchten, können sie sich in der Regel an die Universalschlichtungsstelle in Kehl wenden. Sie ist immer dann zuständig, wenn keine branchenspezifische Schlichtungsstelle existiert. Außerdem kann sie weiterhelfen, wenn unklar ist, ob es noch eine spezialisierte Verbraucherschlichtungsstelle für den jeweiligen Fall gibt. So könnte je nach konkretem Fall beispielsweise auch der Ombudsmann Immobilien, die Schlichtungsstelle Energie oder der Versicherungsombudsmann zuständig sein.“

WiE: „Frau Rottmann, vielen Dank für das Interview.“

Die Universalschlichtungsstelle des Bundes in Kehl gibt es bereits seit einiger Zeit als Forschungsprojekt. Zum 1. Januar 2020 hat die Stelle nun dauerhaft ihre Arbeit aufgenommen, als Ergänzung zu den 27 bereits bestehenden branchenspezifischen Schlichtungsstellen. Verbraucher können über diesen Weg Streitigkeiten mit Unternehmen außergerichtlich lösen. Voraussetzung: Das betroffene Unternehmen muss in Deutschland niedergelassen sein. Ob ein Unternehmen an Schlichtungsverfahren teilnimmt, muss es mitteilen, vorausgesetzt es hat eine an Verbraucher gewandte Website oder verwendet AGB. Ausgenommen von der Informationspflicht sind Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten.

Allgemeine Informationen zum Thema Verbraucher-Schlichtung finden Sie hier.