24.04.2023. Beschlüssen kommt eine wichtige Bedeutung zu, denn sie sind die Entscheidungen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Doch nicht immer sind einzelne Wohnungseigentümer*innen mit Beschlüssen einverstanden und möchten rechtlich dagegen vorgehen. WiE-Rechtsreferent Michael Nack erläutert im Interview, was bei der Anfechtung von Beschlüssen zu beachten ist und wann Beschlüsse nichtig sind.

WiE: Wie funktioniert eine Anfechtungsklage?

Michael Nack: Ziel einer Anfechtungsklage ist es, einen gefassten Beschluss vom Gericht als ungültig erklären zu lassen, den Beschluss also loszuwerden. Wenn das Gericht einen Beschluss für ungültig erklärt – und das gilt immer rückwirkend – , muss er rückabgewickelt werden (sofern bereits mit der Umsetzung des Beschlusses begonnen wurde). Wenn das Gericht allerdings den Beschluss nicht für ungültig erklärt, dann wird er bestandskräftig und alle – Eigentümer*innen und Verwaltung – müssen sich daran halten. Im Übrigen hindert die Anfechtung für sich genommen nicht die Durchführung des Beschlusses. Denn solange das Gericht die Ungültigkeit nicht bestätigt hat, ist der Beschluss in der Welt und zu beachten.

Da die Anfechtung eines Beschlusses in der Regel sehr komplex ist und diese auch an Formfehlern scheitern kann, ist es ratsam, sich von einem Fachanwalt für Wohnungseigentumsrecht beraten zu lassen und diesen auch mit der Einreichung der Klage zu beauftragen. Dennoch stellt WiE seinen Mitgliedern eine Muster-Anfechtungsklage zur Verfügung, in dem Mitglieder vorab wichtige Informationen und Hinweise finden (diesen können Sie hier herunterladen, vorher bitte auf der Website einloggen).“

WiE: Welche Fristen müssen Wohnungseigentümer*innen in dem Zusammenhang kennen?

Michael Nack: „Die Anfechtungsklage muss innerhalb von einem Monat, gerechnet ab dem Tag der Beschlussfassung, beim Amtsgericht (dort wo sich die Immobilie befindet), eingereicht werden. Wichtig: Die Frist beträgt genau einen Monat, nicht vier Wochen. Wurde beispielsweise der Beschluss am 02. Februar gefasst, muss die Klage spätestens am 02. März beim Gericht eingegangen sein (falls es sich bei dem letzten Tag aber um einen Samstag, Sonntag oder bundesweiten Feiertag handelt, verlängert sich die Frist bis zum Ablauf des nächsten Werktags). Das alleine reicht aber nicht aus. Als Kläger*in müssen Sie auch dafür sorgen, dass Sie die Gerichtskostenrechnung (den Gerichtskostenvorschuss) unverzüglich bezahlen, sobald Sie diese erhalten. Andernfalls riskieren Sie, dass Ihre Klage vom Gericht abgewiesen wird, da die Zustellung der Klage an den Beklagten sich durch Ihr Verschulden verzögert hat. Das bedeutet für Sie als Wohnungseigentümer*in: Sie müssen sich grundsätzlich beeilen, wenn Sie eine Klage einreichen möchten. Warten Sie nicht auf das Protokoll der Eigentümerversammlung (denn das kann dauern), sondern sehen Sie die Beschluss-Sammlung ein. In diese muss die Verwaltung die gefassten Beschlüsse nämlich unverzüglich eintragen. Mit ‚unverzüglich‘ ist in der Regel der nächste Geschäftstag der Verwaltung – nicht Werktag – gemeint. Die Anfechtungsklage muss natürlich auch begründet werden – hierfür haben Sie mehr Zeit, nämlich zwei Monate ab dem Tag der Beschlussfassung.“

WiE: Was sind denn mögliche Gründe für eine Anfechtung?

Michael Nack: „Es geht immer darum, dass ein Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Beispielsweise wenn im Beschluss über das Hausgeld ein falscher Kostenverteilungsschlüssel festgelegt wurde. Natürlich gibt es auch formale Fehler, die eine Anfechtung begründen können, zum Beispiel wenn ein Beschluss, der gefasst wurde, nicht zuvor in der Einladung zur Eigentümerversammlung auf der Tagesordnung stand. Oder wenn etwas unter dem TOP „Sonstiges“ stand, also klar war, dass dort gerade kein Beschluss gefasst werden sollte und das trotzdem gemacht wurde.“

WiE: Und wann ist ein Beschluss nichtig?

