12.01.2023. WiE-Mitglied Christian S. ist Beirat einer WEG mit 63 Parteien in München. Er ging davon aus, dass seine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ihm die Kosten für die Teilnahme an einer Verwaltungsbeiräte-Schulung erstattet – was aber nicht der Fall war. Auch vor Gericht bekam er nicht Recht. Lesen Sie hier, worauf Sie als Beirat im Vorfeld achten sollten, wenn Sie sich fortbilden möchten.

Der Wohnungseigentümer hatte sich auf Vorschlag von Miteigentümer*innen in den Verwaltungsbeirat wählen lassen und wollte sich für dieses Ehrenamt fortbilden. Daher nahm er im Februar 2020 an einer zweitägigen Schulung für Verwaltungsbeiräte teil.

Grundsätzlich können Beiratsmitglieder laut Bürgerlichem Gesetzbuch (§ 670 ff.) die Erstattung der Kosten und Auslagen für ihr Amt verlangen. Zu den möglichen Aufwandsentschädigungen zählen neben Porto-, Telefon- und Fahrtkosten auch Fachliteratur und die Teilnahme an Ausbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen.

Die Aufwendungen für die Schulung (Fahrt, Kosten der Schulung, Übernachtung) in Höhe von 440 Euro stellte Christian S. danach der WEG in Rechnung. Doch in der Eigentümerversammlung im November 2021 wurde ein Beschluss gefasst, wonach ihm die Kosten nicht erstattet werden.

Christian S. wollte das nicht hinnehmen und erhob Anfechtungsklage gegen den Beschluss. Doch das Amtsgericht München gab der WEG Recht. Leider waren keine Rechtsmittel zugelassen, d.h. der Kläger konnte keine Berufung einlegen – und bleibt nun auf den Kosten sitzen. Der Wohnungseigentümer schreibt WiE hierzu: „Das Amtsgericht tritt hier Eigenverantwortung und Qualifizierung der Wohnungseigentümer mit Füßen.“

Wohnen im Eigentum hält die Auffassung des Gerichts an mehreren Punkten für falsch:

  • In der Begründung des Gerichts heißt es, dass es für die Erforderlichkeit eines Seminarbesuchs darauf ankäme, ob der Beirat weitere Aufgaben – über die gesetzlichen Aufgaben hinaus – übernehme. Diese Auffassung trifft aus Sicht von WiE nicht zu! Wenn Wohnungseigentümer*innen das Amt des Verwaltungsbeirats übernehmen, können sie erwarten, dass ihnen auch die Aufwendungen für eine Schulung, die die notwendigen Grundkenntnisse für diese Tätigkeit vermittelt, von der WEG erstattet werden – unabhängig davon, ob der Beirat zusätzliche Aufgaben (z.B. die technische Überwachung eines Schwimmbads der WEG) übernimmt.
  • Das Gericht hat argumentiert, eine WEG mit 63 Einheiten sei nicht groß und daher sei eine Schulung für Beiräte in diesem Fall nicht erforderlich. Doch die Größe der WEG spielt keine Rolle bei der Frage, ob eine Aufwandsentschädigung für eine Schulung grundsätzlich zu erstatten ist. Denn es gibt keine „Beiräte 1. Klasse für große WEGs“ und „Beiräte 2. Klasse für kleine WEGs“. Die Beiratsaufgaben – die Verwaltung zu unterstützen und zu kontrollieren – sind nach dem Wohnungseigentumsgesetz für alle Beiräte gleich. Deshalb ist der Besuch einer Schulung unabhängig von der Größe der WEG sinnvoll und erforderlich.
  • Und selbst dann, wenn es auf die Größe der WEG ankommen sollte, kann eine WEG mit 63 Einheiten nicht als kleine, sondern als „größere“ WEG gelten. Denn laut WEGesetz haben Eigentümer*innen in WEGs mit neun oder mehr Sondereigentumsrechten ab 01.12.2023 einen Anspruch auf die Bestellung einer zertifizierten Verwalter*in. Das bedeutet: Gerade in großen WEGs, mit neun oder mehr Sondereigentumsrechten, ist ein oder eine besonders qualifizierte Verwalter*in aufgrund der Größe der WEG nötig – und insbesondere hier sind gut geschulte Beiräte erforderlich.
  • Das Gericht bemängelte in seinem Urteil, dass die Entscheidung der Verwaltung nicht vorher eingeholt wurde, sondern die WEG „vor vollendete Tatsachen“ gestellt wurde. „Er (Anmerkung von WiE: der Beirat) hätte zunächst eine Entscheidung über die erforderlichen Aufwendungen herbeiführen müssen. […] Der Kläger wäre verpflichtet gewesen, die Verwaltung hierüber vorab in Kenntnis zu setzen und eine Entscheidung hierüber herbeizuführen“.

Um Unklarheiten und Streitigkeiten in Bezug auf Fortbildungskosten zu vermeiden, empfiehlt WiE folgendes Vorgehen:

  • Statt im Nachhinein einen Beschluss über entstandene Kosten von Beiratsmitgliedern fassen zu müssen, sollten WEGs im Voraus einen sogenannten „Vorratsbeschluss“ fassen – der es der Verwaltung erlaubt, den Beiratsmitgliedern ohne weiteren Beschluss eine pauschale Aufwandsentschädigung pro Jahr oder die Erstattung der Auslagen bis zu einem bestimmten Betrag pro Jahr zu erstatten. Das erleichtert und beschleunigt den Umgang mit dem Thema. Nähere Informationen finden Sie auch hier.
  • Welcher Betrag sinnvoll ist, ist gesetzlich nicht festgelegt. Grundsätzlich gilt: Je größer eine WEG ist, umso komplizierter ist die Arbeit des Beirats und umso höher kann und sollte die Aufwandsentschädigung ausfallen. Soweit die Fortbildungskosten 720 Euro pro Jahr (pro Beiratsmitglied) nicht übersteigen, ändert das auch nichts an der ehrenamtlichen Tätigkeit.
  • Gibt es keinen Beschluss Ihrer WEG, sollten Sie als Beiratsmitglied vor der Buchung einer Fortbildung von der Verwaltung die Genehmigung verlangen. Dann ist der „Ball erstmal im Feld der Verwaltung“. Falls diese die Genehmigung nicht erteilt, können Sie das Thema in die Eigentümerversammlung bringen und die Verwaltung muss dann dort ihre Entscheidung begründen.