11.03.2019. Bei Einrohrheizungen mit ungedämmten Rohren kann die Abrechnung der Heizkosten nach dem Verteilungsschlüssel 70 Prozent Verbrauch / 30 Prozent Wohnfläche zu einer Verzerrung bei der Kostenverteilung führen. Woran das liegt und wie man als Wohnungseigentümer gegensteuern kann, hat Wohnen im Eigentum für Sie zusammengestellt.
Einrohrheizungen hatten ihren Boom in Deutschland vor allem zwischen 1975 und 1985. Nach Schätzung von “CO2 online”, einer vom Bundesumweltministerium unterstützen gemeinnützigen Beratungsgesellschaft für den Klimaschutz, sind bundesweit etwa 1,5 Millionen Einrohrheizungen installiert. Heute sind Zweirohrheizungen Standard.
Bei Einrohrheizungen sind alle Heizkörper in einem Ringsystem geschaltet (senkrecht oder waagerecht) und werden durch eine gemeinsame Leitung mit Warmwasser aus der Heizung versorgt. Die Temperatur des Heizungswasser in Strömungsrichtung – nach oben – wird immer niedriger. Daher müssen die Heizkörper in oberen Geschossen größer sein als die Heizkörper in unteren Geschossen, um die verminderte Heizungswassertemperatur durch größere Heizfläche zu kompensieren. Zudem müssen aufgrund der Abkühlung des Wassers im Ringsystem die Vorlauftemperaturen hoch sein.
„Einrohrsysteme reagieren sehr empfindlich auf das Abstellen vorgeschalteter Heizkörper, da die Heizkörper, die sich weiter hinten bzw. oben im Ringsystem befinden, nicht mehr die berechnete Mischtemperatur aus heiß und kalt erhalten, sondern über den sogenannten Bypass nur noch heiß“, erläutert Diplom-Ingenieurin Birgit Thielmann von Wohnen im Eigentum.
Rohrwärmeabgabe
In Mehrfamilienhäusern profitieren bestimmte Wohnungen durch ihre Lage am Anfang des Ringsystems, also in der Regel in den unteren Geschossen, stärker von der Aufheizung ungedämmter oder nur unzureichend gedämmter Rohre und der damit verbundenen Wärmeabgabe (Rohrwärmeabgabe) als andere Wohnungen. Die Bewohner dieser Wohnungen müssen dann weniger mit ihren Heizkörpern heizen als die anderen, was zu einer ungleichen Kostenverteilung führt.
Art der Verbrauchskostenmessung
Nach §5 der Heizkostenverordnung können entweder Wärmemengenzähler oder Heizkostenverteiler (Verdunster und Elektronik) zur Erfassung des Wärmeverbrauchs zum Einsatz kommen. Wärmemengenzähler sind mit den Rohrleitungen direkt verbunden und messen den tatsächlichen Volumenstrom des Heizungswassers. Weit verbreitet sind immer noch Heizkostenverteiler nach dem Verdunstungsprinzip. Dabei verdunstet die Messflüssigkeit, die in einem Glasröhrchen (Verdunstungsröhrchen) enthalten ist; dieses ist im oberen Drittel des Heizkörpers angebracht, wo die Hitze am größten ist. Die Menge der verdunsteten Flüssigkeit wird an einer Strichskala des Röhrchens abgelesen. Auch wenn der Heizkörper nicht in Betrieb ist, verdunstet ein sehr geringer Teil der Flüssigkeit allein schon aufgrund der Raumtemperatur ab ca. 20 Grad Celsius. Um diese sogenannte Kaltverdunstung und auch fremde Wärmequellen, wie zum Beispiel die Rohrwärmeabgabe, auszugleichen, wird das Messröhrchen über den Nullpunkt der Skala hinaus befüllt (Kaltverdunstungsvorgabe).
Elektronische Heizkostenverteiler, ob per Funk ablesbar oder nicht, messen die Differenz der Temperatur des Heizkörpers und der Raumtemperatur.
Viele Wohnungseigentümer sehen die Kostenverteilung auf der Grundlage elektronischer Heizkostenverteiler wohl immer wieder als ungerecht an, wie die Zahl der Gerichtsverfahren zeigt. Die Rechtsprechung dazu hilft allerdings auch nicht weiter, sie ist nicht einheitlich, manche Sachverständige halten die Kombination von Einrohrheizung und elektronischem Heizkostenverteiler grundsätzlich für geeignet, andere nicht.
Dass eine Umstellung vom Verdunsterröhrchen auf elektronische Heizkostenverteiler bei Einrohrheizungen die ohnehin vorhandene Verteilungsungerechtigkeit (siehe oben) innerhalb einer WEG verschärft, kann WiE-Berater und Diplom-Ingenieur Jan Habermann so nicht bestätigen. Wenn sich nach der Umstellung etwas wesentlich an der Heizkostenverteilung innerhalb einer WEG ändere, könne das unterschiedliche Ursachen haben, so Habermann. Zum Beispiel gebe es bei der Erfassung über das Verdunsterprinzip immer wieder Ablesefehler, die manchen Bewohnern bei der Abrechnung zugute kämen, bei der Erfassung über die elektronischen Heizkostenverteiler dann aber wegfielen, oder die elektronischen Verteiler könnten falsch programmiert sein. Auf jeden Fall empfiehlt er in diesem Fall eine professionelle Ursachenforschung.
