Entwurf zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes berücksichtigt die Bedürfnisse vieler kleinen Gemeinschaften nicht

11.08.2020. Längst nicht jede Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) bestellt eine/n Verwalter/in, um die Angelegenheiten des Gemeinschaftseigentums zu regeln. In vielen kleinen WEGs hat es sich bewährt, dass sich die Miteigentümer die verschiedenen Verwaltungsaufgaben teilen. Doch einer solchen praktischen und günstigen Selbstverwaltung droht durch die anstehende Reform des Wohnungseigentumsgesetzes das Aus, warnt der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum (WiE). Künftig sollen die Miteigentümer in ihren Beschlüssen über Reparaturen, Anschaffungen, Versicherungswechsel etc. nämlich keinen Miteigentümer mehr zum Abschluss der entsprechenden Verträge für die WEG bevollmächtigen können – sie müssten immer alle unterschreiben. „Aufwändig und praxisfern“, wundert sich WiE-Referentin Sabine Feuersänger. Wurden die selbstverwalteten WEGs bei der Konstruktion der neuen WEG-Außenvertretung übersehen?

WEGs sollen im Regelfall von den bestellten Verwaltern vertreten werden

Der Entwurf des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) sieht vor, dass WEGs künftig durch die von ihnen bestellten Verwalter nach außen vertreten werden (§ 9b WEG-Entwurf). Geschäftspartner sollen darauf vertrauen können, dass Verwalter unbeschränkte Vertretungsmacht besitzen. Denn dann müssen die WEGs die von ihren Verwaltern geschlossenen Verträge ohne Wenn und Aber erfüllen. Das Risiko, dass Verwalter ihre Vertretungsmacht überschreiten, soll allein den WEGs aufgebürdet werden, was Wohnen im Eigentum ohnehin stark kritisiert. Zudem folgt aus diesem neuen System zwangsläufig der Bedarf nach einer Regelung für den Fall, dass eine WEG gar keine/n Verwalter/in bestellt hat.

Ausnahmefall der gemeinschaftlichen Vertretung ist keine praktikable Lösung

Damit auch eine verwalterlose WEG nach außen hin handlungsfähig ist, sollen nach dem Gesetzentwurf alle Wohnungseigentümer sie gemeinschaftlich vertreten. Nur wenn sich alle Eigentümer einig sind, sollen sie einen oder mehrere Wohnungseigentümer zur Vertretung der WEG ermächtigen können. Ausgeschlossen werden soll aber die bisherige Praxis, nach der WEGs ihre Vertretung per Mehrheitsbeschluss und im Einzelfall pro Rechtsgeschäft regeln können. Letzteres trifft gerade die Selbstverwalter hart. Während WEGs einen externen gewerblichen Verwalter per Mehrheitsbeschluss bestellen können und ihm dadurch die unbeschränkte Vertretungsmacht einräumen würden, wäre das Einsetzen eines Miteigentümers als interner, ehrenamtlicher Verwalter nur mit den Stimmen aller Eigentümer möglich, nicht aber durch einen Mehrheitsbeschluss. Und bedeutender noch: Eine „echte“ Selbstverwaltung in der Form, dass die Miteigentümer nach Bedarf über einzelne Rechtsgeschäfte beschließen und wer diese mit Wirkung für die ganze WEG tätigen soll, wäre künftig ausgeschlossen.

Beispiel: Eine WEG besteht aus 8 Wohnungen. Die Eigentümer verwalten die WEG selbst und sind dabei ein eingespieltes Team. Beschließen sie eine Dachreparatur, bevollmächtigen sie dabei einen der Miteigentümer, der Architekt ist, den Vertrag zu unterschreiben. Soll eine Versicherung gewechselt werden, bekommt im Beschluss eine kaufmännisch versierte Miteigentümerin die Vollmacht zur Erledigung – und so fort. Niemand der Eigentümer hat die Zeit, alle Aufgaben zu übernehmen, sodass kein/e interne Verwalter/in gefunden wird, der/die allstimmig zur Vertretung ermächtigt werden könnte. Da die 8 Miteigentümer erst recht nicht immer alles gemeinsam erledigen können, wäre diese WEG nach der jetzt geplanten Neuregelung gezwungen, einen externen Dienstleister zu engagieren.

Zu vermuten ist, dass die Verfasser des Gesetzentwurfs die Bedürfnisse sich selbst verwaltender WEGs übersehen haben (oder nicht berücksichtigen wollten?). Feuersänger: „Damit wird verkannt, dass gerade für kleinere WEGs die Selbstverwaltung oft die besser geeignete, manchmal sogar die einzige Möglichkeit ist, ihr Gemeinschaftseigentum zu verwalten. Häufig finden sie überhaupt keinen gewerblichen WEG-Verwalter oder keinen entsprechend engagierten oder qualifizierten Dienstleister – die Profis unter den Verwaltern ziehen es häufig vor, für größere WEGs zu arbeiten, mit denen sie naturgemäß mehr Umsatz machen können.“ Durch die geplante Neuregelung würden viele selbstverwaltete WEGs praktisch gesehen handlungsunfähig. Will dann kein Miteigentümer das Amt des Verwalters ehrenamtlich übernehmen, würden sie dazu gezwungen sein, auch eine an sich gut laufende Selbstverwaltung aufzugeben - und gegen eine zu bezahlende Fremdverwaltung unsicherer Qualität einzutauschen.

Fazit: Selbstverwaltung erhalten – der Gesetzentwurf muss nachgebessert werden!

WiE fordert: Der Gesetzgeber darf keine Hürden aufbauen, durch die WEGs de facto gezwungen werden, einen gewerblichen Verwalter zu bestellen. Die WEGs müssen sich weiterhin für eine echte Selbstverwaltung entscheiden können. Hierfür brauchen sie die gesetzlich verankerte Möglichkeit, über ihre Vertretung nach außen wie bisher per Beschluss zu entscheiden.

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