10.06.2021. Wer eine Sondereigentumseinheit – sei es eine Wohnung, eine Gewerbeeinheit oder einen Stellplatz – kauft, erwirbt damit Sondereigentum und einen Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum. Der Bundesfinanzhof musste klären, ob beim Kauf die Erhaltungsrücklage (früher: Instandhaltungsrücklage) die Höhe der Grunderwerbsteuer mindern kann. Lesen Sie hier die wichtigsten Infos zu der Entscheidung sowie Tipps, worauf Sie beim Wohnungskauf achten sollten.

Der Bundesfinanzhof (BFH) beantwortet die Frage in seinem Urteil vom 16.09.2020 (II R 49/17) mit einem klaren „Nein“. Denn die Instandhaltungsrücklage ist, so die Auffassung des BFH, Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft. Käufer*in und Verkäufer*in können deshalb keine Verfügungen über die anteilige Instandhaltungsrücklage treffen. Da sie nicht im Eigentum der Verkäufer*in steht, kann sie nicht wie Grundstückszubehör „mitverkauft“ werden und deshalb können Regelungen darüber auch nicht den steuerrechtlich relevanten Kaufpreis mindern.

Wirtschaftlich betrachtet, handelt es sich bei der Instandhaltungsrücklage um einen Teil der Leistung, die die Käufer*in zahlt, um das Grundstück zu erwerben – auch dann, wenn der Wert der Rücklage als Kaufpreisteil im Kaufvertrag gesondert ausgewiesen wird. Damit unterliegt die Rücklage der Grunderwerbsteuer.

Sowohl für die neue Rechtslage, als auch für die alte Rechtslage gilt demnach: Regelungen in notariellen Kaufverträgen, die die Erhaltungsrücklage als Teil des Kaufpreises mit eigenem Wert behandeln, haben steuerrechtlich keine Auswirkung. Wird für die Erhaltungsrücklage laut notariellem Kaufvertrag ein gesondertes Entgelt bezahlt, ist das wie ein Teil des Kaufpreises für das Grundstück zu behandeln.

Im vorliegenden Fall erwarb die Klägerin 13 Sondereigentumseinheiten (9 Stellplätze, 4 Gewerbeeinheiten) zu einem Gesamtkaufpreis von 40.000 €. Euro. Auf der Basis dieses Kaufpreises setzte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer fest. Die Klägerin war der Auffassung, der Kaufpreis sei für die Berechnung der Grunderwerbsteuer um die anteilige Instandhaltungsrücklage von insgesamt 14.815,16 € Euro zu mindern. Denn im notariellen Kaufvertrag sei vereinbart worden, dass dieser Betrag für die Übernahme des in der Instandhaltungsrücklage angesparten Guthabens gezahlt werde. Bei der Instandhaltungsrücklage handele es sich um eine Geldforderung, die auf den Erwerber übergehe und damit nicht um einen Teil der Immobilien, lautete die Argumentation der Klägerin.

Das Finanzamt und das Finanzgericht sahen das anders. Der BFH bestätigte die Auffassung der Behörde und der ersten Instanz und wies die Revision der Klägerin zurück. Die Auffassung des Finanzamts und der Gerichte ist zutreffend und nicht zu beanstanden. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der Instandhaltungsrücklage bereits nicht um eine Geldforderung, die auf die Käufer*in übergeht.

Hinweise und Tipps von Wohnen im Eigentum:

  • Soweit diskutiert wird, ob bei dem Verkauf von Sondereigentum die anteilige Instandhaltungsrücklage an den oder die Verkäufer*in ausgezahlt werden kann, um dadurch den Kaufpreis zu mindern, dürften dem erhebliche rechtliche Bedenken entgegenstehen. Denn die Auszahlung mindert das Verwaltungsvermögen der WEG. Rechtlich würde es sich dabei um eine Schenkung an den oder die Verkäufer*in handeln, für die kein sachlicher Grund erkennbar ist. Warum sollte die WEG ihr Vermögen zugunsten einer Eigentümer*in mindern? Auch der Versuch, auf diese Weise zahlungsunfähige Miteigentümer*innen durch solvente neue Eigentümer*innen zu ersetzen, wird das nicht rechtfertigen können. Derartige Beschlüsse wären also anfechtbar, weil sie nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.
  • Dennoch sollten Sie als Käufer*in einer Sondereigentumseinheit bei einem notariellen Kaufvertrag Wert auf die Klarstellung legen, dass der ideelle Anteil an der Erhaltungsrücklage Bestandteil des Kaufpreises ist. Denn wenn diese Klarstellung fehlt, könnte sogar das Gegenteil dessen eintreten, was die Klägerin im Rechtsstreit erreichen wollte. Dann könnten Finanzämter für die Berechnung der Grunderwerbsteuer diesen Betrag zum Kaufpreis hinzu addieren, was wiederum zur Festsetzung einer höheren Grunderwerbsteuer führen könnte. Das sollten Sie als Käufer*in auf jeden Fall vermeiden.
  • Sie möchten eine Eigentumswohnung kaufen? Dann ist die Höhe der der Sondereigentumseinheit zugerechneten Erhaltungsrücklage vor allem aus einem anderen Grund von Bedeutung: Sie dient – wie ihr Name sagt – der Erhaltung des Gemeinschaftseigentums. Eine WEG, die über eine hohe Erhaltungsrücklage verfügt, ist also leichter in der Lage, notwendige Sanierungsmaßnahmen zu finanzieren, ohne den Eigentümer*innen dafür Sonderumlagen aufbürden zu müssen. Die Höhe der Instandhaltungsrücklage Erhaltungsrücklage und Sanierungsstatus der Wohnanlage sind also auch ein Kriterium für die Kaufentscheidung.