10.03.2022. WEGs haben theoretisch verschiedene Möglichkeiten, Solarstrom zu produzieren. In der Praxis wird Solarstrom noch viel zu wenig genutzt. Welche Betriebskonzepte es für WEGs gibt, stellt jetzt ausführlich ein Leitfaden der Energieagentur Regio Freiburg vor. Ergänzend dazu hier ein Interview mit Photovoltaik-Berater Johannes Jung von der Energieagentur Regio Freiburg. Er hat den Leitfaden mit entwickelt und berichtet, wie PV auf dem Gemeinschaftsdach gelingen kann.

WiE: Gibt es denn Dienstleister oder Energieberater*innen, die WEGs und Wohnungseigentümer*innen von der Idee bis zum Betrieb und der ersten Stromrechnung umfassend und durchgängig begleiten?

Johannes Jung von der Energieagentur Regio Freiburg Johannes Jung: „Eine durchgängige und unabhängige Begleitung für WEGs bei der Planung und Umsetzung von Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) gibt es meines Wissens nur selten. Meine Kollegen und ich begleiten zwar manche WEGs bei der Planung und Umsetzung ihrer Anlage (Fallbeispiele können Sie hier nachlesen), dies ist aber bei den meisten Energieagenturen nicht Standard. Viele Eigentümergemeinschaften wissen nicht so recht, wie sie das Thema Solarstrom angehen sollen und welches Betriebskonzept – Mieterstrom, kollektive Selbstversorgung, Allgemeinstromversorgung, Einzelanlagen – für sie geeignet ist. Da besteht eine große Lücke, was auch für uns als Energieagentur der Grund war, den Leitfaden zu erstellen. Neben den Merkmalen der einzelnen Konzepte finden WEGs darin auch konkret die Vorstellung der einzelnen Schritte, die bei der Planung und Umsetzung gegangen werden müssen. Grundsätzlich ist nach der Lektüre unseres Leitfadens zunächst eine Erstberatung bei den Verbraucherzentralen bzw. bei den Energieagenturen zu empfehlen. Ganz wichtig: Wohnungseigentümer sollten sich unbedingt auch über Fördermittel der KfW, der Kommune und des Landes informieren.“ (Foto: Energieagentur Freiburg)

WiE: Warum sind PV-Anlagen auf Mehrfamilienhäusern bisher vergleichsweise wenig zum Einsatz gekommen?
Johannes Jung:
„Das liegt vor allem daran, dass die gesetzlichen Regelungen sehr komplex und der Betrieb einer PV-Anlage auf einem Mehrfamilienhaus administrativ und rechtlich kompliziert ist. Mehrfamilienhäuser werden anders behandelt als Einfamilienhäuser: In Mehrfamilienhäusern ist die sogenannte ‚Personenidentität‘ (laut Erneuerbare-Energien-Gesetz) derzeit nicht gegeben - und somit handelt es sich nicht um Eigenverbrauch des Stroms, was wiederum bedeutet, dass i.d.R. die volle EEG-Umlage auf den produzierten Solarstrom bezahlt werden muss. Das macht das Ganze komplizierter. In Einfamilienhäusern ist das hingegen anders: Die Person, die den Solarstrom produziert, ist dieselbe Person, die den Strom dann nutzt. Hier fällt deshalb keine EEG-Umlage an.“

WiE: „Und wie könnten Photovoltaik-Anlagen für WEGs attraktiver werden?
Johannes Jung:
„Eine Entbürokratisierung, insbesondere des Mieterstromkonzepts, wäre für WEGs wünschenswert. Außerdem sinnvoll sind Fördermaßnahmen, die sich nicht nur auf die Anschaffung der PV-Anlage beziehen – die Stadt Freiburg etwa unterstützt im Rahmen des kommunalen Förderprogramms Klimafreundlich wohnen“ die erste Steuererklärung von WEGs bzw. Wohnungseigentümern nach der Inbetriebnahme einer PV-Anlage, also die Beratung durch einen Steuerberater, mit 500 Euro. Das ist wichtig, denn gerade die steuerlichen Fragen (zu Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftssteuer) schrecken häufig ab. Dabei kann es für WEGs durchaus interessant sein, beim Mieterstrom einzelne oder alle Aufgaben an ein Contracting-Unternehmen auszulagern.“

Weitere Informationen:

  • Der Leitfaden der Energieagentur Regio Freiburg wurde im Zuge der Begleitung von vier Wohnungseigentümergemeinschaften, die eine PV-Anlage aufs Dach ihrer Mehrfamilienhäuser installieren wollten, erarbeitet. Die Fallbeispiele können Sie hier nachlesen.
  • Im Video „PV-Anlagen auf Mehrfamilienhäusern“ werden die unterschiedlichen Betriebskonzepte erläutert und deren Vor- und Nachteile sowie Fallbeispiele vorgestellt.
  • Faktenblätter rund um Photovoltaik (u.a. zu Meldepflichten, steuerliche Betrachtung und mehr)
  • Mögliche Contracting-Unternehmen, die im Rahmen eines Voll- oder Teilservices alle bzw. einen Teil der Aufgaben und Pflichten beim Mieterstromkonzept übernehmen, können Sie u.a. mithilfe der Datenbank des Bundesverbands Solarwirtschaft finden( hierfür im Suchfeld „Dienstleistungen“ „Leasing Solarstrom“ auswählen) oder bei der Deutschen Gesellschaft für Sonnenergie (DGS).
  • Hilfreich für WEGs können auch Angebote der DGS in Bezug auf PV-Anlagen sein, unter anderem ein Angebotscheck und Musterverträge (kostenpflichtig).
  • Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, „im Rahmen der Novellierung des Steuer, Abgaben- und Umlagensystems die Förderung von Mieterstrom- und Quartierskonzepten“ zu vereinfachen und zu stärken (Koalitionsvertrag, S. 58).
  • Auf unserer WiE-Themenseite "Solarstrom für Wohnungseigentümer*innen" finden Sie weiterführende Links zu Informationen rund um PV-Anlagen.