Rechtsklarheit im System, neue Unsicherheit in der Praxis / Viele Verfahrensfragen offen / Keine direkte Teilhabe der Wohnungseigentümer am Gesetzgebungsverfahren
24.11.2020. Gravierende Änderungen kommen ab dem 01.12.2020 auf die Eigentümer von rund 10 Millionen Wohnungen bundesweit zu. Mit der umfassenden Reform des Wohnungseigentumsgesetzes erhält die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) als Verband die gesamte Verantwortung für die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Neu definiert wurden die Position der einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber der WEG, die Verwalterstellung und die Stellung des Beirats. Praxisprobleme der Wohnungseigentümer wurden nicht aufgegriffen. Offen bleibt jetzt, wie die Eigentümer mit der neuen Situation und vielen praktischen Verfahrensfragen zurechtkommen können.
Das neue Gesetz zeichnet sich durch eine neue, eindeutige Rollenverteilung aus. Das schafft Rechtsklarheit. Aber wie die WEG als ein abstrakter Verband agieren kann, ist für die Eigentümer noch vollkommen unklar. Fragen über Fragen werden gerade an Wohnen im Eigentum (WiE) herangetragen – Beispiele:
- Müssen jetzt ganz viele außerordentliche Eigentümerversammlungen abgehalten werden, damit die Eigentümer ihre Wünsche an die WEG herantragen können?
- Wie muss und darf der Verwaltungsbeirat den Verwalter überwachen?
- Wann und wie weit dürfen Verwaltungsbeiratsvorsitzende ohne Beschluss der WEG gegenüber Verwaltern vorgehen?
- Kommt eine Flut von Gerichtsverfahren auf die WEGs zu, um die vielen offenen Verfahrensfragen, Zuständigkeiten und Ansprüche zu klären?
Mit solchen Fragen hat sich das Bundesjustizministerium (BMJV), das die Gesetzesvorlage geliefert hat, nicht befasst. Die Vorgehensweise zum Gesetz war rein juristisch-akademisch, aus der Sicht der Wohnungseigentümer nicht praxis- und problembezogen. Mehr Rechtsklarheit im System schafft neue Unsicherheit in der Praxis – die Gebrauchsanweisung bleibt das BMJV den Eigentümern schuldig.
Dazu passt die fehlende direkte Beteiligung der Wohnungseigentümer bereits im Gesetzgebungsverfahren – die WiE als einen wesentlichen Schwachpunkt kritisiert. Zwar wurden die allgemein eingeführten Beteiligungsverfahren hin zu einem Gesetzentwurf formal eingehalten – es wurden Stellungnahmen von Verbänden eingeholt, auch von WiE. Aber eine breite, öffentliche Diskussion wurde gescheut. Erst die Regierungsparteien im Bundestag haben erkannt, dass die Praxis zu kurz kam, und zumindest noch einige wichtige Korrekturen durchgesetzt. Doch mit den Fragen zur Umsetzung – und mit so manchem aus praktischer Sicht wichtigen, in der Reform aber gar nicht angefassten Problem – bleiben die Wohnungseigentümer und ihre Verbände jetzt allein.
Lesen Sie dazu auch den ausführlichen Kommentar von WiE-Vorstand Gabriele Heinrich: „Neues WEGesetz: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie … – ja wen denn?“