08.11.2022. In der WEG von WiE-Mitglied Jörg M. wurde vor kurzem die Höhe der Zuführung zur Erhaltungsrücklage deutlich reduziert – da viele Miteigentümer*innen aufgrund der hohen Energiekosten in finanzielle Engpässe geraten sind. Lesen Sie im folgenden Erfahrungsbericht, warum der Wohnungseigentümer das kritisch sieht.

„Wir sind eine kleine WEG mit acht Wohneinheiten (sieben Eigentümer). Im Juli hatten wir unsere Eigentümerversammlung. Da viele der Eigentümer mit den gestiegenen Energiekosten zu kämpfen haben, wurde in der Versammlung beschlossen, die Höhe der Zuführung zur Erhaltungsrücklage zu reduzieren – von insgesamt 10.000 Euro auf 2.500 Euro im Jahr. Die Zuführung zur Rücklage wird laut unserer Teilungserklärung nach den Miteigentumsanteilen verteilt. Für meine Wohnung mit rund 64 Quadratmetern (Miteigentumsanteile: 123/1000) bezahle ich jetzt monatlich nur noch 25,63 Euro – statt zuvor 102,50 Euro. Das ist schon ein enormer Unterschied.

Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass viele Eigentümer angesichts der hohen Energiekosten mit dem Rücken zur Wand stehen. Ein niedrigeres Hausgeld verschafft ihnen nun Spielraum, um diese Kosten zu decken.

Ich verstehe diese Zwänge natürlich, allerdings sehe ich diesen Beschluss auch als problematisch an. Denn eigentlich brauchen wir dringend ausreichend finanzielle Mittel für anstehende Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1951 und es wurde seither kaum etwas modernisiert – abgesehen vom Einbau einer neuen Gas-Zentralheizung im Jahr 2015 und der Neugestaltung des Zugangsweges. So ist beispielsweise weder unser Dach noch die Außenfassade gedämmt. Im Jahr 1998, kurz bevor ich meine Wohnung gekauft habe, wurde von den damaligen Eigentümern leider beschlossen, dass die Enthaltungsrücklage auch für das Begleichen von Hausgeldrückständen und Nebenkosten-Nachzahlungen genutzt werden darf. Aus diesem Grund fällt die angesparte Summe heute recht gering aus.

Problematisch ist, dass das Wohnungseigentumsgesetz keine bestimmte Höhe der Rücklage vorschreibt, sondern lediglich von einer „angemessenen Erhaltungsrücklage“ die Rede ist. Das ist natürlich ein dehnbarer Begriff – und genau darauf haben sich nun die meisten Miteigentümer auch berufen. Ich habe in dem Zusammenhang erfolglos auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf verwiesen, das sich auf die Zweite Berechnungsverordnung stützt. Diese dient als Berechnungsgrundlage im sozialen Wohnungsbau und wird auch im Wohnungseigentumsrecht angewandt – um zu sagen, welche Beträge als Erhaltungsrücklage vernünftig wären, also ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Demnach wären – abhängig vom Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Gebäudes – in unserer WEG 14,92 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr vernünftig. Das wären für meine Wohnung jährlich 974,51 Euro, statt jetzt 307,50 Euro, also eine deutlich höhere Summe.

Der Punkt 'Modernisierung des Gebäudes' wird in unserer WEG also erstmal auf unbestimmte Zeit in die Zukunft verschoben – vielleicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag? Ich habe die Befürchtung, dass ein Sanierungsstau entsteht bzw. irgendwann eine Maßnahme nötig sein wird, die richtig teuer sein wird – und wir uns dann fragen müssen, wie wir diese stemmen können. Zwar gibt es für WEGs die Möglichkeit, einen Kredit aufzunehmen, aber von dieser Idee ist keiner von uns begeistert.

Abgesehen davon, dass Wohnungseigentümer bei der Festlegung der Höhe der Erhaltungsrücklage einen weiten Ermessensspielraum haben, was ich für problematisch halte, haben wir folgendes Problem: Unsere Teilungserklärung aus dem Jahr 1991 schreibt vor, dass für Sanierungsmaßnahmen stets Allstimmigkeit erforderlich ist. Diese Regelung blockiert natürlich vieles, da Allstimmigkeit sehr schwer zu erreichen ist – besonders jetzt, wo die finanzielle Lage vieler Miteigentümer sehr angespannt ist.

Vom Gesetzgeber hätte ich mir bei der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes unter anderem gewünscht, dass – wie in Österreich – eine bestimmte Höhe der Erhaltungsrücklage gesetzlich vorgeschrieben wird. Außerdem fände ich es sinnvoll, dass es für WEGs verpflichtend ist, einen Verwaltungsbeirat zu haben. Wir haben seit längerem leider keinen Beirat, niemand möchte Verantwortung übernehmen.“

Hinweise von WiE:

Ob bestimmte Klauseln in Teilungserklärungen, wie etwa die genannte Klausel zu Sanierungsmaßnahmen, wirksam sind, ist fraglich. Hintergrund: Mit den Reformen des Wohnungseigentumsgesetzes 2007 und 2020 können Klauseln in Teilungserklärungen unwirksam geworden sein. Sind Sie unsicher, ob dies bei Ihrer Teilungserklärung der Fall ist, nehmen Sie gerne unsere kostenlosen telefonischen Rechtsauskünfte für Mitglieder in Anspruch.

Wohnungseigentümergemeinschaften sind dazu verpflichtet, eine Rücklage für Erhaltungsmaßnahmen zu bilden. Die Erhaltungsrücklage (früher: Instandhaltungsrücklage) dient in erster Linie der Ansparung von Rücklagen für Erhaltungsmaßnahmen, sei es für einzelne Reparaturen oder eine in den nächsten Jahren notwendige energetische Sanierung. Die Rücklage dient nicht zum Bezahlen laufender Betriebskosten.

Wie hoch die Erhaltungsrücklage sein muss und in welchem Zeitraum sie angespart werden muss, ist aber nicht vorgeschrieben. Im Wohnungseigentumsgesetz heißt es, das Ansammeln einer angemessenen Erhaltungsrücklage entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 19 Absatz 2 WEGesetz). Was unter „angemessen“ zu verstehen ist, definiert das Gesetz allerdings nicht. Hier haben WEGs also einen Ermessensspielraum.