24.04.2020. Das neue Wohnungseigentumsgesetz soll – so das politische Ziel – Hürden für energetische Gebäudesanierungen beseitigen und die Weichen für ein planvolles Vorgehen stellen. Das ist nach dem Entwurf aber nicht der Fall, sagt Wohnen im Eigentum (WiE):

Erhaltungsplanung weiterhin nicht vorgeschrieben

Der erste Schritt hin zu einer planvollen, dauerhaften Strategie für die Gebäudeerhaltung und die energetische Sanierung wäre die Einführung einer verbindlichen Erhaltungsplanung, die in sehr vielen Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) fehlt. Durchgeführt werden nur Reparaturen oder es wird „gefrickelt“. Wenn dann größere Maßnahmen erforderlich werden, fehlen die Rücklagen und nicht wenige Eigentümer fühlen sich finanziell überfordert und „überrumpelt“.

  • Notwendig ist eine Pflicht des Verwalters zur regelmäßigen Begehung der Anlage und zur Aufstellung eines mittel- und langfristigen Erhaltungsplans mit Finanzierungsplan, der von der WEG zu beschließen ist.
  • Nur auf dieser Basis können die zu erwartenden Maßnahmen und Kosten sinnvoll geplant und entsprechend der Struktur der WEG sozialverträglich über die Jahre verteilt werden.

Pflicht zur Erhaltungsrücklage in angemessener Höhe fehlt

Ob die Bildung einer Erhaltungsrücklage für die WEGs ein „Kann“ oder „Muss“ ist, lässt der Gesetzentwurf weiter offen. Auch die angemessene Höhe dieser Rücklage wird nicht geklärt.

  • Nachbarländer wie die Niederlande machen vor, wie es besser geht: Dort wurde eine Rücklagenbildung in Höhe von mindestens 0,5 % des „Wiederherstellungswerts“ der Wohnanlage vorgeschrieben, wenn nicht 80 % der Eigentümer darauf verzichten. Alternativ   kann die zu bildende Reserve auf der Grundlage eines Langzeitwartungsplans von mindestens 10 Jahren ermittelt werden, der alle 5 Jahre aktualisiert werden muss. Zu fordern ist eine vergleichbare Regelung auch für die deutschen WEGs!
  • Zudem muss gesetzlich sichergestellt werden, dass die Erhaltungsrücklage ausschließlich für diesen Zweck zur Verfügung steht und nicht etwa für Liquiditätslücken genutzt wird.

Beschluss mit einfacher Mehrheit, aber Kostenverteilung als Pferdefuß

Grundsätzlich sollen alle baulichen Veränderungen in der Eigentümerversammlung künftig mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können (§ 20 Abs. 1 WEG-E). Das klingt nach einer Erleichterung auch für energetische Sanierungen. Das Problem: Nur ohnehin nötige Reparaturen müssen alle zahlen. Für darüberhinausgehende Veränderungen sollen die Kosten nur dann auf alle Eigentümer verteilt werden können (§ 21 Abs. 2 WEG-E), wenn

  1. die Maßnahme „der Anpassung an den Zustand dient, der bei Anlagen vergleichbarer Art in der Umgebung üblich ist“ oder
  2. sich die Kosten der Maßnahme innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.

Was das heißt, zeigt ein Beispiel: In einer Anlage mit 20 Eigentumswohnungen inmitten unsanierter 70er-Jahre Bauten will eine Mehrheit der Eigentümer in eine energiesparende neue Heizanlage investieren. 12 Eigentümer stimmen in der Versammlung mit Ja, die Kosten sollen auf alle verteilt werden. Ein Eigentümer sieht nicht ein, für die energetische Modernisierung zu zahlen, und ficht den Beschluss wegen der Kostenverteilung an. Ob das berechtigt ist, müsste ein Gericht dann prüfen:

  • Vergleichbarkeit? Die Kosten könnten als Anpassung an Anlagen vergleichbarer Art auf alle Eigentümer umgelegt werden. In einer unsanierten Siedlung greift das nicht.
  • Amortisierung? Die Verteilung der Kosten auf alle Eigentümer dürfte dann erfolgen, wenn sich der über die Reparatur hinausgehende Anteil der Investition rechnet. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll der Zeitraum hierfür gerade mit Blick auf energetische Sanierungen „in Abhängigkeit von der konkreten Maßnahme“ auch 10 Jahre überschreiten dürfen. Dennoch: Ist das Gericht von der vorgelegten Berechnung der Wirtschaftlichkeit nicht überzeugt, würde der Sanierungsbeschluss wegen der Kostenverteilung auf alle kassiert.

Amortisierung würde zum Nadelöhr für energetische Sanierungen

Nicht zustimmende Eigentümer sollen auf diese Weise vor Ausgaben geschützt werden, deren Wirtschaftlichkeit unsicher ist. Das ist soweit nachvollziehbar. Allerdings lässt sich der geldwerte Nutzen gerade energetischer Maßnahmen oft nur sehr schwer berechnen.

  • Will die Mehrheit der Eigentümer trotz unsicherer Amortisierung aus Umweltbewusstsein handeln, hilft ihr die Herabsetzung des Quorums auf die einfache Mehrheit nicht – es sei denn, sie entlässt diejenigen aus der Zahlungspflicht, die nicht Ja sagen, aber dennoch von der Sanierung profitieren würden. Schon aus Angst vor solchen Schieflagen werden energetische Sanierungen mit unsicherer Amortisierungsprognose unterbleiben.
  • Es wird zudem eine enorme neue Herausforderung für die WEGs und ihre Verwalter, die Sanierungs- und Kostenbeschlüsse rechtlich so aneinander zu koppeln, dass Gerechtigkeit erzeugt wird, Ja-Stimmen gefunden werden und Anfechtungen ausbleiben. Jede Anfechtung bedeutet Kosten, eine Belastung der Gerichte und ein Stocken des Projekts.

Fazit: Herabsetzung des Beschlussquorums ist noch keine Sanierungsförderung – Gesetzentwurf muss nachgebessert werden

Wenn für Beschlüsse nur noch die einfache Mehrheit zählt, darf die Kostentragung nicht zur neuen Hürde werden. In diesem Bereich schafft der Gesetzentwurf ein unabsehbares Bündel von neuen Problemen – auch hinsichtlich Folgekosten und Transparenz von Kostenbeschlüssen. Mit der Pflicht zur Planung und zur Schaffung einer sicheren Rücklage für die Gebäudeerhaltung würden nicht nur Klima und Umwelt geschützt, sondern auch der Wert der Immobilien zur Altersvorsorge und zur Sicherung vielerorts knappen Wohnraums.

Wohnen im Eigentum fordert den Bundestag und insbesondere die Politiker im für die Reform zuständigen Rechtsausschuss auf, den Gesetzentwurf zu verbessern, damit er die politische Zielvorgabe aus dem Koalitionsvertrag auch tatsächlich erfüllt. Der Fokus wurde viel zu sehr auf den Systemwechsel und die Verwalterstärkung gelegt, wichtige Probleme und Ziele blieben unberücksichtigt.

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Lesen Sie auch die Erläuterungen zu weiteren Einzelaspekten der Reform.

Ein Faltblatt informiert kompakt über den vorliegenden Gesetzentwurf. Wie Sie es bekommen und verteilen können, lesen Sie auf unserer Seite mit den Aktionen zur WEGesetz-Reform. Das Engagement möglichst vieler Wohnungseigentümer in dieser Sache ist sehr wichtig, vielen Dank für Ihre Unterstützung!