15.06.2011

Um die leeren Kassen zu füllen, verkauften viele Kommunen, Länder und auch der Bund in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ihre Mietwohnungen. Den Großteil der Wohnungen übernahmen große Immobiliengesellschaften. Aber auch viele Mieter nutzten die scheinbar günstige Gelegenheit, ihre Wohnung als Eigentumswohnung zu erwerben – und so fürs Alter vorzusorgen.  

„Diese Wohnungskäufer sind  heute - ebenso wie die Mieter – die Leidtragenden der Sanierung der öffentlichen Haushalte durch das Verscherbeln des Tafelsilbers“, kritisiert Gabriele Heinrich, Geschäftsführerin des Verbraucherschutzvereins wohnen im eigentum. 
Schon bei den Privatisierungen wurden die Interessen der Kleineigentümer ignoriert. „Über Anleger- und Verbraucherschutz für Wohnungskäufer wurde politisch nicht einmal diskutiert. Nur der Mieterschutz stand im Fokus politischer Diskussionen“, weiß Gabriele Heinrich. Vertragliche Regelungen wie Kündigungsschutz, Einschränkung von Mietpreiserhöhungen oder Ausschluss von Luxussanierungen sollten die Mieter vor negativen Folgen der Privatisierung schützen. Dass viele Immobilienunternehmen und -fonds eher an schneller Rendite  durch den Weiterverkauf der Wohnungen interessiert sind, bedachte offenbar niemand. 
Die Folgen sind für Mieter und selbst nutzende Wohnungseigentümer fatal: Ältere Wohngebäude werden vernachlässigt, weil Reparaturen und Sanierungen nicht rechtzeitig durchgeführt werden oder ganz unterbleiben.
„Soll ein Haus saniert werden, muss der Mehrheitseigentümer den Löwenanteil der Kosten  tragen. Doch das rechnet sich nicht, wenn das Haus schnell wieder verkauft werden soll. Denn der wirtschaftliche Nutzen käme dann den verbleibenden Eigentümern und den neuen Wohnungskäufern zugute“, erklärt Gabriele Heinrich. Aus diesem Grund haben Mehrheitseigentümer oft auch kein Interesse daran, eine angemessene Instandhaltungsrücklage anzusparen, um langfristig Modernisierungen zu finanzieren. 
Die Eigentümer, die die Wohnungen selbst bewohnen, könnten den Verfall ihrer Wohnanlage allenfalls nach teuren und aufwendigen gerichtlichen Auseinandersetzungen verhindern. Denn in den Eigentümerversammlungen kann ein einzelner Mehrheitseigentümer alle übrigen Eigentümer überstimmen. Dabei leiden die selbst nutzenden Wohnungseigentümer doppelt unter den Mängeln: Nicht nur die Wohnqualität sinkt, auch ihr Eigentum verliert an Wert, wenn der Schimmel an den Wänden blüht, die Aufzüge nicht funktionieren oder Fassadenteile herabstürzen. Selbst wenn sich die zur „Altersvorsorge“ erworbene Eigentumswohnung dann als Fass ohne Boden entpuppt, können sie – anders als Mieter – nicht umziehen: „Viele haben ihr ganzes Geld in die Wohnung gesteckt und sich für Jahre verschuldet. Vermieten oder weiter verkaufen lässt sich eine solche Wohnung nicht – oder nur mit großen Verlusten“, betont die Geschäftsführerin von wohnen im eigentum.
Damit Wohnungseigentümer Instandhaltungen und Modernisierungen durchsetzen können, … fordert der Verbraucherschutzverein eine Begrenzung des Stimmrechts von Mehrheitseigentümern. Alternativ könnte das Kopfstimmrecht im Wohnungseigentumsgesetz verbindlich vorgeschrieben werden. Dabei hat jeder Eigentümer eine Stimme – unabhängig davon, wie viele Wohnungen er besitzt. „Das Gesetz sieht zwar das Kopfprinzip – also eine Stimme je Eigentümer - als Regelfall vor, lässt aber die Möglichkeit zu, dieses Stimmrecht in der Teilungserklärung durch das so genannte Objekt- oder Wertprinzip zu ersetzen. Das wird in der Regel auch gemacht“, erklärt Gabriele Heinrich. „Nötig sind bei Privatisierungen außerdem verbindliche Vorgaben an den Privatisierer zur Durchführung energetischer Modernisierungen. Die Wohnungskäufer werden nicht sofort Modernisierungen durchführen können."