Der Parteienvergleich: Keine Visionen, kaum neue Rezepte, Reform des Wohnungseigentumsgesetzes immerhin als Nachtrag

5.9.2017. Die Programme der Parteien zur Bundestagswahl im September 2017 geben Auskunft über das Selbstverständnis der jeweiligen Partei, ihre grundsätzliche Ausrichtung, ihre Wähler-Zielgruppe/n und ihre Schwerpunkte in der nächsten Legislaturperiode. Um nicht vage und nebulös zu bleiben, sind sie zudem bestückt mit konkreten Versprechungen und teilweise detaillierten Vorschlägen, die mehr oder weniger leicht umsetzbar sind. Umfassende Problemlösungsstrategien oder -konzepte sind in den Programmen eher nicht zu finden. WIE hat die Programme für Sie gelesen und die Schwerpunkte, Schnittmengen und Alternativen zum Thema Wohnen und Bauen herausgearbeitet.

Eine Durchsicht der Parteiprogramme zeigt: Wohnen und Bauen ist in diesem Wahlkampf bei keiner Partei ein Schwerpunktthema, es werden keine Visionen geboten, es gibt keine Anregungen für heiße Debatten und kaum neue Themen – von einer Ergänzung der SPD-Bundestagsfraktion zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes abgesehen.

Das wollen alle: Bezahlbare Wohnungen für alle

Wer will das nicht? Die Strategien zur Annäherung an dieses Ziel sind trotz unterschiedlicher Parteiausrichtung, Wählerzielgruppe(n) und Regierungserfahrung größtenteils gleich, altbekannt und seit Jahrzehnten dieselben, nur mit unterschiedlicher Gewichtung versehen. Frische, innovative Ideen fehlen.

(Sozialer) Wohnungsbau und Wohneigentumsförderung sind Schwerpunkte

Alle Parteien wollen bezahlbare Wohnungen durch Verstärkung der Wohnungsbauförderung, insbesondere des sozialen Wohnungsbaus (mit direkter finanzieller Förderung und steuerlichen Abschreibungen) erreichen. SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE sehen den ausschließlichen Schwerpunkt hier bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus.

Darüber hinaus sind sich alle Parteien einig, das Wohngeld zu erhöhen oder (was auch immer die CDU/CSU damit meint) zu reformieren (mehr dazu lesen Sie hier).

Eine weitere gemeinsame Schnittstelle zwischen CDU/CSU und SPD gibt es bei der Wohneigentumsförderung – konkret der Familienförderung. Bei der CDU ist von einem Baukindergeld die Rede, bei der SPD von einem Familienbaugeld. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und die FDP haben diese Förderung nicht mit im Wahlgepäck.

Deutschland habe die Wohnimmobilienkreditrichtlinie der EU zu restriktiv umgesetzt, sagen die Liberalen und wollen dies ändern. Statt nur auf das Einkommen der Schuldner zu schauen, will die FDP erreichen, dass künftig auch der Wert eines Neu- oder Umbaus ein entscheidendes Kriterium bei der Prüfung der Kreditwürdigkeit wird. Auf diese Weise soll es zum Beispiel für jungen Familien vor einer Elternzeit oder für Rentner leichter werden, eine Finanzierung zu erhalten.

Den steigenden Baukosten und Kaufpreisen setzen die Parteien wenig entgegen

Trotz der niedrigen Zinsen wird das Bauen und Kaufen immer teurer. Die drastisch überteuerten Bau- und Kaufnebenkosten wollen CDU/CSU und FDP allenfalls mit Maßnahmen zur Abmilderung der Grunderwerbsteuer – die ja eigentlich Ländersache ist – entgegenwirken.

NEU: Die SPD will das Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“ auch für Maklerkosten beim Erwerb von Haus und Wohnung einführen, um die hohen Maklerkosten für Bauende und Wohnungskäufer zu kappen – eine Forderung, die ihr schon jetzt den Ärger der Makler eingebracht hat. Trotzdem eine mutige Idee, an die sich seit Jahren niemand herantraut. Auf die Schieflage von Mieten und Kaufen hat Wohnen im Eigentum e.V. mehrfach hingewiesen – und das schon seit 2006, siehe Studie „Leistungen und Provisionen transparent“ von WIE.

Wie hart Grunderwerbsteuer und Maklergebühren die Bauenden und Immobilienkäufer belasten, zeigt dieses Rechenbeispiel:

Beim Kauf eines Hauses oder einer Wohnung für 300.000 Euro müssen Käufer je nach Bundesland 3,5 bis 6,5 % Grunderwerbsteuer zahlen, das sind 10.500 bis 19.500 €. Wenn ein Makler eingeschaltet ist, kommen üblicherweise noch einmal 3,54 bis 7,14 % des Kaufpreises dazu, je nach ortsüblicher Courtage und Marktsituation. Beispielsweise für Berlin mit 6 % Grunderwerbsteuer und 7,14 % Maklercourtage bedeutet dies, dass Immobilienkäufer dort allein 39.420 € für den Makler und die Grunderwerbsteuer zahlen müssen. Das wird mit dem angekündigten Baukindergeld nicht ausgeglichen.

