27.06.2022. Das Thema „Balkonsanierung“ beschäftigt die WEG von WiE-Mitglied Gabriele Seiler-Warmuth bereits seit rund 15 Jahren. Nun sollen die Balkone neu gebaut werden, wie die Beiratsvorsitzende im folgenden Erfahrungsbericht schildert. Ein sehr komplexes Projekt.

„Unsere WEG in Berlin besteht aus 230 Wohnungs- und Miteigentümern. Ich habe meine Wohnung im Jahr 2012 gekauft. Die Wohnanlage wurde im Jahr 1959 gebaut und ist seit dem Jahr 1998 eine WEG. Seither wurden die Balkone nicht saniert, sie wurden lediglich gestrichen und teilweise, wo nötig, Ausbesserungen vorgenommen.

Dass die Balkone irgendwann einmal grundlegend saniert werden müssen, ist schon seit rund 15 Jahren der WEG klar. Doch lange Zeit passierte gar nichts. Da man wusste, dass es sich – allein schon durch die Größe der Eigentümergemeinschaft – um ein sehr großes Bauvorhaben handelt, haben viele Eigentümer und auch die Verwaltung sich lange Zeit davor ‚gedrückt‘, ist mein Eindruck. Irgendwann war der Zustand der Balkone nicht mehr tragbar, einige Balkone wurden gesperrt, da sie nicht mehr verkehrssicher waren. Es musste also gehandelt werden. Die Eigentümerversammlung beschloss im Jahr 2017 einen Architekten damit zu beauftragen, ein Konzept für die Sanierung zu erarbeiten.

Am Beispiel eines Stranges von „drei Musterbalkonen“ wurde dann die Sanierung einmal durchgeführt und mitten im Bau festgestellt, dass in den Betonplatten eine Asbest-Schicht enthalten ist. Diese müsste abgetragen und speziell entsorgt werden, was angesichts der Vielzahl der Balkone zu sehr hohen Kosten führen würde. Eine Sanierung wäre also unverhältnismäßig teuer – woraufhin die Planung umgestellt wurde und der Architekt den Vorschlag entwickelte, die alten Balkone abzureißen und stattdessen neue Vorstellbalkone zu errichten. Angedacht war auch, größere Balkone zu bauen – das ist jetzt leider doch nicht erlaubt, denn vor kurzem ist unsere Wohngegend als Milieuschutzgebiet eingestuft worden. Der Milieuschutz verhindert, dass Wohnwert erhöhende Maßnahmen ergriffen werden, um die vorhandene Bevölkerungsstruktur nicht zu verdrängen. Demnach dürfen nur Balkone, die nicht größer als vier Quadratmeter sind, angebaut werden oder wie in unserem Fall der Bestand nicht überschritten werden darf.

Die Gesamtkosten für den Neubau werden derzeit auf rund sechs Millionen Euro geschätzt, das sind rund 20- bis 25.000 Euro pro Wohnung. Schwierig gestaltet sich das Projekt Balkonsanierung unter anderem dadurch, dass die Interessen innerhalb der WEG so unterschiedlich gelagert sind. Während einige Neu-Eigentümer und vermietende Eigentümer durchaus einsehen, dass man etwas investieren muss, gibt es einige Alt-Eigentümer, die zuvor Mieter waren, und kein Geld ausgeben möchten und mit dem Zustand der Balkone noch ganz zufrieden sind. Dann gibt es andere, die zwar den Bedarf sehen, die aber nicht ausreichend Geld für die Maßnahme haben. Alles das sind berechtigte Interessen, aber was ist im Interesse der Bausubstanz und damit der Wohnungseigentümergemeinschaft auf lange Sicht?

Die Verwaltung hatte es aus meiner Sicht versäumt, im Lauf der Zeit eine entsprechende, langfristige Erhaltungsplanung zu entwickeln und die Eigentümergemeinschaft auch entsprechend zu beraten. Die Erhaltungsrücklage wurde zwar im Lauf der Zeit etwas erhöht, aber lange nicht in dem Maße, wie es nötig gewesen wäre (schließlich stehen neben den Balkonen auch noch weitere Maßnahmen an) – wir hätten also deutlich mehr Geld zur Seite legen müssen. Voraussichtlich wird die Erhaltungsrücklage nur die Hälfte der Kosten abdecken, die andere Hälfte werden wir über Sonderumlagen finanzieren müssen.

Ein Teil der Eigentümer war dann gegen den Neubau aufgrund der Erkenntnis aus den Musterbalkonen und wollte daher zusätzlich einen Experten -- der auch sonst als Gutachter tätig ist – als Berater und Kontrolleur des Architekten zur Beurteilung der Sachlage hinzuziehen. Dies wurde in der Eigentümerversammlung im Jahr 2018 beschlossen. Der Experte bestätigte die Beurteilung und Empfehlungen des Architekten, was insgesamt sehr hilfreich für den Frieden in der WEG war, denn nun können wir bei strittigen Fragen stets auf diese Expertise zurückgreifen. Zwar gibt es jetzt immer noch einige Gegner des Projekts, aber die Mehrheit ist auf jeden Fall dafür. Der Experte hat auch einige Vorschläge erarbeitet, was die Optik und das Material der neuen Balkone angeht, und hat somit eine Richtungshilfe vorgegeben. Derzeit arbeitet der Architekt die Vorgaben des Milieuschutzes ein. Im Herbst findet voraussichtlich die nächste Eigentümerversammlung statt und wir können dann hoffentlich den Entwurf der neuen Balkone beschließen – und die Finanzierung. Denn das eine geht natürlich nicht ohne das andere.

Ich kann nur allen WEGs empfehlen, ihre Verwaltung aufzufordern, eine langfristige Planung für Erhaltungsmaßnahmen für die Wohnanlage zu erstellen und in dem Zusammenhang auch darauf zu achten, dass die Erhaltungsrücklage ausreichend hoch ausfällt – um möglichst böse Überraschungen in der Zukunft zu vermeiden.“

Weitere Hinweise:

  • Um das Thema "Balkonsanierung" geht es auch beim Runden Tisch online am 17.08.2022. Infos und Anmeldung
  • Insbesondere bei größeren Sanierungsvorhaben sollten WEGs die Vorgehensweise diskutieren und gemeinsam einen Sanierungsfahrplan festlegen (kostenfreier Download auf der WiE-Website). Auf der Grundlage dieses „Fahrplans“ sind dann alle Eigentümer*innen von der Verwaltung über alle Phasen zu informieren.