BMJ: Nur „Reförmchen“ ist geplant / Keine Bürger- (= Wohnungseigentümerbeteiligung) / WiE: Vertritt die FDP in diesem Fall noch ihre politischen Grundsätze?
19.01.2023. Wohnen im Eigentum (WiE) führte mit Dr. Strasser, dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz (BMJ) das Gespräch über die geplante Einführung einer reinen Online-Eigentümerversammlung und zu anderen Änderungen im Wohnungseigentumsgesetz (WEGesetz). Das BMJ teilte mit, dass es am Vorhaben festhalten will trotz deutlicher Kritik von WiE als auch von der BAGSO, den Liberale Senioren und bekannten Fachjuristen. Geplant sind nur punktuelle Änderungen, keine Beseitigung von Unklarheiten, Fehlentwicklungen, Defiziten. Wo werden bei diesem Vorgehen noch die Werte der FDP und ihre Handschrift deutlich, fragt WiE, wenn der Bedarf der Wohnungseigentümer*innen wieder nicht beachtet werden soll und nicht einmal Verfahren zur Beteiligung der Wohnungseigentümer*innen analog den Bürgerräten in Betracht kommen.
„Reförmchen“: Diese Änderungen im Wohnungseigentumsgesetz sind vom BMJ geplant
Nach beharrlichem Einsatz von Wohnen im Eigentum (WiE) fand am 09.01.2023 eine Videokonferenz mit dem parlamentarischen Staatssekretär Dr. Strasser und dem Referatsleiter im Bundesministerium der Justiz (BMJ) Herrn von Levetzow zu den geplanten Änderungen des WEGesetzes statt. Das Gespräch führten auf WiE-Seite Vorständin Gabriele Heinrich und Rechtsreferent Michael Nack.
Entgegen der Bedenken von WiE, die von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren (BAGSO), den Liberalen Senioren und auch bekannten Fachjuristen – Richtern, Verfassern mehrerer Kommentare zum WEG-Recht u.a. – geteilt werden, will das BMJ an seiner Absicht festhalten, einen Referentenentwurf für die Einführung der reinen Online-Versammlung in diesem Quartal vorzulegen. Einzige weitere mögliche Änderung soll gemäß der Empfehlung der Justizministerkonferenz vom 10. November 2022 die Erweiterung der privilegierten baulichen Maßnahmen (§ 20 Abs. 2 WEGesetz) um steckerfertige Mini-Photovoltaikanlagen (für Balkone) sein.
Klarstellungen sollen die Gerichte vornehmen
Weitere Änderungen oder Klarstellungen bzw. Bereinigungen missverständlicher Formulierungen im WEGesetz hält man im BMJ derzeit nicht für erforderlich. Es sollen erst einmal Erfahrungen mit dem neuen Gesetz gesammelt werden und frühestens in fünf Jahren eine Evaluation durchgeführt werden, wie im WEGesetz angedacht. Mit der Klarstellung, in welchem Umfang Direktansprüche der Wohnungseigentümer*innen gegen die Verwaltungen noch bestehen (z.B. Schadensersatz für Schäden am Sondereigentum, wenn die Verwaltung diese zu verantworten hat, oder der Anspruch auf Einsicht in Verwaltungsunterlagen oder Erstellung einer korrekten Jahresabrechnung) und anderen ungelösten Problemen soll sich die Rechtsprechung - also die Gerichte – befassen. Ungerechtigkeiten wie die Verteilung von WEG-Gerichts- und Anwaltskosten auf alle Miteigentümer*innen – bei Beschlussklagen -, also auch auf die, die geklagt haben oder von der WEG verklagt wurden, sieht das BMJ eher als Nebenthemen, die keine wichtigen Anliegen für ein Gesetzgebungsverfahren sind. Die Position des Fachreferates: Die bisherigen Direktansprüche würden der kollektiven Meinungsbildung entgegenstehen, würden nur die Querulanten stärken. Das Referat sieht auch kein Problem in dem von uns problematisierten „Spiel über Bande“, was heißt: wenn einzelne Wohnungseigentümer*innen Ansprüche gegen die Verwaltung durchsetzen wollen, weil die Verwaltung für diese Aufgaben zuständig ist, müssen sie diese Ansprüche erst an die WEG herantragen, also in der Eigentümerversammlung beschließen lassen. Handelt die WEG dann nicht, müssen sie die WEG verklagen und weiteres tun, bis die Verwaltung zum Handeln verpflichtet wird. Dieses „Spiel über Bande“ ist für die einzelnen Wohnungseigentümer*innen teuer, birgt Risiken und kostet Nerven. Ganz zu schweigen, dass hier Rechte der einzelnen Wohnungseigentümer*innen gekappt wurden. Eine Klarstellung der gerichtlichen Vertretung sich selbst verwaltender WEGs durch Aufnahme in § 9b WEGesetz hält das BMJ auch nicht für erforderlich, da der BGH die Klarstellung ja bereits erbracht hätte. Dies muss nicht ins Gesetz, so die Haltung des BMJ. Unser Einwand, dass von Wohnungseigentümer*innen als Verbrauchern nicht verlangt werden kann, sich über die Rechtsprechung auf dem Laufenden zu halten, schien nicht zu überzeugen.
