WiE fordert bessere gesetzliche Vorgaben zum Ablauf von Sanierungen in WEGs
02.07.2019. Bauausschuss falsch verstanden! Eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit 42 Wohneinheiten in Süddeutschland hat seit 2017 einen Bauausschuss, der von der WEG per Beschluss ins Leben gerufen wurde. Dieser hat durch den Beschluss aber nicht nur eine beratende Funktion, sondern auch Kompetenzen verliehen bekommen, unter anderem zur Vergabe von Baumaßnahmen. Dies hat der willkürlichen Vergabe von Aufträgen und Kungeleien mit Dienstleistern wie Architekten sowie der Verwaltung Tür und Tor geöffnet, wie der haarsträubende Bericht einer Wohnungseigentümerin zeigt, die selbst Mitglied des besagten Bauausschusses ist.
Bitte beachten Sie: Wie die einzelnen Eigentümer und die WEG gegen die nach Ansicht von WiE unzulässige Kompetenzübertragung vorgehen können und sollten, soll hier gar nicht im Fokus stehen. Es geht um die Warnung, dass Sie in Ihrer WEG keinem Bauausschuss (und keinem Verwaltungsbeirat) Entscheidungsbefugnisse über bauliche Maßnahmen und damit auch WEG-Gelder einräumen. Es muss die Eigentümerversammlung sein, die über alles beschließt – auf Basis einer soliden Wirtschafts- und Finanzplanung unter Berücksichtigung der vorhandenen WEG-Gelder.
Weil das nicht allen Wohnungseigentümern klar ist und auch Verwaltungen mit komplexeren Vorhaben oft überfordert sind, setzt sich Wohnen im Eigentum im Rahmen der WEGesetz-Reform für klare Regelungen zum Ablauf von Sanierungen ein. Verwaltungen sollen gesetzlich verpflichtet werden, einen verbindlichen Instandhaltungsplan nebst Finanzierungsplan zu erstellen. Außerdem sind für die Inangriffnahme und Durchführung von umfassenden Sanierungen gesetzlich konkrete Vorgaben zu machen. Lesen Sie selbst, was passieren kann, da es verbindliche Sanierungsfahrpläne für WEGs bislang in keiner Form gibt!
Erfahrungsbericht von Margarete J., Wohnungseigentümerin am Bodensee:
„Wir haben einen Bauausschuss, der von der Eigentümergemeinschaft im Mai 2017 per Beschluss ins Leben gerufen wurde. Vorgeschlagen hatte der Verwalter den Bauausschuss. Der Ausschuss, der aus sechs Mitgliedern, darunter dem Verwaltungsbeirat und meiner Person besteht, darf laut Beschluss unter anderem Notmaßnahmen veranlassen und hat darüber hinaus die Kompetenz zur Vergabe von Einzelmaßnahmen, jeweils in Höhe von bis zu 5.000 Euro, übertragen bekommen, ohne dass es dafür einen Beschluss der Eigentümerversammlung geben muss (z.B. Anschaffung einer Gemeinschaftswaschmaschine, Kosten in Höhe von 4800 Euro). Die Anzahl der Maßnahmen selbst ist nicht gedeckelt. Eine Miteigentümerin hat jetzt eine Anfechtungsklage gegen den Beschluss zur Gründung des Bauausschusses unter anderem deshalb eingereicht. Ein weiteres Argument der Klägerin ist, dass der Bauausschuss keine Alternativangebote einholen muss, wenn er Aufträge bis 5.000 Euro vergeben möchte. Seltsam ist auch, dass der Verwalter bei den Sitzungen des Bauausschusses den Vorsitz führt, eine interne Unterhaltung ist daher niemals möglich, da ein Beiratsmitglied dies immer sofort dem Verwalter ‚meldet‘.
Wie sich im Lauf der Zeit herausgestellt hat, ist das, was der Bauausschuss macht, total intransparent, denn die Protokolle der bisherigen sechs Sitzungen des Ausschusses sind den übrigen Eigentümern bisher nicht bekannt. Die WEG wird also nicht aktiv informiert. Das erschien mir von Beginn an sehr merkwürdig. In meiner Not habe ich von Anfang an meinen Nachbarn und meine Nachbarin in die Vorgehensweise des Bauausschusses mit einbezogen und habe auch im Ausschuss immer wieder mündlich und schriftlich darauf hingewiesen, dass ein solches Gremium unter dem Vorsitz des Verwalters nicht über die Köpfe der Eigentümer hinweg über die Gelder der WEG verfügen darf. Da ich Sorge habe um die finanzielle Situation der WEG, habe ich eigenmächtig begonnen, sämtliche Protokolle des Bauausschusses, und auch einige Datenblätter aus dem Exposé der Tiefgaragensanierung auf eigene Kosten zu kopieren und an die mir bekannten Eigentümer zu verteilen.
