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14.08.2015 Kann mein Nachbar verlangen, dass ich den Baum in meinem Garten fälle? Darf er die Zweige, die hinüberragen, einfach abschneiden? Diese und andere Fragen werden in der Rechtsberatung von Wohnen in Eigentum e.V. immer wieder gestellt. Dauer-Schatten im eigenen Garten, herüberwachsende Äste und Wurzeln oder Laub, das im Herbst entsorgt werden muss, sorgen nicht selten für Ärger zwischen Nachbarn.

Auch wenn Bäume das Nachbargrundstück verschatten, müssen sie nicht beseitigt werden – zumindest dann nicht, wenn die vorgegebenen Mindestabstände eingehalten werden. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 10. Juli (V ZR 229/14). Die Eigentümer eines Reihenhauses hatten verlangt, dass zwei 25 m hohe Eschen in einer benachbarten Grünanlage gefällt werden. Weil ihr Garten vollständig verschattet werde, eigne er sich weder zur Erholung noch für ihre anspruchsvollen Bonsai-Kulturen. Die BGH-Richter wiesen die Klage dennoch ab.

Zwar haben Eigentümer nach § 1004 BGB einen sogenannten Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, wenn ihr Eigentum beeinträchtigt wird. Doch der gilt nur, wenn die im Nachbarrechtsgesetz des jeweiligen Bundeslandes enthaltenen Abstandsvorschriften nicht eingehalten werden.

Werden die Abstände eingehalten, müssen die störenden Bäume nur in Ausnahmefällen gefällt werden, also wenn wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schwere und nicht mehr hinzunehmende Nachteilen entstehen. Beeinträchtigungen, die durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks entstehen, müssen Eigentümer dulden.

Einheitliche Regeln, welche Pflanzabstände zum Nachbargrundstück eingehalten werden müssen, gibt es in Deutschland nicht. Es hängt vom Wohnort und von der Art des Baumes ab. Denn Nachbarrecht ist Landesrecht. In Baden-Württemberg ist für großwüchsige Bäume ein Abstand von 8 m zum Nachbargrundstück vorgeschrieben, in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz reichen 4 m, in Sachsen sogar 2 m. Wer einen Baum zu dicht an der Grenze pflanzt, riskiert, ihn auspflanzen zu müssen. „Machen Sie sich mit den rechtlichen Vorgaben in ihrem Bundesland vertraut, bevor sie einen Baum pflanzen“, rät WiE-Geschäftsführerin Gabriele Heinrich. „In einigen Bundesländern hängen die Vorgaben auch davon ab, ob es ein groß-, mittel oder kleinwachsender Baum ist.“

Beeinträchtigen Zweige und Wurzeln, die aufs Nachbargrundstück reichen, die Benutzung des Grundstücks, darf der Grundstückseigentümer sie nach § 910 Abs. 1 BGB kappen und behalten. Bei überhängenden Zweigen muss der Grundstückseigentümer dem Baumbesitzer allerdings zunächst eine angemessene Frist einräumen, damit er die Zweige selbst beseitigen kann. Für Bäume, die unter Naturschutz stehen, gelten besondere Regeln.

Früchte, die von einem Baum oder einem Strauch auf ein Nachbargrundstück hinüberfallen, bezeichnen die Juristen als „Überfall“. Sie gehören nach § 911 BGB dem Nachbarn, auf dessen Grundstück sie fallen – allerdings erst, wenn sie wirklich heruntergefallen sind. Abpflücken ist ohne Zustimmung des Baumeigentümers nicht erlaubt. Doch nicht nur die herabgefallenen Früchte gehören dem Nachbarn: Er muss auch das herabgefallene Laub entsorgen.