Was oder wen vertritt die FDP?
Diese Grundeinstellung führt fort, was bei allen bisherigen Wohnungseigentums-Gesetzgebungsverfahren Praxis war: Die Anliegen, Praxis-Erfahrungen, Probleme, Bedürfnisse und Interessen der Wohnungseigentümer*innen wurden nicht oder zu wenig berücksichtigt. „Die Wohnungseigentümer*innen wurden nicht einmal gefragt, was sie denn brauchen“, so Vorständin Heinrich im Gespräch. Nach Auffassung von WiE steht dieses Vorgehen im Widerspruch zur bisherigen Haltung und Politik der FDP, die sich bisher den Wohnungseigentümer*innen verpflichtet fühlte. So hatte die FDP eine Führungsrolle bei der Entstehung des Wohnungseigentumsgesetzes um 1950 inne und hat bei der letzten Gesetzesreform in 2020 massive Kritik an dem Systemwechsel hin zum Unternehmensrecht geführt. Diese politische Einstellung ist derzeit nicht erkennbar.
WiE appellierte deshalb an Herrn Dr. Strasser, die FDP möge das jetzige Vorhaben an den bisherigen eigenen Parteipositionen messen und offen sein für Änderungen im WEGesetz im Interesse der Wohnungseigentümer*innen und im Interesse der Energiewende und des Klimaschutzes. Wie gesagt: WiE fordert keine „Rückabwicklung“ des neuen WEGesetzes, sondern den Abbau einzelner Unklarheiten, Defizite, Fehlentwicklungen und somit eine Rückbesinnung der FDP auf eigene Werte und Positionen. Jetzt in der Regierungsverantwortung ist die FDP in der Lage, diese „alten Werte“ umzusetzen. Das würde Glaubwürdigkeit schaffen.
WiE fordert Beteiligungsverfahren für Wohnungseigentümer*innen
Eine gute Chance, Praxiswissen einzuholen und den Wohnungseigentümer*innen Beachtung und Berücksichtigung zu schenken, wäre die Ein- und Durchführung eines Beteiligungsverfahrens für Wohnungseigentümer*innen vor der Novellierung des WEGesetzes. „Wir wollen die Entscheidungsfindung verbessern, indem wir neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte nutzen, ohne das Prinzip der Repräsentation aufzugeben“, heißt es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung (Seite 10). Darauf angesprochen, dass sich das Wohnungseigentumsgesetz für ein Beteiligungsverfahren prädestiniert eignen würde, teilte Dr. Strasser mit, dass das nicht so schnell umsetzbar wäre, sondern hierfür zunächst ein Instrument im parlamentarischen Verfahren geschaffen werden müsse. Man müsse hier abwarten. Frau Heinrich warf ein, dass er ja sicherlich eine Initiative starten könne, um das Thema Bürgerrat (= Eigentümerrat) bei der Reform des WEGesetzes einzuführen. Außerdem schlug sie das WEGesetzgebungsverfahren als Modellvorhaben oder Pilotprojekt vor. Die Ergebnisse könnten für weitere Gesetzesprozesse genutzt werden.
Schließlich hat Bundesminister Marco Buschmann mehrfach vor und während der Bundestagswahl propagiert: "'Wir müssen regelmäßig mit dem Instrument des Bürgerrates arbeiten und eine vernünftige Grundlage dafür haben.' Im Bürgerrat fände Deliberation (= beratende Mitwirkung zur Entscheidungsfindung) statt: Die Menschen würden durch Experten unterstützt und mit Informationen versorgt. 'Das zeigt, dass die Bevölkerung sich dann auch mit komplexen Fragestellungen auseinandersetzen kann'", so Marco Buschmann als parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion in 2021 (Quelle: www.mittendrin.buergerrat.de). Auch hierbei könnte die FDP jetzt „punkten“.
Fazit: WiE bleibt am Thema.