15.04.2021. Über eine gescheiterte Flachdachsanierung berichtet WiE-Mitglied Hans M. Er möchte erreichen, dass Wohnungseigentümer lediglich mündlich gemeldete Schäden genau hinterfragen und WEGs sich durch planvolleres Vorgehen teure und am Ende unnütze Gutachten ersparen.

„Wir haben in unserer Wohnanlage 13 Flachdächer, die 48 Jahre alt sind. Unsere WEG umfasst 221 Wohneinheiten.

Im Dezember 2017 meldete ein Miteigentümer der Verwaltung, in seiner Wohnung in der obersten Etage habe es einen Wasserschaden gegeben. Die Verwaltung beauftragte daraufhin ohne Beschluss der Eigentümergemeinschaft und lediglich mündlich den ihr bekannten Bau-Ingenieur Herrn X., den Zustand von vier Dächern zu untersuchen, Kostenpunkt ca. 8.000 Euro. Die Schadensursache zu finden und Vorschläge zur Behebung zu machen, war allerdings nicht Teil des Auftrags. Im Mai 2018 lag dann das Gutachten vor: Ein Dach sei sofort zu erneuern – noch vor dem Winter, um zu erwartende Wasserschäden zu vermeiden. Die anderen drei Dächer müssten später erneuert werden. Warum es gerade vier von den 13 Dächern sein sollten, ist unbekannt.

Dieses Gutachten mit einem Umfang von 48 Seiten wurde uns Eigentümer*innen dann in der Eigentümerversammlung im Juni 2018 von der Verwaltung vorgestellt – zuvor waren wir weder über den Schaden noch über den Auftrag informiert worden. Laut Gutachten sollten vier der 13 Flachdächer für ca. 744.000 Euro erneuert werden (davon 94.000 Euro Honorarkosten für die Baubetreuung durch Herrn X). Der Schaden, der Auslöser des Ganzen war, wurde uns Eigentümern aber nie genauer vorgestellt.

In der Eigentümerversammlung beschlossen wir, dass Herr X. für 57.000 Euro ein Leistungsverzeichnis für ein Dach (280 Quadratmeter) erstellt und Angebote dafür einholt, außerdem sollte er auf Drängen der Verwaltung weitere drei Dächer weiter untersuchen und planen. Warum das gemacht werden sollte, ist uns nicht bekannt, wir haben es damals leider nicht weiter hinterfragt. Alle anwesenden und vertretenen 127 Eigentümer*innen stimmten dafür, es gab keine Enthaltung und keine Nein-Stimme.

Die Kosten für das erste neue Dach wurden jetzt mit 170.000 Euro brutto veranschlagt (pro Quadratmeter also ca. 600 Euro). Der Inhalt des Auftrags an Herrn X. wurde uns Eigentümer*innen aber nicht mitgeteilt, er wurde wieder nur mündlich erteilt.

Die Forderung von Miteigentümer*innen, doch zuerst Alternativlösungen zu ermitteln und darüber abstimmen zu lassen, waren übrigens bereits in einer Verwalterbesprechung vor der Eigentümerversammlung mit dem Argument abgeschmettert worden: „Für eine weitere Versammlung reicht die Verwaltervergütung nicht aus“. Auch in der Eigentümerversammlung wurde diese Forderung vom Verwalter nicht berücksichtigt – mit dem Argument, dass dafür jetzt keine Zeit sei.

Im August 2018 schrieb der Bauingenieur 25 Dachdeckerfirmen (!) an, bekam aber sofort 24 Absagen. Ursache der Absagen war, dass gefordert wurde, innerhalb der nächsten sechs Wochen mit der Arbeit zu beginnen. Es ist aber so, dass man dafür zweckmäßigerweise acht bis zwölf Monate einplanen sollte. Das eine verbliebene Angebot war nach Meinung der Verwaltung – mit ca. 850 Euro pro Quadratmeter – viel zu teuer und daher nicht verwertbar. Da man die Sache dann doch erstmal ruhen ließ, war der Wasserschaden wohl doch nicht so schlimm.

Einigen Eigentümer*innen und auch mir erschien das Honorar des Bauingenieurs zu hoch. Daraufhin vergab die Verwaltung ohne Beschluss (!) für fast 3.000 Euro an einen Rechtsanwalt für Baurecht den Auftrag, einen HOAI-Vertrag für den Bauingenieur auszuarbeiten. Das Ergebnis war, dass ihm nicht nur 57.000 Euro an Honorar zustehen, sondern ca. 97.000 Euro –- die Begründung für die Erhöhung blieb aber aus. Sie wurde von den Eigentümer*innen in der folgenden Versammlung aber auch nicht mehr nachgefragt: Dieser neue Vertrag wurde allen Eigentümer*innen per Verwalterschreiben übersandt; er konnte aber nicht mehr beschlossen werden, denn einen Tag vor der Eigentümerversammlung im April 2019 stellte Herr X. seine Arbeit mit der Begründung ein, er befürchte ein Ende vor Gericht. Abgerechnet wurden später ca. 16.000 Euro. Wie die Vertragsauflösung erfolgte, blieb verborgen.

