15.06.2023. Die rechtlichen und bürokratischen Hürden für eine gemeinschaftliche Photovoltaik-Anlage sind für WEGs derzeit noch sehr hoch. Steckersolargeräte, auch Mini-PV-Anlagen genannt, sind einfacher umzusetzen. Um Kosten zu sparen und ein einheitliches Erscheinungsbild zu wahren, hat eine WEG in Bonn ein gemeinschaftliches Vorgehen gewählt und insgesamt acht Mini-PV-Anlagen auf dem Flachdach montieren lassen. Lesen Sie hier, wie das Projekt umgesetzt wurde.

In der WEG hatte ein Wohnungseigentümer die Genehmigung zur Installation eines Stecker-Solargeräts an der Brüstung seines Balkons beantragt. Was ist aber mit den übrigen Eigentümern, die nicht alle über einen großen Südbalkon verfügen, aber vielleicht auch gerne Solarstrom produzieren würden? Und könnte die Mini-PV-Anlage am Balkon die Optik der Fassade beeinträchtigen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich Verwalter Dr. Guido Marx.

Er lotete das Interesse der anderen Eigentümer aus und es zeigte sich, dass sich insgesamt acht von 15 Eigentümern eine Mini-PV-Anlage vorstellen konnten. Nun wollte er eine gemeinschaftliche Lösung für diese interessierten Eigentümer finden, die aber keine optische Beeinträchtigung und keinen „Wildwuchs“ an der Fassade zur Folge hatte, um Konflikte innerhalb der WEG von vornherein zu vermeiden.

Installation der Mini-PV-Anlagen
Foto: Guido Marx

Montage auf Flachdach: Keine Beeinträchtigung der Optik

Die Wohnungseigentumsanlage verfügt über ein großes Flachdach, das genug Platz für mehrere Stecker-Solargeräte bietet. So entstand die Idee, die Anlagen hier zu installieren, statt üblicherweise an den Balkonen. Damit war auch die Frage nach einer Beeinträchtigung der Optik vom Tisch. Außerdem lassen sich die Module auf dem Flachdach perfekt ausrichten, damit alle Eigentümer denselben Ertrag erwarten können, unabhängig von der Lage ihrer Balkone. Verschattungen sind hier ebenso kein Hindernis.

Eigentlich perfekt, doch wie kommt der hier erzeugte Strom in den Stromkreis der einzelnen Wohnungen?

Die Installation der Anlagen wurde im Februar durch eine Fachfirma innerhalb von zwei Tagen durchgeführt. Über einen nicht genutzten Kaminschacht wurden sämtliche Kabel vom Dach in den Keller geführt – auf demselben Weg wie die Signalleitung der gemeinschaftlichen Sattelitenempfangsanlage. Im Keller angekommen, wurden alle Leitungen auf den zugehörigen Wechselrichter der jeweiligen Wohnung aufgelegt. Die Wechselrichter wurden dafür auf einer Montageplatte montiert, wodurch die rückwärtige Kabelzuführung optisch ansprechend verdeckt wird. Von hier aus ist es nun nicht mehr weit bis in den Elektroabschlussraum, wo die 220 Volt-Einspeisung in die Stromkreise der einzelnen Wohnungen erfolgt. Die Wechselrichter werden per Internetverbindung überwacht, so dass Störungen rechtzeitig erkannt werden. Und über eine App hat jeder Eigentümer die erzeugte Leistung seiner Mini-PV-Anlage im Blick.

Möglich wurde all dies auch deshalb, weil Verwalter Guido Marx eine spezialisierte Firma fand, die alles aus einer Hand anbietet, auch die Anmeldung beim Netzbetreiber – was gar nicht einfach war. „Viele Unternehmen haben, so ist mein Eindruck, bisher nur die Einfamilienhausbesitzer als Kunden auf dem Schirm, und nicht die Wohnungseigentümergemeinschaften“, so Dr. Marx. Dabei verfügen WEGs nicht selten über große Dachflächen, die sich für die Produktion von Solarstrom gut eignen. „Das Thema liegt mir sehr am Herzen. Jede noch so kleine Solaranlage hilft, nachhaltige Energien voranzutreiben.“ Deshalb ist er nun dabei, seine in diesem Projekt gesammelten Erfahrungen auch in anderen WEGs einzubringen und dort Mini-PV-Anlagen als Gemeinschaftsprojekte zu realisieren.

Die acht Eigentümer der Bonner WEG jedenfalls freuen sich nun über ihren eigenen Solarstrom. Insgesamt 1.500 Euro hat jeder von ihnen bezahlt, inklusive Montage und Anmeldung beim Netzbetreiber. Von der Diskussion und Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung bis zur Fertigstellung und Inbetriebnahme sind nur etwa zwei Monate vergangen.

Hinweise und Tipps von WiE:

  • Dr. Guido Marx hat sein Projekt im Rahmen einer WiE-Online-Veranstaltung am 24.05.2023 vorgestellt. Die Folien der Veranstaltung können Sie sich als Mitglied kostenfrei herunterladen, bitte hierzu erst auf der Website einloggen und dann hier klicken.
  • Bei der Installation eines Steckersolargeräts (Mini-PV-Anlage) handelt es sich um eine bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum, der die WEG mit einfacher Mehrheit zustimmen muss. In Kürze soll dies als privilegierte Maßnahme ins Wohnungseigentumsgesetz aufgenommen werden, was bedeutet, dass jede Wohnungseigentümer*in einen Rechtsanspruch auf das Anbringen einer solchen Anlage bekommen soll. Noch ist allerdings nicht klar, wie eng genau dieser Anspruch gefasst sein wird – ob er beispielsweise auch das Anbringen der Geräte auf (Garagen)Dächern umfassen wird.
  • Erkundigen Sie sich im Vorfeld bzw. beauftragen Sie die Verwaltung, sich über mögliche Förderangebote Ihrer Kommune zu informieren. Vielleicht können Sie dort auch anregen, die Fördermöglichkeiten (falls vorhanden) für Mini-PV-Anlagen auf Flachdächer zu erweitern.