01.12.2022. Durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes ist für Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs), die sich selbst verwalten, die Frage entstanden, wer sie vor Gericht vertritt, wenn es zu einer Klage gegen eine einzelne Wohnungseigentümer*in kommt oder wenn sie umgekehrt von einer Eigentümer*in verklagt wird, denn Klagen sind nun stets gegen die Gemeinschaft (WEG) zu richten – und nicht mehr, wie vor der Reform, gegen die übrigen Miteigentümer*innen. Problem in verwalterlosen WEGs: Da keine Verwaltung vorhanden ist, die die WEG vertritt, würde die klagende Eigentümer*in im Rechtsstreit vor Gericht sowohl auf der Kläger- als auch auf Beklagtenseite stehen müssen. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage nun in zwei Entscheidungen geklärt.

Laut Wohnungseigentumsgesetz wird eine WEG – wenn sie keine Verwalter*in bestellt hat – durch die Wohnungseigentümer*innen gemeinschaftlich vertreten (§ 9b WEGesetz) – und zwar durch alle Eigentümer*innen, ohne Ausnahme.

Seit der WEGesetz-Reform 2020 müssen einzelne Eigentümer*innen Klagen stets gegen die Gemeinschaft (WEG) richten – und nicht mehr, wie vor der Reform, gegen die übrigen Miteigentümer*innen. Das hat in verwalterlosen WEGs zu einem Problem geführt: Da kein Verwalter*in vorhanden ist, die die WEG vertritt, würde die klagende Eigentümer*in im Rechtsstreit vor Gericht sowohl auf der Kläger- als auch auf der Beklagtenseite stehen. Einen Prozess gegen sich selbst zu führen, ist aber unzulässig.

Wie dieses Dilemma zu lösen ist, hat der BGH nun entschieden: Demnach wird die WEG – wenn keine Verwaltung bestellt ist – von den übrigen, nicht klagenden Eigentümer*innen, vertreten. Das gilt dann, wenn eine einzelne Eigentümer*in

  • einen Beschluss anficht,
  • auf Nichtigkeit eines Beschlusses klagt oder
  • eine Beschlussersetzungsklage führt.

Die bisher streitige Frage, ob für die WEG zur Vertretung im Prozess erst umständlich eine Prozesspfleger*in bestellt werden muss, die einige Gerichte bisher bejaht haben, ist somit vom Tisch.

Im verhandelten Fall (BGH V ZR 202/21, Versäumnisurteil vom 08.07.2022) hatte eine Wohnungseigentümerin, deren verwalterlose WEG aus zwei Parteien besteht, eine Beschlussersetzungsklage eingereicht. Mit dieser wollte sie erreichen, dass eine bestimmte Verwalterin bestellt wird. Das Amtsgericht gab ihr Recht. Dagegen legte die WEG, vertreten nur durch den anderen Wohnungseigentümer, Berufung ein. Das hielt das Berufungsgericht für zulässig. Der BGH bestätigt diese Auffassung: Ist eine Wohnungseigentümer*in – wie hier die Klägerin – aufgrund ihrer Stellung im Prozess daran gehindert, die Gemeinschaft zu vertreten, „wächst die Vertretungsmacht den übrigen Wohnungseigentümern an“. Das war in dem Fall der einzige andere Wohnungseigentümer.

Auch für den umgekehrten Fall gibt es nun Klarheit: Verklagt eine verwalterlose WEG eine Eigentümer*in, zum Beispiel auf Zahlung einer beschlossenen Sonderumlage (wie im verhandelten Fall, BGH V ZR 180/21, Urteil vom 16.09.2022), wird die Gemeinschaft von allen Eigentümer*innen mit Ausnahme der verklagten Eigentümer*in vor Gericht vertreten.

„Beide Urteile sind für selbstverwaltende WEGs wichtig“, erläutert WiE-Rechtsreferent Michael Nack, „denn sie bedeuten für alle Beteiligten eine deutliche Erleichterung und mehr Klarheit in der Prozessführung, falls der Gang zum Gericht unvermeidlich ist.“

Allerdings sollte man stets im Hinterkopf behalten: Die WEG ist rechtsfähig. „Nur sie ist Partei des Rechtsstreits – nicht die übrigen Eigentümer*innen“, betont Michael Nack. Sie wird aber, wie der BGH jetzt klargestellt hat – durch die übrigen Eigentümer*innen vertreten. Wer Partei ist (die WEG!) und wer sie im Streit mit einem oder einer Eigentümer*in vertritt (die übrigen Eigentümer*innen!) darf also nicht verwechselt oder gleichgesetzt werden!

Folgendes sollten selbstverwaltende WEGs beachten: Kommt es zu einer Anfechtungsklage oder einer Beschlussersetzungsklage einer Eigentümer*in gegen die WEG oder ist umgekehrt eine Klage gegen eine Eigentümer*in erforderlich, können die übrigen Eigentümer*innen regeln, dass nur eine von ihnen die WEG vor Gericht vertreten soll. Das ist möglich über einen Geschäftsverteilungsplan (siehe hierzu auch das WiE-Themenpaket „Selbstverwaltung“) oder über eine sogenannte Vertreterermächtigung. In dem Zusammenhang wird es meistens auch sinnvoll sein, eine Eigentümer*in zu bevollmächtigen, einen Rechtsanwalt für die WEG zu beauftragen.