Mit dem Beschluss für den Bauausschuss haben wir diesem auch die Kompetenz gegeben, einen bestimmten Architekten mit der Erstellung von Leistungsverzeichnissen und dem Einholen von Angeboten für die Arbeiten mit höchster Priorität zu beauftragen. Die Tätigkeiten dieses ‚Haus-Architekten‘, wie ich ihn nenne, werden pauschal mit 7 bis 8 Prozent des Rechnungswertes jedes Projekts vergütet, zuzüglich eines Stundenlohns von circa 65 Euro. Auffällig ist, dass wir seitdem in unserer Wohnungseigentumsanlage plötzlich sehr viele Bauvorhaben zu bewältigen haben: von der Dachsanierung, die bereits erfolgt ist, über ein Entwässerungskonzept für die Balkone, das die Eigentümergemeinschaft Anfang April beschlossen hat, bis zur Sanierung der Tiefgarage, die laut eines Gutachtens rund 300.000 Euro kosten würde. Auch viele Terrassensanierungen sind angesagt.
Natürlich fallen an einem Haus wie unserem, das jetzt 35 Jahre alt ist, immer wieder Reparaturen und Instandhaltungen bzw. Instandsetzungen an, das ist keine Frage. Ich halte es allerdings für sehr fraglich, ob die erwähnten Projekte wirklich alle dringend notwendig sind – ich vermute eher, dass diese vor allem deshalb umgesetzt werden sollen, damit zusätzlich durch die Mitarbeit des Architekten Gelder umverteilt werden könnten.
Über die Tätigkeiten, die der ‚Haus-Architekt‘ über die Pauschale hinaus und nach Stunden abrechnet, haben wir Eigentümer keine Übersicht und keinerlei Kontrolle. Die Abrechnung mussten wir in der letzten Eigentümerversammlung nach Aussage des Verwalters ‚auf Vertrauensbasis‘ akzeptieren! Die Tätigkeiten des Architekten sind mittlerweile zu einem Selbstläufer geworden. Außerdem erbringt er Leistungen, die im Tätigkeitsfeld einer Verwaltung liegen, zum Beispiel das Einholen von Angeboten.
Ich habe mich inzwischen umgehört – unsere Verwaltung ist hier im Bodenseeraum vor allem in großen WEGs vertreten. Interessant ist, dass in einer mir bekannten Wohnungseigentumsanlage mit vielen Einheiten, die ebenfalls von dieser Verwaltung verwaltet wird, ‚plötzlich‘ große Sanierungsmaßnahmen im Raum standen. Jedoch war dort der Verwaltungsbeirat versierter, und hat teure Maßnahmen nicht für sinnvoll erklärt, und zurückgestellt.
Der Beitrag für die Instandhaltung wurde auf der letzten Eigentümerversammlung wieder erhöht. Weitere Erhöhungen wurden schon angekündigt. Auf Nachfrage einer Miteigentümerin an den Verwalter in einer Eigentümerversammlung, dass sie gerne zunächst einmal wüsste, wieviel Geld denn noch vorhanden sei, bevor sie über zahlreiche Instandsetzungsmaßnahmen abstimmt, antwortete dieser: ‚Das weiß ich nicht. Bei so vielen Häusern, die ich verwalte, kann ich das nicht sagen.‘ Das ist eine Ignoranz gegenüber uns Wohnungseigentümern, die mich sehr wütend macht. Die durchdachte Vorgehensweise des Verwalters lässt den Eigentümern wenig Platz in den Versammlungen, um die TOPs genauer zu hinterfragen. Wie sollten sonst 17 Punkte in zwei Stunden in der Eigentümerversammlung abgehandelt werden? Meine persönliche Sorge, dass die finanziellen Belastungen zu hoch werden, lässt mich hellhörig die Verwaltungstätigkeiten genau verfolgen.
Ich habe mich mittlerweile zur Beirätin wählen lassen. Vielleicht liegt es auch an der besonderen Konstellation der Eigentümer dieses Hauses, dass in den Versammlungen alles gegenstandslos akzeptiert wird. Sehr viele ältere Eigentümer oder Eigentümer, die der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind, lassen den Verwalter ohne Widerstand gewähren. Nachdem mir bewusst war, wie der Verwalter und der Bauausschuss arbeiten, habe ich natürlich immer wieder mit dem Gedanken gespielt, auszutreten, jedoch fungiere ich seit einer Weile als guter ‚Informant‘ für meine beiden Nachbarn und auch deren Anwalt.
Sicherlich sind die Eigentümer davon ausgegangen, dass dieser Bauausschuss nur zum Besten des Hauses ist und gemeinsam mit den Wohnungseigentümern an einem Strang zieht. Ich habe mich als Mitglied wählen lassen, da ich davon ausgegangen war, dass ich dann wissen würde, wie der neue Verwalter in finanzieller Hinsicht agiert, und hoffte, Einblicke zu bekommen, wie mit unseren Rücklagen verfahren wird. Einen teuren ‚Haus-Architekten‘, der auch Tätigkeiten des Verwalters übernimmt und zusätzlich die Kassen der Eigentümer belastet, habe ich nicht gewollt. Einem Verwalter, der sagt, er müsse nicht informieren, möchte ich mein Eigentum nicht anvertraut wissen. Der Verwalter sollte ein ‚kontrollierter Dienstleister‘ sein – nicht mehr und nicht weniger. Wenn er über den Umweg eines quasi von ihm kontrollierten Bauausschusses machen kann, was er will, ist das sehr gefährlich für die WEG.“
Lesen Sie in dem Zusammenhang auch das neue WiE-Positionspapier zur Verwalterstellung.