18.11.2024. Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 05.07.2024 (Az.: V ZR 241/23) bekräftigt, dass Wohnungseigentümer*innen per Beschluss Entscheidungskompetenzen auf ihre Verwaltung delegieren können. Der Beschluss muss nicht besonders bestimmt sein, aber ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Und auch die Verwalter*in muss sich bei der Umsetzung an die Regeln ordnungsgemäßer Verwaltung halten.

§ 27 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz regelt, in welchen Fällen Verwalter*innen selbst, also ohne Beschluss der Eigentümergemeinschaft, entscheiden dürfen – oder ggf. sogar müssen. Das ist entweder bei Maßnahmen über Kleinigkeiten der Fall oder bei eilbedürftigen Maßnahmen, bei denen das Warten auf einen Beschluss einen vorhandenen Schaden vergrößern würde (z.B. Reparatur eines Wasserrohrbruchs).

Gemäß § 27. Abs. 2 WEGesetz haben Wohnungseigentümer*innen allerdings die Beschlusskompetenz, die Befugnisse ihrer Verwalter*in einzuschränken oder zu erweitern, also Entscheidungskompetenzen auf ihre Verwalter*in zu übertragen.

Streit um Fenstertausch

Im konkreten Fall, über den der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden musste, ging es um die Erneuerung der Fenster in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Vor der Beschlussfassung waren Handwerksbetriebe „abgesprungen“ und das letzte verbliebene Handwerksunternehmen teilte mit, die Arbeiten nicht im Jahr der Beschlussfassung durchführen und keine Preise für die künftige Beauftragung kalkulieren zu können.

Daraufhin beschloss die Eigentümerversammlung, den Verwalter zu ermächtigen, nochmals drei Angebote einzuholen und den Fensteraustausch nach Dringlichkeit zu veranlassen. Sie legte das Budget für diesen Austausch mit 35.000 Euro für das erste Jahr fest.

Die Crux an diesem Beschluss: Er hat die Art und Weise der Durchführung (welches Handwerksunternehmen beauftragt wird, welche Fenster in welcher Reihenfolge ersetzt werden und welche Kosten pro Fenster bzw. Wohnung anfallen) vollständig dem Verwalter überlassen.

Anfechtungsklage wegen Unbestimmtheit des Beschlusses erfolglos

Ein Teil der Eigentümer erhob deshalb Anfechtungsklage mit der Begründung, der Beschluss sei zu unbestimmt, da diese weitreichende Entscheidungsbefugnis dem Verwalter nicht übertragen werden dürfe. Der Bundesgerichtshof teilt diese Auffassung aber nicht und hält den Beschluss für ordnungsgemäß.

Mit seinem Urteil bekräftigt der BGH das, was das Wohnungseigentumsgesetz vorsieht: Gemäß § 27. Abs. 2 haben Wohnungseigentümer*innen die Beschlusskompetenz, Entscheidungskompetenzen auf ihre Verwalter*in zu übertragen. Der Beschluss legt die „Spielregeln“ fest, an die sich die Verwalter*in bei eigenmächtigem Handeln halten muss. Der Bundesgerichtshof hat sich in dem Urteil mit der Frage beschäftigt, wie präzise und wie weit die Eigentümerversammlung diese Spielregeln gestalten darf. Die Antwort ist: ziemlich weit und nicht besonders präzise.

Ordnungsgemäße Verwaltung als Maßstab

Allerdings, das hat der BGH gleichzeitig klargestellt, muss die Ausübung dieser Entscheidungskompetenz ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Das heißt, die Verwalter*in muss als Ausführungsorgan der WEG die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung beachten und ihr Handeln daran ausrichten – genauso wie die WEG dies beachten muss, wenn sie die Entscheidungskompetenz nicht delegiert hätte. Für den konkreten Fall heißt das: Der Verwalter muss bei der Frage der Auftragsvergabe und welche Fenster in welcher Reihenfolge ausgetauscht werden, die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung beachten und kann gerade nicht nach Belieben entscheiden, z.B. nach Sympathie der Eigentümer*innen die Maßnahmen priorisieren.

Außerdem wird die Gemeinschaft einen Anspruch darauf haben, dass der Verwalter seine Entscheidungskriterien erläutert. Ebenso wird die Gemeinschaft Ansprüche gegen den Verwalter geltend machen können, wenn er eine falsche und sachfremde Reihenfolge bei der Erneuerung der Fenster vornimmt.

Hinweise und Tipps von WIE:

  • Geht es um Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum, wird ein Beschluss über die Delegation von Entscheidungskompetenzen an die Verwalter*in dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn die Wohnungseigentümer*innen die grundlegende Entscheidung über die Vornahme der Maßnahme getroffen haben und die Verwaltung nur über die Durchführung im Detail entscheiden soll.
  • Verwalter*innen, die gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, müssen für den daraus entstandenen Schaden haften. WEGs sollten auf keinen Fall eine Haftungsfreistellung der Verwaltung vereinbaren.
  • Dem Beirat kommt in dem Zusammenhang mit der Delegation von Entscheidungskompetenzen eine wichtige Bedeutung zu. Wohnungseigentümer*innen können ihn als „Zwischenentscheider“ ermächtigen, der Verwalter*in eine Freigabe für bestimmte, kleinere Maßnahmen zu erteilen – oder die Freigabe zu verweigern mit der Folge, dass die Eigentümerversammlung entscheiden müsste. Dieses Instrument besteht weiterhin und sollte von Wohnungseigentümergemeinschaften als Korrektiv genutzt werden, rät WiE. WiE bietet seinen Mitgliedern hierfür kostenfreie Musterbeschlüsse an.