Michael Nack: „Ein typischer Fall für Nichtigkeit eines Beschlusses liegt vor, wenn die WEG gar keine Beschlusskompetenz für den betreffenden Beschluss hat, beispielweise wenn eine WEG beschließt, die Teilungserklärung zu ändern, um Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum umzuwandeln oder eine*n Sondereigentümer*in gegen ihren Willen zu Hausmeistertätigkeiten verpflichtet. Für die Nichtigkeitsklage gelten im Unterschied zur Anfechtungsklage keine Fristen, sie kann also jederzeit eingereicht werden. Häufig wird die Nichtigkeit eines Beschlusses erst später – manchmal erst Jahre später – von einem Gericht rückwirkend festgestellt, nachdem eine Wohnungseigentümer*in auf Nichtigkeit geklagt hat.

Wichtig zu wissen: Wenn Sie einen Beschluss anfechten, sollten Sie in der Klage auch mögliche Nichtigkeitsgründe anführen. Denn das Gericht entscheidet über die Gültigkeit oder Ungültigkeit eines Beschlusses nur einmal. Das bedeutet: Sie können eine Nichtigkeitsklage später nicht mehr einreichen, wenn ein Beschluss bereits durch ein rechtskräftiges Urteil im Rahmen einer Anfechtungsklage bestätigt wurde.“

WiE: Gibt es denn noch andere Möglichkeiten, zu klagen, wenn es um Beschlüsse geht?

Michael Nack: „Ja. Ein weiterer Fall der Streitigkeiten über Beschlüsse ist die Beschlussersetzungsklage. Mit dieser Klageart können Eigentümer*innen gegenüber der WEG mit Hilfe des Gerichts durchsetzen, dass ein abgelehnter bzw. nicht gefasster Beschluss doch zustande kommt. Dies kann unter anderem bei den sogenannten privilegierten Maßnahmen (§ 20 Abs. 2 WEGesetz) vorkommen. Damit sind angemessene bauliche Veränderungen, die zum Beispiel der Barrierefreiheit oder der Installation einer E-Ladestation dienen, gemeint – und darauf haben Sie als einzelne Eigentümer*in einen Rechtsanspruch. Wenn Ihre WEG Ihnen diesen verweigert oder hierüber keinen Beschluss fasst, obwohl Sie einen Beschlussantrag in der Eigentümerversammlung gestellt haben, können Sie Beschlussersetzungsklage einreichen.“

WiE: Was hat sich bei Klagen mit der WEGesetz-Reform geändert?

Michael Nack: „Klagen, also auch Beschlussklagen, müssen jetzt stets gegen die rechtsfähige WEG gerichtet werden – und nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer*innen. Das bedeutet auch: Alle Eigentümer*innen müssen gemeinsam die Kosten des Rechtsstreits tragen, gemäß ihrer Miteigentumsanteile. Das gilt auch für die Eigentümer*in, die den Beschluss angefochten und möglicherweise den Rechtsstreit gewonnen hat. Allerdings kann Ihre WEG einen Beschluss fassen, um zu regeln, dass diese Kosten anders aufgeteilt werden. Auch hierfür haben wir einen Musterbeschluss in verschiedenen Varianten entwickelt, den Sie sich als Mitglied ebenfalls kostenlos herunterladen können (bitte vorher erst auf der Website einloggen).“

Weitere Hinweise:

  • Möchten Sie eine Anfechtungs oder Nichtigkeitsklage gegen einen Beschluss führen, sollten Sie sich von einem Fachanwalt für Wohnungseigentumsrecht beraten lassen. Für eine erste Einschätzung der Sachlage können auch unsere kostenlosen telefonischen Rechtauskünfte für Mitglieder hilfreich sein.
  • Nähere Informationen zu Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen finden Sie auch im WiE-Ratgeber „Das neue Wohnungseigentumsgesetz für Wohnungseigentümer*innen“ ab Seite 112.
  • Grundlegende Informationen zu Rechtsstreitigkeiten in der WEG gibt es auf unserer Webseite.