23.05.2023. WiE-Mitglied Sabine K. hat eine Veruntreuung von WEG-Geldern durch ihre Verwaltung aufgedeckt – mithilfe des WiE-Ratgebers "Veruntreuung durch WEG-Verwalter*in? Warnzeichen erkennen, gezielt handeln, Schäden minimieren". Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Untreue. Der Schaden in ihrer Wohnungseigentümergemeinschaft mit 21 Einheiten beläuft sich auf mindestens 82.000 Euro. Betroffen sind darüber hinaus offenbar noch mehr als 30 weitere WEGs.
„Ich bin seit Januar 2022 neue Eigentümerin einer Büroeinheit in einer Wohnungseigentumsanlage. Diese war an die Verwaltung – ein Ehepaar – vermietet. Mir kam es bald komisch vor, dass ich die Miete fast immer zu spät überwiesen bekam. Ich fand es seltsam, dass eine Verwaltung, die im Rahmen der Sondereigentumsverwaltung auf pünktliche Mietzahlungen achten muss, die eigene Miete unpünktlich zahlt. Meine Nachfragen hierzu wurden entweder mit Arbeitslast begründet oder blieben unbeantwortet.
Daraufhin wollte ich Kontakt mit dem Verwaltungsbeirat aufnehmen, um zu erfahren, ob ihm vielleicht Unregelmäßigkeiten mit der Hausverwaltung aufgefallen waren und bat die Verwaltung um die Kontaktdaten des Beirats. Diese bekam ich jedoch nie – trotz mehrfacher mündlicher und schriftlicher Nachfragen. Das bestärkte mein ungutes Gefühl. Mir gelang es schließlich, ein Beiratsmitglied zu kontaktieren, aber leider teilte es meinen Verdacht auf Veruntreuung zunächst nicht und wiegelte ab, mit Aussagen wie 'Es läuft ja bei keiner Verwaltung immer alles ganz problemlos' und 'Die unpünktlichen Mietzahlungen sind Ihre Privatsache. Sie haben nichts mit der Verwaltertätigkeit zu tun.'
Ich begann nachzuforschen und stieß im Internet auf den WiE-Ratgeber „Veruntreuung durch WEG-Verwalter*in? Warnzeichen erkennen, gezielt handeln, Schäden minimieren“. Dieser war sehr hilfreich und enthielt wertvolle und praktische Tipps zum Vorgehen, unter anderem, sich von der Verwaltung Kontoauszüge im Original zeigen zu lassen und bei Versorgungsunternehmen wegen möglicher offener Rechnungen nachzufragen.
So tauchte ich Anfang Oktober 2022 unangekündigt im Büro der Verwaltung auf und verlangte Einsicht in die Kontoauszüge der WEG und die Versorgerrechnungen. Mir wurden die Kontoauszüge des Erhaltungsrücklagenkontos des vergangenen Jahres und einige Versorgerrechnungen vorgelegt. Diese ließ ich mir kopieren. Erst als ich mir später zuhause die Unterlagen in Ruhe ansah, fiel mir auf, dass die Kontoauszüge gefälscht sein müssen (im Büro sah auf den ersten Blick zunächst alles korrekt aus): Die Kapitalertragssteuer war dort nämlich als Zugang, also mit einem Plus, ausgewiesen – dabei musste es sich um eine Abbuchung handeln, denn diesen Betrag muss unsere WEG ja abführen. Und addierte man die Gutschriften der Erhaltungsrücklagezuführungen, die auf dem Konto monatlich ankamen, kam man nicht auf den jeweils ausgewiesenen Kontostand. Auch wenn die Abweichung nur wenige Cent betrug.
Inzwischen haben wir noch zwei weitere Fälschungshinweise entdeckt: Die auf den mir vorgelegten Kontoauszügen angegebene IBAN wird als nicht gültig ausgewiesen, wenn man sie in einen Online-IBAN-Prüfer eingibt. Weiterhin lässt sich der QR-Code auf dem Kontoauszug nicht auslesen. Leider wiegelte der Verwaltungsbeirat wieder ab, mit 'Ein paar Cent Abweichungen sind doch nicht schlimm'.
