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07.05.2020. Sämtliche baulichen Veränderungen in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) sollen künftig in der Eigentümerversammlung mit einfacher Mehrheit beschlossen werden (§ 20 Abs. 1 WEG-E). Die nicht zustimmende Minderheit könnte eine Modernisierung der Anlage somit nicht mehr verhindern. Ein Interessensausgleich soll über die Kostenverteilung erfolgen:

  • Wer nicht zustimmt, muss nicht mitzahlen – es sei denn, es geht um eine Anpassung an den Zustand vergleichbarer Anlagen in der Umgebung oder die Baumaßnahme wird sich im Laufe der nächsten Jahre amortisieren (§ 21 Abs. 2 WEG-E), und
  • ist auch von den Folgekosten wie Wartungen und Reparaturen befreit.

Klingt einfach und hat doch Tücken: Wenngleich WiE die Erleichterung für die Gebäudemodernisierung und die Abschaffung der zu komplizierten doppelten Mehrheit begrüßt, ist die Neureglung auf der Kostenseite noch nicht ausgereift und würde zu Schieflagen führen. Das zeigen die folgenden Beispiele.

Unübersichtliche Regelungen, fehlerträchtige Abrechnungen

Beispiel: Die Mehrheit der Eigentümer beschließt die Installation eines modernen Fahrradschuppens im Hof. Dies ist ein Komfortgewinn, aber nicht „üblich“, und es wird sich auch nicht „rechnen“. Die Kosten der Maßnahme dürfen also nur auf alle zustimmenden Eigentümer umgelegt werden, und nur die dürfen den Schuppen künftig für ihre Fahrräder nutzen. Auch Wartung und spätere Reparaturen sollen nur diejenigen tragen, die für die Maßnahme gestimmt haben.

  • Man stelle sich nun vor, die WEGs beschließen solche baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums häufiger. Wie sollen sie den Überblick behalten, wer was nutzen darf und wer welche (Folge-)Kosten zu tragen hat? Schon jetzt sind Jahresabrechnungen kompliziert und fehlerträchtig, neue Streitquellen würden hier geschaffen.
  • Wie sollen sich Käufer, die später in die WEG eintreten, über ihre Kostenpflichten und Nutzungsrechte hinsichtlich einzelner Bereiche des Gemeinschaftseigentums informieren? Eine Eintragung solcher Kostenbeschlüsse im Grundbuch soll nicht notwendig sein. Wird die Wohnung verkauft oder vererbt, kann der sogenannte Rechtsnachfolger nicht aus dem Grundbuch entnehmen, dass er mit entsprechenden Kosten belastet ist.
  • Nur mit einer Protokoll- bzw. Beschlusssammlung werden die genannten Probleme jedenfalls nicht gelöst!

Gefahr einer dauerhaften Belastung mit ungerechtfertigten Kosten

Beispiel: Wie oben beschließt eine Mehrheit den Bau des Fahrradschuppens. Im Protokoll der Eigentümerversammlung ist vermerkt, dass ein Senior, der schon länger krank ist und gar nicht anwesend war, mit „Ja“ gestimmt und einen entsprechenden Kostenanteil zu tragen hat. Erfährt er erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist davon, kann er den Beschluss nicht mehr anfechten. Er müsste für die Maßnahme sowie alle später anfallenden (Folge-)Kosten mitzahlen.

  • Nach jetziger Rechtslage wäre ein derartiger nachweislich falsch protokollierter Kostenbeschluss nicht nur anfechtbar, sondern nichtig.
  • Aufgrund der gravierenden Folgen der Kostenbeschlüsse sollte das auch künftig so sein!

Anreiz zu strategischem, unsozialen Abstimmungsverhalten

Beispiel: Eine Mehrheit in der Eigentümerversammlung will den Kellereingang außen durch ein Glasdach vor Regen schützen. Es handelt sich nicht um eine Anpassung an den Zustand vergleichbarer Anlagen und es kann auch nicht nachgewiesen werden, dass sich die Maßnahme wirtschaftlich rechnet. Dann sollen die Eigentümer, die nicht mit Ja gestimmt haben, keinen Anteil der Kosten übernehmen müssen.

  • Bei einer solchen baulichen Veränderung kann die Nutzung niemandem „entzogen“ werden. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollen Eigentümer dann auch ohne Kostenbeteiligung von der Änderung profitieren dürfen.
  • In der Eigentümerversammlung würde ein strategisches, unsoziales Abstimmungsverhalten gefördert: Eigentümer zögern, mit „Ja“ zu stimmen, und warten erst ab, ob auch ohne sie eine – zahlende – Mehrheit zustande kommt.
  • Wer in der Eigentümerversammlung gar nicht anwesend bzw. vertreten ist, müsste ohnehin nicht zahlen.
  • Das Ergebnis würde insgesamt als ungerecht empfunden werden. Eine Mehrheit für bauliche Maßnahmen, die nicht bereits „üblich“ sind, bei denen keine Amortisierung berechnet werden kann UND bei denen niemand von der Nutzung ausgeschlossen werden kann, würde sich daher häufig gar nicht mehr finden.
  • Somit würden viele an sich sinnvolle, von einer Mehrheit gewünschte bauliche Veränderungen durch die Reform nicht gefördert, sondern faktisch verhindert.

Fazit: Wohnen im Eigentum hält die Neuregelung bei den baulichen Veränderungen und insbesondere den Interessensausgleich über die Kostenverteilung für noch nicht genügend durchdacht. Hier muss noch nachgebessert werden!

Einzuführen sind mindestens

  • die Pflicht zu einer geheimen namentlichen Abstimmung über bauliche Maßnahmen, um das strategische Abstimmungsverhalten zu mindern,
  • die Nichtigkeit von Beschlüssen mit einer unzulässigen Kostenverteilung und
  • die Beschlussfähigkeit der Eigentümerversammlung erst ab dem bisherigen Quorum.

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Lesen Sie auch die Erläuterungen zu weiteren Einzelaspekten der Reform.

Ein Faltblatt informiert kompakt über den vorliegenden Gesetzentwurf. Wie Sie es bekommen und verteilen können, lesen Sie auf unserer Seite mit den Aktionen zur WEGesetz-Reform. Das Engagement möglichst vieler Wohnungseigentümer in dieser Sache ist sehr wichtig, vielen Dank für Ihre Unterstützung!