19.06.2023. Die Installation eines Steckersolargeräts, auch Mini-PV-Anlage genannt, am Balkon braucht einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft. WiE-Rechtsreferent Michael Nack gibt Tipps, wie Eigentümer*innen und WEGs vorgehen sollten und informiert, was sich in Kürze rechtlich ändern wird. Steckersolargeräte sollen in den Katalog der privilegierten Maßnahmen (§ 20 Wohnungseigentumsgesetz) aufgenommen werden.
WEGs werden dann die Installation einzelnen Eigentümer*innen nicht mehr verweigern können. Die geplante Gesetzesänderung, die Wohnen im Eigentum bereits seit langem fordert, wird allerdings voraussichtlich erst nach der Sommerpause vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden.
WiE: Dürfen Wohnungseigentümer*innen nach derzeitiger Gesetzeslage ein Steckersolargerät am Balkon im Alleingang anbringen?
Michael Nack: „Nein. Auch wenn die Montage eines solchen Geräts technisch gesehen in der Regel recht einfach ist, müssen Wohnungseigentümer*innen zunächst ihre Wohnungseigentümergemeinschaft um Erlaubnis fragen und die Zustimmung in der Eigentümerversammlung einholen. Denn es handelt sich hierbei um eine bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum – die Balkonbrüstung ist Teil der Fassade und somit Gemeinschaftseigentum.“
WiE: Ein Beschluss ist also immer nötig?
Michael Nack: „Ja. Eine bauliche Veränderung liegt nämlich nicht nur dann vor, wenn in die Substanz des Gemeinschaftseigentums eingegriffen wird, z.B. durch Bohren, sondern auch dann, wenn sich durch die Maßnahme eine dauerhafte optische Veränderung ergibt – die auch alleine durch das Anschrauben entstehen kann. In einem Urteil des Amtsgerichts Konstanz wurde dies einmal als „Zahnlückenanblick“ beschrieben. Montieren Sie also als Wohnungseigentümer*in ein Steckersolargerät ohne Beschluss, besteht das Risiko, dass Sie es wieder zurückbauen müssen. Das möchte man natürlich vermeiden.“
WiE: Wie sollten Wohnungseigentümer*innen vorgehen?
Michael Nack: „Sie müssen einen Gestattungsbeschluss in der Eigentümerversammlung einholen. Hierfür reicht die einfache Mehrheit aus. Wichtig ist, dass der Beschlussantrag die bauliche Veränderung nach Art, Maß und Umfang genau beschreibt. Es muss für jede Miteigentümer*in daraus klar hervorgehen, was, wann, wo, von wem und mit welchen Mitteln errichtet oder verändert wird. In dem Zusammenhang ist auch wichtig, dass das Steckersolargerät sicher montiert wird, sodass von dem Gerät keine Gefahr für Dritte ausgeht.“
WiE: Gibt es eine Möglichkeit, wie WEGs das Thema Steckersolargeräte steuern können?
Michael Nack: „WEGs können einen sogenannten Vorratsbeschluss fassen. In diesem können sie für die Zukunft festlegen, dass Eigentümer*innen ein Steckersolargerät installieren dürfen, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Diese müssen in dem Vorratsbeschluss genau definiert werden. Der große Vorteil: Liegt ein solcher Beschluss vor, können Eigentümer*innen jederzeit ein Steckersolargerät installieren, ohne auf die nächste Eigentümerversammlung, die in der Regel ja nur einmal jährlich stattfindet, warten zu müssen. Außerdem kann es WEGs damit gelingen, einen ‚Wildwuchs‘ an ihrer Fassade zu vermeiden und ein möglichst einheitliches Erscheinungsbild zu schaffen. Unseren Mitgliedern stellen wir hierfür eine neue Muster-Beschlussvorlage zur Verfügung (bitte erst einloggen, dann hier klicken).“
WiE: „Macht es für WEGs auch Sinn, gemeinsam vorzugehen?“
Michael Nack: „Ja, das kann sinnvoll sein, wie ein aktuelles Praxisbeispiel einer Bonner Eigentümergemeinschaft zeigt. WEGs, am besten der Beirat, können ausloten, ob mehrere Eigentümer*innen Interesse an dieser Maßnahme haben und diese dann bündeln und gemeinsam auf den Weg bringen. Dieses Vorgehen ermöglicht es, ein einheitliches optisches Erscheinungsbild zu gewährleisten und ggf. auch Kosten zu sparen. Wollen mehrere Wohnungseigentümer*innen die Installation eines jeweiligen Stecker-Solargeräts gemeinsam umsetzen, sollte die WEG in der nächsten Eigentümerversammlung beschließen, dass die Maßnahme ‚aus einer Hand‘ erfolgen soll und die Verwaltung beauftragt wird, Kostenangebote einzuholen. Den Eigentümer*innen wird dann die Gelegenheit gegeben, innerhalb einer Frist zu erklären, ob sie das Angebot in Anspruch nehmen wollen.“
WiE: Und was ändert sich für Wohnungseigentümer*innen, wenn die Installation eines Steckersolargeräts eine privilegierte Maßnahme im WEGesetz ist?
Michael Nack: „Dann wird jede einzelne Eigentümer*in einen Rechtsanspruch auf Durchführung dieser Maßnahme haben. Neu wird sein: Die WEG kann die Installation dann nicht mehr – wie bisher z.B. wegen „optischer Beeinträchtigung“ – ablehnen. Sie kann allerdings den installationswilligen Eigentümer*innen Auflagen zur Durchführung machen. Das bedeutet: Eigentümer*innen müssen auch dann ihren Antrag in die Eigentümerversammlung einbringen. Falls die WEG dem Beschlussantrag nicht zustimmt, wird man die Zustimmung aber gerichtlich mit einer Beschlussersetzungsklage erzwingen können. Wir gehen allerdings davon aus, dass dies in der Praxis nur selten vorkommen wird, da die meisten Eigentümer*innen einen Rechtsstreit vermeiden möchten.“
Hinweise von WiE:
- Nicht nur Steckersolargeräte, sondern auch PV-Anlagen auf Dächern sollten nach Auffassung von WiE in den Katalog der privilegierten Maßnahmen im Wohnungseigentumsgesetz aufgenommen werden. Diese und weitere Forderungen von Wohnen im Eigentum in Bezug auf Solarstrom und WEGs können Sie in unserer Stellungnahme zur Solarstrategie der Bundesregierung nachlesen.