Regulierung versus Deregulierung

Die CDU/CSU steht ein für eine Deregulierung, also die Abschaffung „überflüssiger“ Vorschriften, die den Wohnungsbau verteuern. Ähnlich die FDP, die ihr Wahlprogramm-Kapitel sehr flott mit „Bremsen lösen beim Wohnungsbau“ überschreibt. Sie will die Mietpreisbremse abschaffen. Welche Vorschriften beide Parteien darüber hinaus meinen und was sie konkret angehen wollen, lassen sie allerdings im Dunkeln. Es bleibt ein Allgemeinplatz, der ihrer Parteiprogrammatik entspricht.

Wohnungsbau ist der beste Mieterschutz, sagt die CDU/CSU zudem. Deshalb will sie es bei der direkten und indirekten Wohnungsbauförderung und den Maßnahmen zur Wohneigentumsförderung bewenden lassen. Zur Mietpreisbremse gibt es keine Aussage.

SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE halten Regulierungen im Mietrecht und auf dem Mietwohnungsmarkt für erforderlich: Verbesserungen bei der Mietpreisbremse für angespannte Wohnungsmärkte in städtischen Großräumen (u.a. Streichung der vielen Ausnahmen), „bessere“ Mietpreisspiegel, Deckelung überhöhter Mietpreise nach Modernisierungen.

DIE LINKE geht weiter mit ihren Forderungen zur Regulierung des Mietwohnungsmarktes.

Auf fünf Seiten formuliert sie teilweise sehr konkrete Vorstellungen zum Stopp von Mieterhöhungen, zur Eingrenzung der Verdrängung alteingesessener Mieter und gegen Gentrifizierung, zur Ahndung von Mietwucher, zum Kündigungsschutz, zur Begrenzung der Modernisierungsumlage usw. (Einzelheiten zu den Forderungen der verschiedenen Parteien zu Änderungen im Mietrecht lesen Sie hier).

Deutschland – nur ein Land der Mieter?

Deutschland scheint immer noch ein Land der Mieter zu sein, jedenfalls wenn man die Wahlprogramme der Parteien DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durchliest. Dabei liegt die Wohneigentumsquote bei ca. 50 %.

Hauseigentümer werden als wichtige Zielgruppe für die Umsetzung der Klimaziele gesehen (Einzelheiten dazu lesen Sie hier), ansonsten scheinen sie keine Probleme, keine Bedürfnisse und keine politischen Wünsche zu haben.

Die Wohnungseigentümer kommen nirgends vor – in keinem Wahlprogramm. Sie bleiben weiterhin unbeachtet, ihre Interessen vernachlässigt.

Reform des Wohnungseigentumsgesetzes immerhin als Nachtrag: SPD-Fraktion legt Ergänzungspapier vor

Die SPD-Bundestagsfraktion – vertreten durch Dr. Eva Högl, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Johannes Fechner, Sprecher der Arbeitsgruppe Recht und Verbraucherschutz, und Ulrich Kelber, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) - haben im August 2017 immerhin noch ein Ergänzungspapier zum SPD-Wahlprogramm herausgegeben, in dem es heißt:

„Das Wohnen in selbst genutzten Eigentumswohnungen ist in den letzten Jahren für immer mehr Bürgerinnen und Bürger Realität geworden, auch als Teil der Altersvorsorge. Das Wohnungseigentumsrecht, begleitende Regelungen und die Zugangsmöglichkeiten zu Förderprogrammen hat mit der Zunahme von Eigentumswohnungen aber nicht Schritt gehalten. Wir wollen die Eigentümerinnen und Eigentümer dabei unterstützen, dass sie ihr Eigentum leichter im Wert sichern und modernisieren können.“

Ergänzt wird das SPD-Papier mit konkreten Vorschlägen, siehe hier. Die SPD-Fraktion erkennt also jetzt an, dass im Wohnungseigentum konkreter, dringender Handlungsbedarf besteht, wenn auch nicht im eigentlichen Wahlprogramm.