Anrufe bei einigen Vertragspartnern brachten mich dann weiter. Anhand der Kundennummern auf den (kopierten) Rechnungen konnte ich gezielt nachfragen und erfuhr, dass unsere WEG sowohl beim Stromanbieter als auch bei den Stadtwerken (Wasser- und Schmutzwasser) Rückstände hatte. Beim Gasversorger waren unsere Rückstände offenbar schon so groß, dass unserer WEG ein Gaslieferungsstopp angedroht worden war – davon wussten wir Eigentümer natürlich nichts. Doch selbst diese Informationen überzeugte den Beirat noch nicht ganz.
Nachdem ich um die Kontaktdaten des Verwaltungsbeirats gebeten hatte, ahnte die Verwaltung offenbar, dass ich ihr auf der Schliche war, denn sie sagte plötzlich die Eigentümerversammlung, die für Anfang Oktober terminiert gewesen war, ohne Angabe von Gründen ab. Doch auch das interessierte meine Miteigentümer*innen kaum – was mir ein Rätsel ist. Man muss doch hellhörig werden, wenn eine Versammlung ohne Gründe abgesagt und kein Ersatztermin genannt wird. Es war leider unglaublich schwierig und langwierig, bis ich den Beirat und die anderen Eigentümer*innen überzeugen konnte, dass mit der Verwaltung etwas gewaltig schief läuft – obwohl ich Beweise schwarz auf weiß hatte bzw. mir ja entsprechende Aussagen der Versorgungsunternehmen vorlagen.
Erst als ich dem Beiratsvorsitzenden drohte, über das Amtsgericht eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen, wurde er schließlich aktiv und lud im Januar 2023 selbst zur Versammlung ein. In dieser fassten wir den Beschluss, die Verwaltung abzuberufen und den Verwaltervertrag zu kündigen, auch hierzu hatte ich in dem Ratgeber wertvolle Tipps gelesen. Im Vorfeld war ich außerdem Wohnen im Eigentum beigetreten und nutzte die telefonischen Rechtsauskünfte, um mich gemeinsam mit dem Beirat auf die Einberufung der Versammlung und die Abberufung der Verwaltung vorzubereiten – denn es war uns äußerst wichtig, dass hier alles rechtlich korrekt abläuft.
Im März stellten wir Strafanzeige gegen die Verwaltung wegen des Verdachts der Untreue und nun ermittelt die Staatsanwaltschaft. Der finanzielle Schaden beläuft sich in unserer WEG auf mehr als 82.000 Euro – das ist die Summe, die sich eigentlich auf dem Erhaltungsrücklagen-Konto hätte befinden müssen. Hinzu kommen fehlende Gelder vom Bewirtschaftungskonto und offene Rechnungen, die teilweise über zwei Jahre zurückliegen.
Erst über die neue Verwaltung bekam ich dann Einsicht in das Bewirtschaftungskonto unserer WEG. Wie wir feststellen mussten, war auch dieses fast leer. Mitte Februar waren nur noch 27,22 Euro darauf. Die alte Verwaltung hatte hier noch einmal Anfang Februar abgeräumt, obwohl sie bereits mit Wirkung zum 31.01.23 abberufen war.
Wie sich inzwischen herausgestellt hat, sind offenbar mehr als 30 weitere WEGs in Sachsen, die auch Kunden bei derselben Verwaltung waren, von der Veruntreuung betroffen. Der Schaden soll sich nach Schätzung der Staatsanwaltschaft auf insgesamt rund 1,3 Millionen Euro belaufen. Offenbar wurden Gelder zwischen den Konten der betroffenen WEGs durch die Verwaltung hin- und hergeschoben, sodass der Betrug lange niemandem auffiel.
