Zugang zum Bundesgerichtshof bleibt versperrt
Am 16. Mai 2012 tritt ein Gesetz in Kraft, das Wohnungseigentümern weitere zwei Jahre einen vollwertigen Rechtsschutz vorenthält: Sie haben nicht denselben Zugang wie alle anderen zum Bundesgerichtshof – und damit zu Rechtssicherheit durch höchstrichterliche Rechtsprechung. Das ist die Konsequenz einer Gesetzesänderung, die unbemerkt von der Öffentlichkeit durch den Bundestag gebracht wurde.
Es geht um eine auf den ersten Blick nicht sehr spektakuläre verfahrenstechnische Frage: Seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes von 2007 gelten für Streit um Wohnungseigentum anders als bis dahin die normalen Prozessregeln. Dazu gehört die Nichtzulassungsbeschwerde, also das Recht, bei Grundsatzfragen eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) herbeizuführen, auch wenn das Berufungsgericht eine weitere Instanz für überflüssig hält.
Diese Möglichkeit wurde aber erst mal bis 1. Juli 2012 auf Eis gelegt. Das sollte eine Überlastung des BGH durch eine Flut von Nichtzulassungsbeschwerden ausschließen, da der Gesetzgeber nicht absehen konnte, was da auf die Bundesrichter zukommen würde.
Jetzt wurde die Schlechterstellung des Wohnungseigentums im Handstreich bis Ende 2014 verlängert. Begründung: Man wisse immer noch nicht, was bei Zulassung der Nichtzulassungsbeschwerde passieren würde. Ein Armutszeugnis.
Dabei geht es nicht darum, dass irgendwelche Streithanseln sich in einer weiteren Instanz austoben können. Denn der Weg zum BGH wird auf die Beschwerde immer nur dann eröffnet, wenn der Streitfall tatsächlich grundsätzliche Bedeutung hat, wenn also das Verfahren eine Klärung wichtiger Rechtsfragen und damit letztlich mehr Rechtssicherheit für alle bringt.
Das neue Gesetz bremst diesen Prozess höchstrichterlicher Klärung offener Rechtsfragen im Wohnungseigentumsrecht weiterhin – derzeit können nur die Gerichte eine Zulassung des Rechtsstreits zum BGH und damit eine Überprüfuung ihrere eigenen Entscheidungen genehmigen. Dies ist besonders ärgerlich, weil es offene Rechtsfragen wegen der Überarbeitung des Gesetzes von 2007 zwangsläufig reichlich gibt.
Das Gesetzgebungsverfahren war darauf angelegt, die Änderung mit größter Diskretion durchzubringen. Sie wurde im „Omnibusverfahren“ als Artikel 2 im Gesetz gegen Kostenfallen im Internet untergebracht, mit dem sie thematisch nicht das Geringste zu tun hat. Das erinnert etwas an das Vorgehen der Online-Abzocker, die bekanntlich ihre Fallen irgendwo im Kleingedruckten verstecken. Der Passus – kaum mehr als ein Satz – fiel auch deshalb nicht auf, weil er erst im laufenden Gesetzgebungsverfahren eingearbeitet wurde. Obwohl in der abschließenden Beratung im Bundestag SPD und Bündnis 90/Die Grünen Inhalt der Änderung und Verfahren kritisierten, gingen die Redner der Koalition mit keinem Wort auf das Thema ein.
Der Verbraucherschutzverein wohnen im eigentum e. V. wendet sich gegen die rechtspolitisch falsche Entscheidung und gegen die Diskriminierung der Wohnungseigentümer, denen willkürlich ein Rechtsmittel verweigert wird.