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6.12.2012 Ist der einzelne Wohnungseigentümer in Wohnanlagen mit oft über 100 Einheiten dafür verantwortlich, dass im Winter ordentlich geräumt und gestreut wird? Im Prinzip: ja.
Deshalb gab es in Berlin im Sommer 2012 eine Lawine von Bußgeldbescheiden gegen die Eigentümer mehrerer Eigentumswohnungsanlagen wegen Glätte an einem Tag im Januar 2011. Der Verbraucherschutzverein wohnen im eigentum e.V. sagt, wie sich der einzelne Wohnungseigentümer gegen Bußgelder und auch Schadensersatz schützen kann.

In den meisten Gemeinden droht bei Verstoß gegen die Pflicht zum Winterdienst auf den Gehwegen neben dem Grundstück Bußgeld. Das kann auch den einzelnen Wohnungseigentümer treffen, sogar dann, wenn er seine Wohnung vermietet hat und selbst in einer anderen Stadt lebt. Er kann sich nicht einfach hinter der Eigentümergemeinschaft, dem Verwalter der Anlage oder der mit dem Winterdienst beauftragten Firma verstecken. „Ob er für Schneeräumen verantwortlich ist, hängt von der Gemeindesatzung ab, die den Winterdienst regelt“, sagt Sandra Weeger-Elsner, Rechtsberaterin bei wohnen im eigentum. „Häufig spricht diese von ‚Eigentümern des Grundstücks‘. Das meint auch den einzelnen Wohnungseigentümer.“ Er kann dann außerdem bei Glätteunfällen schadensersatzpflichtig sein.

Doch er kann sich gegen diese Risiken schützen. Dazu muss er nicht unbedingt selbst die Schneeschippe in die Hand nehmen. Er kann stattdessen in der Eigentümerversammlung dafür sorgen, dass die Verantwortung für den Winterdienst auf den Verwalter der Eigentumswohnungsanlage übertragen wird, und zwar – aus Beweisgründen – unbedingt schriftlich. Der von wohnen im eigentum herausgegebene Muster-Verwaltervertrag bietet eine entsprechende Regelung in § 2 Ziff. 6. Der Verwalter kann dann seinerseits Dienstleister beauftragen.

Das genügt für Sicherheit vor Bußgeld und Schadensersatz aber noch nicht. Die Eigentümer müssen regelmäßig stichprobenartig kontrollieren, ob der Winterdienst ordentlich ausgeführt wird. Zeigen sich dabei Fehler, ist es nicht mit einer Abmahnung getan, erst mal muss für Sicherheit gesorgt werden, das heißt: Im Notfall greift der Eigentümer besser doch zu Schippe und Streumittel. Und wenn wiederholte Fehler die Unzuverlässigkeit der beauftragten Person belegen, muss sie abgelöst werden. Es ist wichtig, die Überwachung zu dokumentieren, etwa durch Aufzeichnungen und vielleicht Fotos. Das kann im Ernstfall entscheidend für die Haftungsfreiheit sein. „Wer in der Eigentümerversammlung die Initiative ergreift, etwas gegen schlampigen Winterdienst zu unternehmen, sollte das protokollieren lassen, besonders wenn die Miteigentümer da nicht mitziehen“, rät Rechtsanwältin Weeger-Elsner.

Die Eigentümer können den Winterdienst auch untereinander aufteilen, das ist vor allem in kleineren, überschaubaren Anlagen praktikabel. Aber sie müssen sich dabei gegenseitig auf die Finger sehen. Und: Sie können das nicht per Mehrheitsbeschluss entscheiden. Alle müssen damit einverstanden sein, hat der Bundesgerichtshof entschieden (V ZR 161/11).

Für den Umfang des Winterdienstes gilt Folgendes: Auf dem Grundstück müssen die Zugänge zur Haustür, aber auch zu Mülltonnen, Stellplätzen oder Garagen gefahrlos begehbar sein. Schilder wie „Privatweg, Betreten verboten“ schützen nicht vor Haftung, schließlich haben auch Briefträger oder Handwerker Anspruch auf Sicherheit. Für die an das Grundstück angrenzenden Gehwege sind eigentlich die Gemeinden zuständig, die geben diese Verpflichtung aber meistens durch kommunale Satzung an die Eigentümer weiter. Dort steht dann genau, wann zu räumen ist, oft zwischen 7 Uhr morgens und 20 Uhr abends, bei starkem Schneefall auch mehrmals am Tag. Außerdem sagt sie Satzung, in welcher Breite und mit welchen Mitteln Glätte bekämpft werden muss. Streusalz ist in vielen Gemeinden nur eingeschränkt erlaubt oder ganz verboten. Wer dagegen verstößt, riskiert ein Bußgeld. Deshalb ist es wichtig, die Gemeindevorschriften zu kennen. Auskünfte kann die Gemeindeverwaltung – meist das Ordnungsamt oder das Umweltamt – geben oder die kommunale Website.

Immerhin: Die Haftung ist nicht grenzenlos. Erste Grenze sind die Gemeinderegeln. Sie schreiben nämlich nicht nur Räumung oft schon früh am Morgen vor, sondern das heißt auch: Nachts muss nicht geräumt werden. Und wer im ungeräumten Bereich neben den vorgeschriebenen 1,20 Metern läuft und sich deshalb verletzt, kann dafür nicht die Eigentümer verantwortlich machen. Außerdem führt nicht jeder Wintersturz zur Haftung, sondern nur, wenn Grund ein Verstoß gegen die Räumpflicht ist, sagt das Oberlandesgericht Naumburg. In der kalten Jahreszeit müsse jeder auch selbst aufpassen, und etwa bei Tauwetter mit überfrierender Nässe rechnen (10 U 44/11).

Egal wie sorgfältig ein Eigentümer seine Winterdienstpflicht erfüllt, ein Restrisiko bleibt immer, und das bedeutet: Eine Haftpflichtversicherung ist unverzichtbar.

Übrigens: Die Berliner Bußgeldverfahren wurden – soweit uns bekannt – alle eingestellt, wenn die Eigentümer sich mit Einspruch gewehrt und nicht einfach gezahlt hatten. Und: Eine Eigentümergemeinschaft hat inzwischen ihren Verwalter wegen seines Versagens beim Winterdienst ausgetauscht.