Unsichere Anlage von WEG-Rücklagen – so holen Wohnungseigentümer ihr Geld zurück

07.05.2024. Mehrere Medien berichten, dass einige Verwaltungen der Consigma-Gruppe Erhaltungsrücklagen von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) ohne deren Wissen und Zustimmung für mehrere Jahre in festgeschriebene Anleihen der DR Deutsche Rücklagen GmbH investiert haben. Ein solches Vorgehen entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, betont der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum (WiE) und gibt Tipps, was Wohnungseigentümer*innen jetzt tun sollten, um zu klären, ob sie betroffen sind und wie die Gelder zurückgeholt werden können.

Wohnungseigentümer*innen und Wohnungseigentümergemeinschaften sollten ihr Geld stets im Blick haben und wissen, wo ihre – zum Teil hart ersparten – Rücklagen angelegt sind. Schwierig wird es, wenn Hausverwaltungen hohe Beträge der Erhaltungsrücklage ohne Wissen und Zustimmung der betroffenen Wohnungseigentümergemeinschaften in riskante Anleihen angelegt haben.

Aktuell wird dazu im Bayrischen Rundfunk, Hessischen Rundfunk und in der Tagesschau über Verwaltungen der Consigma-Gruppe berichtet, die Erhaltungsrücklagen bei der DR Deutsche Rücklagen GmbH angelegt haben. Deren Finanzprodukte stehen in der Kritik der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Aus diesem Anlass informiert Wohnen im Eigentum (WiE), wie Wohnungseigentümer*innen und Wohnungseigentümergemeinschaften vorgehen sollten, wenn sie vermuten, dass ihre WEG bei der DR Deutsche Rücklagen GmbH unwissentlich investiert hat.

Rücklagen nicht spekulativ und langfristig anlegen

Anlagen bei der DR Deutsche Rücklagen GmbH dürften nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, denn die Erhaltungsrücklage darf grundsätzlich nicht spekulativ angelegt werden.  Darüber hinaus dient die Erhaltungsrücklage der Finanzierung von Erhaltungsmaßnahmen und muss deshalb gegebenenfalls auch kurzfristig verfügbar sein – was bei einer festen Anleihe über mehrere Jahre und ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit nicht der Fall ist.

Einsicht in die Verwaltungsunterlagen kann Klarheit verschaffen

„Wohnungseigentümer*innen sollten proaktiv handeln und Einsicht in die Verwaltungsunterlagen nehmen“, rät Michael Nack, Rechtsreferent von Wohnen im Eigentum. Insbesondere die Kontoauszüge des Rücklagenkontos geben Aufschluss über den Verbleib von WEG-Geldern, weil dort ungenehmigte Abbuchungen sichtbar sind. Auch der Verwaltungsbeirat kann Einsicht in die Kontoauszüge nehmen. „Die Erfahrung zeigt, dass Verwaltungsbeiräte oft von einer Verwaltung schneller mit Informationen versorgt werden “, sagt Michael Nack. Zusätzlich können Verwaltungsbeiräte von der Verwaltung auch weitergehende Auskunft zu den Zahlungsvorgängen und dazu in Verbindung stehender Verträge verlangen.

Verwaltung sollte aktiv werden

Wurden Erhaltungsrücklagen tatsächlich bei der Deutsche Rücklagen angelegt, kann die WEG ihre Verwaltung auffordern, die Gelder zurückzufordern. Dazu dürfte sie sogar verpflichtet sein, wenn kein Beschluss der WEG der Anlage zu Grunde lag.

„Aber selbst dann, wenn die WEG die Anlageform beschlossen hätte, würde dieser Beschluss in vielen Fällen trotzdem nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen haben. Derartige Beschlüsse werden mindestens anfechtbar sein – in der Rechtsliteratur wird zum Teil sogar vertreten, dass diese Beschlüsse nichtig sind. Da von nichtigen Beschlüssen keine Rechtswirkungen ausgehen, könnten sie auch keine Grundlage bzw. Rechtfertigung der Anlage der Erhaltungsrücklage durch die Verwaltung sein“, schätzt Michael Nack ein.