Was können Wohnungseigentümer sonst noch tun?
Rohrwärmekorrektur
Um eine möglichst gerechte Verteilung der Heizkosten zu erreichen, haben Wohnungseigentümergemeinschaften die Möglichkeit, die Rohrwärme in der Heizkostenabrechnung zu berücksichtigen – mithilfe einer Rohrwärmekorrektur nach der VDI-Richtlinie 2077. Diese ist allerdings laut BGH-Urteil (VIII ZR 5/16 vom 15.3.2017) nur dann möglich, wenn die Rohrleitungen überwiegend ungedämmt und freiliegend sind (Heizkostenverordnung §7 Abs. 1 Satz 3) – was zumindest in Westdeutschland wohl nur selten der Fall ist. In dem Beiblatt „Verfahren zur Berücksichtigung der Rohrwärmeabgabe“ der VDI-Richtlinie sind verschiedene Möglichkeiten aufgeführt, den Anteil der Rohrwärme am gesamten Wärmeverbrauch zu ermitteln, der dann auf alle Nutzer verteilt wird. Die Rohrwärmekorrektur ist allerdings mit zusätzlichen Kosten verbunden.
Hydraulischer Abgleich
„Wenn Sie auf elektronische Heizkostenverteiler umsteigen, sollten Sie vorher einen hydraulischen Abgleich der Heizungsanlage durchführen lassen“, rät Jan Habermann. „Dieser sorgt bei Einrohrheizungen dafür, dass jeder einzelne Heizkörper passgenau mit Heißwasser versorgt wird, also die Durchlaufmenge und Vorlauftemperatur optimiert wird“. Dies bestätigt auch Ingenieurin Thielmann. Sie gibt allerdings zu bedenken, dass ein hydraulischer Abgleich grundsätzlich sinnvoll, bei der Einrohrheizungen aber recht teuer sein kann. Wohnungseigentümer sollten daher abwägen, ob die Maßnahme in ihrem Fall wirtschaftlich ist.
Verteilungsschlüssel ändern
Außerdem ist es ratsam, bei Einrohrsystemen mit nicht gedämmten Rohren den Verteilungsschlüssel von 70 Prozent Verbrauch/30 Prozent Wohnfläche auf 50/50 zu ändern, empfiehlt Jan Habermann. Denn je weniger einzelne Verbraucher Einfluss auf die Wärmeverbreitung und -verteilung haben –- und das sei aufgrund der Rohrwärmeabgabe der Fall –, desto niedriger sollte der Verbrauchsanteil an den Heizkosten sein.
Allerdings weist Jan Habermann auch darauf hin, dass es eine absolut gerechte Verteilung der Heizkosten in einem Mehrfamilienhaus nicht geben kann – unabhängig davon, ob ein Einrohr- oder Zweirohrsystem vorliegt. So benötigten Bewohner von Wohnungen über dem Kellergeschoss (mit ungedämmter Decke) oder Bewohner von Dachwohnungen, die lediglich die Anforderungen des Mindestwärmeschutzes erfüllen, in der Regel immer mehr Heizenergie als Bewohner von Wohnungen, die zum Beispiel zwischen der ersten und der zweiten Etage liegen, um auf die gleiche Zimmertemperatur zu kommen. Grund ist der größere Wärmeverlust über die nicht oder nur mäßig gedämmten Bauteile.
Weitere Informationen und Tipps:
- Wie man die Heizung optimieren und somit Energiekosten einsparen kann, können Sie auf der Website der Verbraucherzentrale nachlesen.
- Frei auf der Wand liegende Heizungsrohre lassen sich relativ kostengünstig dämmen. Dadurch lässt sich der Energieverbrauch deutlich senken.
- Statt des hydraulischen Abgleichs kann man das Einrohrsystem auch kostengünstig technisch umrüsten, zum Beispiel durch Maßnahmen, die den Volumenstrom des Heizungswassers reduzieren. Eine andere Möglichkeit besteht darin, alte Ventile an den Heizkörpern auszutauschen und damit den Bypass regulierbar zu gestalten. Für all diese Maßnahmen ist der Heizungsingenieur der richtige Ansprechpartner.
Ist Ihre WEG bei einer Einrohrheizung von Verdunstungs-Heizkostenverteilern auf elektronische (Funk)heizkostenverteiler umgestiegen? Wenn ja, wie sind Ihre Erfahrungen? Hat sich an der Verteilung der Heizkosten innerhalb Ihrer WEG etwas geändert? Wir freuen uns auf Ihre Erfahrungen. Teilen Sie uns diese gerne mit, per E-Mail an info@wohnen-im-eigentum.de.