Wohnen im Eigentum (WiE) begrüßt geplante Privilegierung von Balkonkraftwerken / Rein virtuelle Eigentümerversammlung beschneidet Kernrecht auf Wohnungseigentum / Online unerfahrene Eigentümer*innen nicht ausgrenzen

30.05.2023 Ein nun bekannt gewordener Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums (BMJ) enthält zwei Änderungen des Wohnungseigentumsgesetzes (WEGesetz). Die von WiE bereits länger geforderte Privilegierung von Balkonkraftwerken wird begrüßt. Die gleichzeitige Einführung einer reinen Online-Eigentümerversammlung, mit der das Recht auf Teilnahme in Präsenz ausgehebelt werden kann, gefährdet jedoch den Schutz von online unerfahrenen Wohnungseigentümer*innen. Vergleiche mit Aktionärsversammlungen halten nicht stand. Das Recht, physisch an einer Versammlung teilzunehmen, darf nicht zur Disposition stehen, da Eigentümerversammlungen schon jetzt hybrid durchgeführt werden können und damit allen Interessen gedient ist.

Der bekannt gewordene Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz enthält nicht nur die Privilegierung von Balkonkraftwerken, die Wohnen im Eigentum (WiE) unterstützt, sondern birgt die Gefahr, dass der Minderheitenschutz und die Kernrechte der Wohnungseigentümer*innen auf Teilnahme an Eigentümerversammlungen gleich mit ausgehebelt werden. Die Privilegierung von Balkonkraftwerken (steckerfertigen Mini-Photovoltaik-Anlagen) entspricht einer Forderung, die WiE bereits im vergangenen Jahr gestellt hat. Sowohl Wohnungseigentümer*innen als auch Mieter*innen sollen einen Anspruch auf die Installation von Balkonkraftwerken haben und so ihre Stromkosten reduzieren können. „Allerdings wirft die sehr allgemeine Formulierung Fragen zum Umfang des Anspruchs auf und birgt die Gefahr, dass Konkretes zur Installation langwierig auf dem Rechtsweg festgelegt werden muss“, sagt Michael Nack, Rechtsreferent von WiE.

Ganz nebenbei: Änderungen für die Stimmrechtsausübung geplant

Der Entwurf enthält aber eine weitere Regelung, die erheblich in die Kernrechte der Eigentümer*innen eingreift: Wohnungseigentümergemeinschaften sollen mit einer 3/4-Mehrheit beschließen können, dass Eigentümerversammlungen nur noch virtuell stattfinden sollen. Ein persönlicher Austausch in einem realen Versammlungsraum soll nach dem Willen dieser Mehrheit für bis zu 3 Jahre ausgeschlossen werden können. Das stellt einen erheblichen Eingriff in das Kernrecht des Wohnungseigentums dar und kann dazu führen, dass online nicht versierte Eigentümer*innen ausgegrenzt werden. „Ihr Teilnahmerecht wird ausgehöhlt oder vereitelt“, sagt Nack. Der Entwurf geht sogar noch weiter als frühere Überlegungen des Ministeriums, wonach für diesen Beschluss Einstimmigkeit nötig gewesen wäre. „Damit wird der Minderheitenschutz auf Dauer ausgehebelt“, so Nack. Nach Kenntnis von WiE ist der Entwurf noch nicht mit anderen Ministerien abgestimmt.

Eigentümerversammlungen sind keine Aktionärsversammlungen

Vorbild für die Neuregelung im Referentenentwurf sind Aktionärs- oder Gesellschafterversammlungen, wo virtuelle Versammlungen zulässig sind. Das Wohnungseigentum und die Themen in einer Eigentümerversammlung unterscheiden sich jedoch grundlegend von diesen. Es geht oft um den Lebensmittelpunkt – die selbst genutzte Wohnung – und Konsequenzen von existenzieller Bedeutung für die Eigentümer*innen. Es gehört zum Wesen einer Eigentümerversammlung, Diskussionen von Angesicht zu Angesicht führen zu können. Gerade bei komplexen Fragen wie einem Heizungstausch müssen alle Eigentümer*innen ins Boot geholt werden und die Möglichkeit zur Mitsprache haben.

Referentenentwurf ist eine „vergiftete Frucht“

Als die WEG-Reform zum 01.12.2020 in Kraft trat, herrschte Einigkeit, dass das Recht von Eigentümer*innen, physisch an der Versammlung teilzunehmen, nicht zur Disposition der Mehrheit steht. Das steht auch in der damaligen Gesetzesbegründung. Zugelassen ist seitdem ein Beschluss für hybride Versammlungen. „Das ermöglicht Eigentümern, die nicht persönlich teilnehmen können, die Ausübung ihrer Rechte, schränkt aber nicht die Rechte der übrigen Eigentümer ein. Das ist Inklusion. Der geplante Referentenentwurf ist das Gegenteil – eine Diskriminierung“, so Nack.

So begrüßenswert die Regelung zu Balkonkraftwerken ist, darf nicht gleichzeitig ein gravierender Einschnitt in die Kernrechte der Eigentümer*innen mitbeschlossen werden. „Der Referentenentwurf ist für die Eigentümer eine ‚vergiftete Frucht‘ – er darf so keinesfalls zum Gesetz werden“, betont Nack.

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