12.05.2022. Die gesetzlichen Vorgaben für die Jahresabrechnung (kurz: JA) von WEGs sind sehr gering. Welche Änderungen die Reform des WEGesetzes gebracht hat, erläutert WiE-Rechtsreferent Michael Nack im Interview. Lesen Sie auch, welche Rolle der Vermögensbericht spielt und welche Informationen er enthalten sollte.

WiE: „Was hat sich mit dem neuen Wohnungseigentumsgesetz in Bezug auf die Jahresabrechnung geändert?“

Michael Nack: „In Bezug auf die Erstellung des Zahlenwerks hat sich im Grunde nichts geändert. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze gelten weiterhin. Wesentlich geändert hat sich aber die Beschlussfassung. Nach der alten Gesetzeslage wurde die Jahresabrechnung bestehend aus der Gesamtabrechnung und den Einzelabrechnungen‘ beschlossen. Das ist mit Inkrafttreten der WEGesetz-Reform zum 01.12.2020 anders geworden.

WEGs beschließen jetzt über ‚die Anforderung von Nachschüssen‘ bzw. ‚die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse‘. Der Beschluss bezieht sich also nicht mehr auf das Zahlenwerk, sondern nur noch auf die sogenannten Abrechnungsspitzen, das am Ende herauskommt.“

WiE: „Und was ist unter den Abrechnungsspitzen zu verstehen?“

Michael Nack: „Das ist die Differenz zwischen den Vorauszahlungen laut Wirtschaftsplan (= Hausgelder) und den tatsächlichen Ausgaben (= Abrechnungsergebnis). Liegen die Ausgaben über den Vorauszahlungen, haben die Hausgelder gemäß Wirtschaftsplan also nicht ausgereicht, um die Kosten zu decken – dann wird die WEG über die ‚Anforderung von Nachschüssen‘ (= Nachzahlungen) beschließen müssen. Sind die tatsächlichen Ausgaben aber geringer als die Vorschüsse laut Wirtschaftsplan, muss eine ‚Anpassung der Vorschüsse‘ (= Rückzahlungen) beschlossen werden, d.h. die entstandenen Guthaben sind zurückzuerstatten.

Damit die Wohnungseigentümer*innen diesen Beschluss fassen können - sie müssen ja vorher zumindest rechnerisch prüfen, ob die Beträge stimmen -, muss die Verwaltung ihnen (zusätzlich zur Gesamt- und den Einzelabrechnungen) eine Übersicht über die Abrechnungsergebnisse und die Abrechnungsspitzen aller Wohnungen zur Verfügung stellen.

Neben der Jahresabrechnung ist für die Beurteilung der Finanzlage aber noch ein anderes Dokument von wesentlicher Bedeutung: der Vermögensbericht, auf den alle Eigentümer*innen gemäß § 28 Abs. 4 Wohnungseigentumsgesetz jetzt einen Anspruch haben. Dieser gesetzliche Anspruch ist neu. Allerdings ist der Vermögensbericht nicht Bestandteil der Jahresabrechnung. Es handelt sich hierbei nur um eine Information. Ein Beschluss wird über den Vermögensbericht nicht gefasst.

WiE: „Was sollte der Vermögensbericht denn idealerweise enthalten?“

Michael Nack: „Der Vermögensbericht muss nach dem Gesetz den Stand der Rücklagen der WEG und eine Aufstellung des ‚wesentlichen Gemeinschaftsvermögens‘ darstellen – das ist die Mindestanforderung an den Bericht.

Für einen vernünftigen Überblick über die Finanzlage einer Wohnungseigentümergemeinschaft reicht das eben Genannte aber nicht aus. Daher sollte nicht nur der IST-Stand der Rücklagen zum Jahresende dargestellt werden, sondern auch der SOLL-Stand und die Entwicklung der Rücklagen. Dabei ist darauf zu achten, dass eine WEG mehrere zweckgebundene Rücklagen bilden kann, die dann im Vermögensbericht auch eindeutig bezeichnet werden müssen. Das gilt erst recht dann, wenn aufgrund von baulichen Veränderungen mehrere Rücklagen gebildet werden müssen – weil an den Erhaltungskosten einer baulichen Veränderung nur ein Teil der Eigentümer*innen beteiligt ist (z.B. die Wartungskosten eines Treppenlifts, der auf Wunsch einer Eigentümer*in installiert wurde).

Viel wichtiger aber noch ist die Aufstellung der Forderungen und Verbindlichkeiten der Gemeinschaft. Hausgeldrückstände können und sollten auf den Cent genau beziffert werden und nicht nur als Summe. Den Wohnungseigentümer*innen sollte eine Liste der Hausgeldrückstände nach Sondereigentumseinheiten vorgelegt werden. Zu dieser Auflistung gehört auch die Aufführung von Verzugszinsen. Die WEG sollte Wert darauf legen, dass diese in dem Bericht und in die Liste mit aufgenommen werden (siehe hierzu auch den Artikel „Hausgeldrückstände geltend machen“). Dasselbe gilt für die Kosten eines Rechtsstreits, die von Eigentümer*innen zu tragen sind, wenn sie einen Rechtsstreit verloren haben (die Prozesskosten der Gemeinschaft werden vom Gericht auf Antrag festgesetzt und sind der Gemeinschaft zu erstatten) – ebenfalls einschließlich Verzugszinsen. Wenn das vergessen wird oder die Listen darüber nicht vorliegen, entsteht ein falsches Bild über die Hausgeldrückstände und es kann der Gemeinschaft ein finanzieller Schaden entstehen.

Was genau als 'wesentliches Gemeinschaftsvermögen‘ gilt, ist bisher in der Rechtsprechung und Literatur noch ungeklärt. Als Richtwert gelten Sachen mit einem Anschaffungswert von jeweils 800 Euro.

Wichtig: Die Gemeinschaft kann und sollte ihrer Verwaltung per Beschluss konkrete Vorgaben für die Erstellung des Vermögensberichts machen – und aus Gründen der Transparenz nicht nur den gesetzlichen Mindestinhalt fordern.

Welche Vorgaben das sein können, lesen Sie in unserem Ratgeber 'Das neue Wohnungseigentumsgesetz für Wohnungseigentümer*innen'. Hierin finden Sie auch weiterführende Informationen rund um Vermögensbericht, Jahresabrechnung und Wirtschaftsplan. Sie finden dort auch Erklärungen der Begriffe wie Abrechnungsspitze, Abrechnungsergebnis etc. und Beispiele sowie Hinweise zur Prüfung der Abrechnung.“

WiE: „Viele Wohnungseigentümer*innen beklagen, dass ihre Jahresabrechnung nicht verständlich oder nur schwierig nachvollziehbar ist. Hat die WEGesetz-Reform für dieses Problem denn Verbesserungen gebracht?“

Michael Nack: „Leider nein. Insgesamt hat die Gesetzesreform nicht zu mehr Verständlichkeit und Transparenz bei den Jahresabrechnungen beigetragen. Die Chance, verbindliche Regeln hierfür aufzustellen, hat der Gesetzgeber leider verpasst. Daher setzt sich WiE für die Einführung einer DIN-Norm ein. Ziel ist es, über eine Vereinheitlichung (Standardisierung) der Darstellung von Jahresabrechnungen und Vermögensberichten auch deren Verständlichkeit, Vollständigkeit und Plausibilität zu erreichen bzw. zu verbessern. Hierzu halten wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden.”