10.05.2021. Was sich durch das neue WEGesetz für das Amt des Verwaltungsbeirats ändert, erläutert Michael Nack, Rechtsreferent bei Wohnen im Eigentum im Gespräch. Lesen Sie in dem Zusammenhang auch, was Beiratsmitglieder zum Thema Haftung und Versicherung wissen sollten.
WiE: „Im neuen WEGesetz gibt es einige Änderungen in Bezug auf den Verwaltungsbeirat. Er muss den Verwalter nicht nur unterstützen, sondern auch überwachen. Was bedeutet das konkret für die Arbeit des Verwaltungsbeirats ?“
Michael Nack: „Die Ergänzung in § 29 Abs. 2 WEGesetz, wonach der Verwaltungsbeirat die Verwalter*in auch „überwacht“, wurde während des Gesetzgebungsverfahrens erst in letzter Minute eingefügt. Allerdings hat der Gesetzgeber sowohl im Gesetz als auch in der Gesetzbegründung versäumt, zu konkretisieren, was darunter zu verstehen ist.
Man kann also bisher nur zwei Dinge sagen: Erstens geht damit nicht nur ein Recht des Beirats einher, sondern auch eine Pflicht. Zweitens ist Überwachen weitergehend als 'nur' Unterstützen. Da konkrete Rechtsansprüche des Beirats nicht im Gesetz stehen, anders als zum Beispiel für den Aufsichtsrat nach dem Aktiengesetz, wird der Beirat vor allem gehalten sein, sich zu informieren und zu prüfen, ob die Verwalter*in die ihr eingeräumten Kompetenzen nicht überschreitet – aber auch nicht unterschreitet. Stellt der Beirat Unregelmäßigkeiten oder Pflichtverletzungen der Verwalter*in fest, wird er die Eigentümergemeinschaft darüber informieren müssen. WiE hätte sich gewünscht, dass das Überwachungsrecht mit konkreten gesetzlichen Befugnissen des Beirats gegenüber der Verwalter*in verbunden worden wäre.“
WiE: „Und wie weit geht die neue Überwachungspflicht?“
Michael Nack: „Die Überwachungspflicht wird natürlich nicht so weit gehen, dass der Beirat die Verwalter*in bei allem kontrollieren muss. Es wird wohl auf Routinekontrollen hinauslaufen, die bei konkretem Verdacht intensiviert werden müssen. Es wird der Rechtsprechung überlassen bleiben, den Umfang der Pflichten zu konkretisieren und hoffentlich auch Ansprüche des Beirats herauszuarbeiten, die ihm gegen eine unkooperative Verwalter*in zustehen. Nach Auffassung von WiE muss das mindestens ein jederzeitiges Auskunftsrecht gegenüber der Verwalter*in beinhalten, da eine Überwachung ohne die Möglichkeit, an Informationen zu kommen, gar nicht funktionieren kann."
WiE: „Wie ändert sich die Rolle des oder der Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats mit der Gesetzesreform?“
Michael Nack: „Diese Rolle hat erheblich an Bedeutung gewonnen. Der bzw. die Verwaltungsbeiratsvorsitzende ist jetzt der gesetzliche Vertreter gegenüber der Verwalter*in, zum Beispiel wenn die WEG die Verwalter*in auf Schadensersatz verklagt. Früher musste die Gemeinschaft den bzw. die Beiratsvorsitzende ausdrücklich bevollmächtigen, zum Beispiel mit dem Abschluss des Verwaltervertrags. Jetzt ergibt sich seine bzw. ihre Vertretungsmacht unmittelbar aus dem Gesetz.“
WiE: „Wohnungseigentümergemeinschaften können jetzt die Größe ihres Beirats frei wählen. Ist das für WEGs künftig eine Erleichterung?“
Michael Nack: „Ja, das ist auf jeden Fall eine Erleichterung. Wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft nach früherem Recht keine drei Beiratsmitglieder ‚zusammenbekam‘, durfte kein Beirat bestellt werden. Das ist jetzt anders und es sollte für jede Gemeinschaft gelten: Einer ist besser als keiner!
Auch für besonders große WEGs gibt es nun einen Vorteil: Die umfangreiche Arbeit des Beirats kann auf mehr ‚Köpfe‘ verteilt werden, das einzelne Beiratsmitglied kann durch Teamarbeit entlastet werden. Bei Mehrhausanlagen wäre es zum Beispiel auch denkbar, dass nach interner Geschäftsverteilung für jedes Haus ein Beiratsmitglied zuständig ist.“
WiE: „Der Beirat haftet jetzt laut Gesetz nur noch bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Was bedeutet das?“
Michael Nack: „Es geht hier um die Unterscheidung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit. Leicht fahrlässig handelt, wer die verkehrsübliche Sorgfalt missachtet. Da ist schon dann der Fall, wenn man bei der Belegprüfung eine falsche Rechnungsadresse übersieht oder sich verrechnet. Ohne entsprechenden Schutz – zum Beispiel durch eine Vereinbarung über die Haftungserleichterung –konnte ein Beiratsmitglied nach altem Recht theoretisch ganz schnell schadensersatzpflichtig werden. Das ist jetzt nicht mehr so, nach dem reformierten WEGesetz gilt die Haftung des Beirats nicht mehr bei leichter Fahrlässigkeit. Flüchtigkeitsfehler und Unaufmerksamkeit können nun einmal passieren, das ist nicht grob, sondern nur leicht fahrlässig.