Im Juli 2019 wurde auf Vorschlag der Verwaltung für 4.000 Euro ein weiteres Gutachten eines vereidigten Sachverständigen Herrn Y beschlossen und eingeholt. Dieses schlug ebenfalls die Erneuerung der Dächer vor. Nun sollten die Eigentümer*innen Vorschläge einbringen, welches Ingenieur-Büro geeignet wäre, diese Maßnahme zu übernehmen. Im Oktober 2019 unternahm die Verwaltung den Versuch, eine Ausschreibung dafür zu formulieren. Das war das letzte, was wir gehört haben, dann war Schluss. Das Ganze ist einfach so im Sand verlaufen.

Gekostet hat es uns aber kräftig, nämlich 8.000 Euro für das erste Gutachten des Herrn X, 3.000 Euro für den Rechtsanwalt, 16.000 Euro für die abgebrochenen Arbeiten des Herrn X und 4.000 € für das Gutachten von Herrn Y – das sind insgesamt 31.000 Euro für nichts und wieder nichts! Aber da das ja pro Einheit „nur“ rund 250 Euro sind, haben wir alle es geschluckt. So etwas kann wohl nur im Wohnungseigentum passieren. Von dem eingangs erwähnten Wasserschaden, der das Ganze ins Rollen brachte, hat man – auch auf Nachfrage – nichts mehr von der Verwaltung oder dem betroffenen Eigentümer gehört.

Interessehalber habe ich dann selbst auf eigene Kosten einen Bau-Ingenieur, der sich auf Flachdächer spezialisiert hat, für eine Stunde (120 Euro brutto) mit einer technischen Diskussion beauftragt. Es war erstaunlich zu sehen, wieviel man in einer Stunde klären konnte. Sein Vorschlag war, für ca. 30.000 Euro eine weitere Bitumen-Dichtung anzubringen, damit das Dach dicht sei. Das ist eine interessante Alternative, denn sie würde uns bei insgesamt 13 Dächern ca. 1,8 Millionen Euro an Baukosten und weitere 340.000 Euro an Honorarkosten ersparen. Die Teilsanierung aller 13 Dächer würde dann insgesamt nur ca. 450.000 Euro kosten. Ich frage mich, warum die beiden anderen Ingenieure diese Möglichkeit nicht vorschlugen.

Stand April 2021: Wir warten jetzt einfach ab, wie sich die Sache entwickelt.

Erfahrungsgemäß fassen Verwaltungen gescheiterte Sanierungen in den nächsten zehn Jahren nicht mehr an, zwei davon sind mittlerweile schon vergangen.

Nach dieser Erfahrung kann ich anderen Wohnungseigentümer*innen nur raten: Wenn ein Schaden Auslöser für eine umfassende Sanierung oder Teilsanierung sein soll, lassen Sie sich nicht mit der allgemeinen Bemerkung abspeisen, dass „ein Wasserschaden vorliegt“ –

verlangen Sie, dass Ihnen konkrete und dokumentierte Nachweise vorgelegt werden.

Außerdem sollte man bei Sanierungen daran denken, dass sie nicht immer so eilig sind, wie es dargestellt wird. Hier war es auch so: Erst sollte das Dach unbedingt noch vor dem Winter 2018 erneuert werden – und jetzt sind schon drei Winter vergangen, und es hat sich nichts getan.“

Hinweise von Wohnen im Eigentum:

  • Nach der neuen Rechtslage können WEGs die Rechte und Pflichte der Verwalter*innen per Beschluss regeln, zum Beispiel kann die WEG beschließen, bis zu welchem Betrag Verwalter*innen eigenständig Reparaturen oder Gutachten in Auftrag geben dürfen (das gern auch gedeckelt auf einen maximalen Jahresbetrag!), wann eine Zustimmung etwa des Verwaltungsbeirats einzuholen ist und ab welchem Betrag jedenfalls ein Beschluss der Eigentümerversammlung eingeholt werden muss. Das schafft dann klare Verhältnisse. Halten sich Verwalter*innen nicht daran, gelten Verträge nach außen zwar trotzdem, aber Verwalter*innen können dann in Regress genommen werden.
  • Insbesondere bei größeren Sanierungsvorhaben sollten alle Eigentümer*innen die Vorgehensweise diskutieren und gemeinsam einen Sanierungsfahrplan festlegen (kostenfreier Download auf der WiE-Website). Auf der Grundlage dieses „Fahrplans“ sind dann alle Eigentümer*innen von der Verwalter*in über alle Phasen zu informieren.
  • Abhängig davon, wie umfangreich eine Maßnahme ist, kann Ihre WEG vorbereitende Versammlungen und Gesprächsrunden vor der Eigentümerversammlung organisieren. Das ermöglicht es Ihnen, sich umfassend auszutauschen und kann verhindern, dass Sie in der Eigentümerversammlung wegen Zeitdrucks das Vorhaben nicht ausreichend behandeln können.
  • Bitte beachten Sie: Die Eigentümerversammlung ist nach der neuen Rechtslage immer beschlussfähig, unabhängig davon, wie viele Eigentümer*innen anwesend oder vertreten sind. Das bedeutet: Auch große, kostenintensive Maßnahmen können von einem kleinen Teil der Eigentümer*innen beschlossen werden.