Nun läuft auch ein Insolvenzverfahren gegen die Verwaltung, es ist allerdings noch nicht klar, wie hoch genau die Insolvenzmasse ist.
Folgende Erfahrungen bzw. Hinweise möchte ich gerne außerdem mit anderen Wohnungseigentümer*innen teilen:
- Unsere Konten waren Treuhandkonten, das heißt die Verwaltung - und nicht die WEG - war Konteninhaberin. Das machte die Kontrolle praktisch unmöglich (siehe weitere Hinweise unten). Mir als Eigentümerin wurde von den Banken rigoros die Auskunft zu den Kontoständen verweigert mit Berufung auf das Bankgeheimnis.
- Kontoauszüge, falls nicht im Original direkt von der Bank erhalten, sollten Sie sich im Original von der Verwaltung zeigen und für eine genaue Prüfung zuhause kopieren lassen. Die Kontoauszüge sollten Sie stets bzw. der Beirat mit den Rechnungen der WEG abgleichen.
- Auf den Kontoauszügen die Zu- und Abgänge händisch addieren und mit dem Kontostand am Ende abgleichen.
- Prüfen, ob der auf dem Kontoauszug angegebene QR-Code funktioniert.
- Sollte kurzfristig das Bewirtschaftungskonto gewechselt werden (das war bei uns der Fall), sollten Sie hellhörig werden.
- Meine Erfahrung zeigt, dass die meisten Miteigentümer*innen eine Veruntreuung in der Regel nicht wahrhaben möchten. Man muss mit Verharmlosung und Abwiegelung rechnen und Fakten und Dokumente dagegenhalten. Man muss auch damit rechnen, dass sich Miteigentümer*innen, wenn sie von den Veruntreuungshinweisen aus den eigenen Reihen erfahren, anschließend an die Verwaltung wenden, die dann alles abstreitet oder eine scheinbar einleuchtende Erklärung parat hat. Dies bestärkt dann wiederum Miteigentümer*innen, dass doch alles in Ordnung ist. Hier müssen die Aufklärenden trotzdem dranbleiben und einen langen Atem haben."
Hinweise von Wohnen im Eigentum:
- Noch immer kommt es vor, dass WEG-Gelder auf unsicheren Treuhandkonten angelegt werden (wie im vorliegenden Fall). Treuhandkonten erkennen Sie daran, dass die Verwaltung und nicht die WEG Kontoinhaberin ist. Treuhandkonten sind weder pfändungs-, aufrechnungs- noch insolvenzsicher. WiE weist seit langem darauf hin, dass Treuhandkonten nicht den Regeln ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Da Treuhandkonten auch deutlich schwieriger zu kontrollieren sind als WEG-Eigenkonten, verleiten sie außerdem eher zu Missbrauch und Veruntreuung. Nähere Informationen sowie Muster-Beschlussvorlagen zur Umstellung von Treuhand- auf WEG-Eigenkonten finden Sie hier.
- Um die Kontenbewegungen zu prüfen, sollte Ihre WEG beschließen und im Verwaltervertrag vereinbaren, dass die Kontoauszüge von der Bank zweifach zugesendet werden – an die Verwalter*in und parallel direkt an den Verwaltungsbeirat. Wichtig ist, dass die Beiräte die Original-Kontoauszüge direkt von der Bank erhalten!
- Alternativ oder zusätzlich: Online-Einsichtsrechte in die WEG-Konten für mindestens ein Beiratsmitglied im Verwaltervertrag vereinbaren oder als WEG beschließen.
- Diesen und weitere Tipps, wie sich WEGs vor Veruntreuung schützen können, finden Sie im WiE-Ratgeber „Veruntreuung durch WEG-Verwalter*in? Warnzeichen erkennen, gezielt handeln, Schäden minimieren“ (für Mitglieder kostenlos zum Herunterladen). Lesen Sie darin auch, wie Sie eine Veruntreuung frühzeitig erkennen und dann rasch und gezielt handeln können.