Eine grobe Fahrlässigkeit liegt erst dann vor, wenn man die verkehrsübliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, also das missachtet, was eigentlich jedem einleuchten müsste. Eine Wissenslücke bei Detailfragen wäre in der Regel eher nicht grob fahrlässig. Es kann nicht erwartet werden, dass jedes Beiratsmitglied die Feinheiten des neuen WEGesetzes kennt.
Wenn ein Beiratsmitglied aber merkt, dass es mit einer Sache überfordert ist, könnte man wohl verlangen, dass er oder sie Rat einholt, sich „schlau macht“, zum Beispiel mithilfe unserer Online-Schulungen für Verwaltungsbeiratsmitglieder oder unserer telefonischen, kostenlosen Rechtsauskünften für Mitglieder.
Und wenn ein Beiratsmitglied vorsätzlich handelt, also weiß, dass er oder sie einen Fehler macht und ihn oder sie das nicht kümmert, besteht kein Grund, ihn oder sie nicht haften zu lassen. Da hilft ihm oder ihr übrigens auch keine Versicherung. Für die Fälle einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung ist eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung für Beiräte aber weiterhin sinnvoll.“
WiE: „Diese Erleichterung der Haftungsbeschränkung gilt aber ja nur bei einer unentgeltlichen Tätigkeit. Was bedeutet das konkret?“
Michael Nack: „Die Haftungserleichterung soll das Ehrenamt ‘Beirat‘ stärken. Deshalb greift sie nur bei ehrenamtlicher Tätigkeit, also dann, wenn diese unentgeltlich erfolgt. Hierfür ist zunächst einmal zu unterscheiden zwischen Entgelt und Aufwandsentschädigung.
Die Erstattung tatsächlich entstandener Kosten (z.B. Fahrtkosten, Kopien, Fortbildung) ist kein Entgelt. Das Beiratsmitglied verdient daran ja nichts. Auch eine pauschale Aufwandsentschädigung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten ist wohl in Grenzen zulässig. Da dürfte man den Rechtsgedanken des § 31a BGB heranziehen können, wonach bei Organen von Vereinen sogar ein Entgelt bis zu 720 Euro pro Jahr der Haftungserleichterung nicht im Weg steht. Demnach sollte eine Aufwandentschädigung in dieser Höhe pro Beiratsmitglied auch in Ordnung sein. Sonst würde das Ziel ´Stärkung des Ehrenamts` torpediert. Rechtsprechung zu dieser Frage gibt es aber bisher nicht.“
WiE: „Sie haben vorhin die Versicherung erwähnt?“
Michael Nack: „Klar ist, dass eine Vermögenschadenhaftpflichtversicherung keine vorsätzlich verursachten Schäden übernimmt. Versicherungen übernehmen aber grundsätzlich auch keine Schäden, die auf einer ‚wissentlichen Pflichtverletzung‘ beruhen. Das sind zum Beispiel Fälle, in denen ein Beiratsmitglied weiß, dass er oder sie gegen eine Pflicht verstößt – ohne sich Gedanken über mögliche Schadensfolgen zu machen, man den möglichen Schadenseintritt also `nur‘‚ fahrlässig übersieht. Wer eine Vermögenschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen hat, hat deshalb keine ‚Rundum-Absicherung“ für grobe Fahrlässigkeit, das sollte man stets im Hinterkopf behalten.“
WiE: „Was ist denn das Fazit von WiE zu den Änderungen der Rolle des Verwaltungsbeirats?“
Michael Nack: „Durchwachsen. Die Möglichkeiten der Bestellung sind jetzt flexibler, die Haftung begrenzt, das ist positiv. Auch die Stärkung des Beirats – eine Notwendigkeit wegen der Stärkung der Verwalter*in – ist im Kern positiv. Negativ ist aber, dass durch das Gesetz keine konkreten Befugnisse des Beirats bestimmt wurden. Bis sich hier klare Linien durch die Rechtsprechung gebildet haben, möglicherweise erst durch den BGH, wird es noch dauern. Solange bleibt es bei Unsicherheiten, die die Beiratsarbeit belasten.“
Hinweise von Wohnen im Eigentum:
- Sie sind bereits im Amt oder möchten sich zur Wahl stellen lassen? Dann nehmen Sie gerne an unseren OnlineWochenend-Schulungen „Basiswissen zur Beiratsarbeit“ teil. Nähere Informationen finden Sie hier.
- Als Mitglied des Verwaltungsbeirats können Sie sich von Ihrer WEG die Aufwendungen oder Auslagen, die Sie im Zusammenhang mit Ihrer Tätigkeit hatten, erstatten lassen. Wohnen im Eigentum empfiehlt Ihnen, mit der WEG die Kostenübernahme zu klären und sich (am besten auf der nächsten Eigentümerversammlung) die Ausgabe oder ganz allgemeinen einen Fortbildungsetat oder eine Aufwendungspauschale genehmigen zu lassen.