Folglich sollte die Verwaltung von sich aus aktiv werden und diesen Vorfall auch ihrer Vermögenshaftpflichtversicherung melden.

Bei Untätigkeit der Verwaltung: Einberufung einer außerordentlichen Versammlung

Falls die Verwaltung nicht von selbst tätig wird, sollte die WEG dringend eine außerordentliche Versammlung einberufen, um zu entscheiden, wie sie weiter vorgehen will. Die Verwaltung ist zur Einberufung verpflichtet, wenn mehr als ein Viertel der Eigentümer*innen das verlangt. Weigert sie sich, können auch der Verwaltungsbeiratsvorsitzende, sein Vertreter oder ein durch vorherigen Beschluss ermächtigter Eigentümer die außerordentliche Versammlung einberufen.

Beschlussfassung in einer außerordentlichen Versammlung

In der außerordentlichen Versammlung sollte die WEG beschließen, dass die Verwaltung aufgefordert wird, die DR zur Rückzahlung des Anlagebetrages innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Sollte die Rückzahlung nicht fristgerecht erfolgen, wird die Verwaltung beauftragt, eine Anwaltskanzlei mit der gerichtlichen Geltendmachung der Rückforderungsansprüche zu beauftragen.

Falls kein Beschluss zur Anlage bei der Deutsche Rücklagen GmbH vorgelegen hat, kann die Gemeinschaft einen weiteren Beschluss fassen, der den Verwaltungsbeiratsvorsitzenden ermächtigt, eine Anwaltskanzlei mit der Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen die Verwaltung zu beauftragen.

„In jedem Fall würde ich mir gut überlegen, ob eine Verwaltung, die ohne Ermächtigung der WEG über deren Rücklagen verfügt und entgegen der Zweckbindung anlegt, zukünftig noch der richtige Geschäftspartner ist.“, so Michael Nack.

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Hintergrund

Am 21.02.2024 hat die BaFin bekanntgegeben, dass der begründete Verdacht besteht, die DR Deutsche Rücklagen GmbH habe gegen die Prospektpflicht bei der Ausgabe von Anleihen (Inhaberschuldverschreibungen) verstoßen. Konkret soll es sich dabei um Anleihen handeln, die ab dem 15.04.2021 gezeichnet werden konnten mit einer Laufzeit vom 01.12.2021 bis 30.11.2026. Diese Anleihen wurden Wohnungseigentümergemeinschaften zur Anlage der Erhaltungsrücklagen angeboten. Sollte sich der Verdacht des Verstoßes gegen die Prospektpflicht bestätigen, kann die Rücknahme der Anleihe gegen Erstattung des Erwerbspreises verlangt werden.

Am 21.03.2024 hat die BaFin mitgeteilt, dass die DR Deutsche Rücklagen GmbH Gelddarlehen („partiarische Darlehen) in der Baubranche anbietet, ohne die dafür erforderliche Erlaubnis zu besitzen. Die DR Deutsche Rücklagen GmbH ist mit Bescheid der BaFin vom 12.03.2024 verpflichtet worden, dieses Angebot unverzüglich einzustellen und entsprechende Verträge zu kündigen.

Der Bescheid der BaFin ist allerdings noch nicht bestandskräftig.

Sollte der Bescheid bestandskräftig werden, dürfte das erhebliche Auswirkungen auf diesen Geschäftszweig der DR Deutsche Rücklagen GmbH haben und könnte die Frage aufwerfen, ob die betroffenen WEGs die investierten Gelder rechtzeitig und in voller Höhe zurückerhalten werden. Die investierten Beträge sollen in der Regel zwar durch Grundschulden gesichert sein. Häufig ist die Durchsetzung der Zahlungsansprüche aus Grundschulden aber nicht kurzfristig möglich.