DIe Position von Wohnen im Eigentum (WiE) zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes:
Als Beitrag zur Vermögenssicherung, zur Altersvorsorge der Wohnungseigentümer, zum Erhalt des Wohnwertes (der auch für Mieter von großer Bedeutung ist) und zur Erreichung der Klimaschutzziele hält WiE die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes für unabdingbar. Das Wohnungseigentumsgesetz muss als Verbraucherschutzgesetz umgestaltet werden, die Wohnungseigentümergemeinschaft im WEGesetz den Status des Verbrauchers erhalten, WEG- und Mietrecht müssen miteinander harmonisiert werden, um langfristig eine gute, gemeinsame Organisation der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums zu erreichen. Dazu sind Schutzregelungen, Informationspflichten und Vorgaben an die Verwaltung von Wohnungseigentum ins WEGesetz aufzunehmen. Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer sind zu konkretisieren, vereinfachte Konfliktlösungswege einzuführen. Einzelheiten zu den Forderungen lesen Sie hier. Auch das mehr als unbefriedigende Berufszulassungsgesetz für WEG-Verwaltungen muss dringend nachgebessert werden. Denn so wie vor der Sommerpause verabschiedet, schafft es Bürokratie, aber keinen Nutzen.

Spontane Frage: Fallen bei der CDU/CSU all diese Anliegen unter ihr Regulierungsverbot? Oder warum gibt es von dieser Seite keinen Satz zum Wohnungseigentum – weder im Wahlprogramm noch in Ergänzungen? Auch der Vorschlag des Bundesarbeitskreises christlich-demokratischer Juristen (BACDJ) für die Bundestagswahl 2017, den Verbraucherschutz im Wohnungseigentum zu verbessern und dazu das Wohnungseigentumsrecht zu reformieren und mit dem Mietrecht zu harmonisieren, fiel unter den Tisch.

Leider kommen die Wohnungseigentümer auch im Wahlprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht vor, obwohl diese Partei immerhin schon 2016 einen Antrag an die Bundesregierung zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes gestellt hat. Eine Eintagsfliege?

Lebendige Städte und Dörfer: Alles wird gut mit „guten“ Projekten?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (und zum Teil sind die folgenden Förderideen auch im Wahlprogramm der SPD zu finden) wollen die Städte und Dörfer lebendiger gestalten und dafür alle möglichen Initiativen und Projekte fördern: Genossenschaften, Baugemeinschaften, generationengerechte Wohnprojekte, urbane Gärten, Orts- und Stadtteilzentren, Quartiersmanagement, Gewerbemietspiegel, kurze Wege, mehr Radwege, gesunde Baustoffe, Baukultur… Ein Sammelsurium, das sie wohl mit Förderprogrammen unterstützen wollen. Konkreter werden sie nicht. Es scheint, als wollen sie jedem etwas bieten – außer den Haus- und Wohnungseigentümern mehr Verbraucherschutz.

Eine gute Idee der SPD: Speziell den Erwerb von Bestandsbauten durch Familien will die SPD mit einem Programm unter dem Titel „Jung kauft Alt“ fördern, damit Ortskerne im ländlichen Raum nicht verfallen, während Neubausiedlungen an den Dorfrändern wuchern und sie zerfasern.

Das WiE-Fazit

Wie gesagt: Die Parteien bewegen sich mit ihren Wahlprogrammen weit überwiegend in den üblichen, bekannten Bahnen. „Business as usual“ ist die Botschaft aller Parteiprogramme zum Wohnen und Bauen.

Es gibt keine innovativen Absichten für zukünftiges Regierungshandeln. „Furchen“ zwischen den Wahlprogrammen lassen sich allein beim Mietrecht ausmachen.

In dieser Zeit der großen Versprechungen bleiben sogar die finanziellen Unterstützungsangebote für Baukunden und Wohnende im Umfang gering oder unkonkret. Das Thema Verbraucherschutz, das früher von Bündnis 90/Die Grünen vorangebracht und von der SPD befördert wurde, wird für die Haus- und Wohnungseigentümer nicht weitergeführt. Vielleicht regiert bei allen schon die Schere im Kopf, um nach den Wahlen die programmatischen Schnittmengen schnell und leicht finden zu können? Bleibt zu hoffen, dass dann wenigstens in den Koalitionsverhandlungen die Wohnungseigentümer und der Verbraucherschutz beim Wohnen und Bauen thematisiert werden.

 

Hinweis: Das politische Gespräch am 13.9.17 in Bonn

In einer Diskussion am 13.9. in Bonn wird der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum e.V. diese Thesen und weitere Fragen mit Bundestagskandidaten in Bonn diskutieren. Unter dem Titel: „Was Sie als Wohnungseigentümerin den Politikern schon immer mal sagen wollten“ erwarten wir Ihren Diskussionsbeitrag (sofern Sie im Umkreis wohnen und teilnehmen können)! Mehr dazu sowie Ort und Zeitangaben lesen Sie hier. Bitte frühzeitig anmelden!