Interview mit WiE-Beraterin Sandra Weeger-Elsner

Aus der Telefonberatung für Wohnen im Eigentum e.V. und aus ihrer Praxis als Rechtsanwältin kennt Sandra Weeger-Elsner die Schwierigkeiten von Wohnungseigentümern. Streitigkeiten wegen Kindern sind ihrer Auskunft nach eher selten, kommen aber auch vor. Häufig geht es dann um das Aufstellen von Spielgeräten im Sondernutzungsbereich. Im Regelfall ist dafür ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümerversammlung nötig, so ihre Auskunft.

 

Kommen Streitigkeiten wegen Kindern in WEGs häufig vor, und worüber streiten sich Eigentümer genau?

Nein, das kann ich aus meiner Erfahrung so nicht sagen. In der Telefonberatung für Wohnen im Eigentum drehen sich die Anfragen, die ich erhalte, eher selten um das Thema Kinder. Wenn es doch Anfragen aus diesem Bereich gibt, dann geht es darin zum Beispiel um Lärm, um das Aufstellen von Spielgeräten im Sondernutzungsbereich oder um das Abstellen von Gegenständen wie Fahrrädern, Schuhen und ähnlichem im Gemeinschaftsbereich.

Was gilt denn beim Thema Lärm?

Grundsätzlich müssen Mitbewohner die Geräusche hinnehmen, die Kinder bei einem altersgerecht üblichen kindlichen Verhalten verursachen. Denn Geräuscheinwirkungen, die von Kindern hervorgerufen werden, sind gemäß § 22 des Bundesimmissionsschutzgesetzes „im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung.“ Es gibt aber dennoch eine Pflicht zur Rücksichtnahme und Kinderlärm muss nicht unbegrenzt hingenommen werden. Wo genau die Grenze liegt, hängt nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH vom Einzelfall ab (BGH, Beschluss vom 22.08.2017, VIII ZR 226/16). Eine Rolle spielt dabei auch das Baujahr des Hauses. Es kann sich daher lohnen, einmal nachzusehen, welche DIN galt, als das Haus errichtet wurde. Danach bemisst sich nämlich der Trittschallschutz. Insofern ist es für Eigentümer mit kleinen Kindern teilweise vorteilhafter, in älteren Häusern zu wohnen – da war die DIN weniger streng. Allerdings sind solche Häuser aber auch hellhöriger. Aus praktischer Sicht sollten Mieter und Eigentümer am besten einfache Maßnahmen treffen, um die Geräusche zu dämmen, also zum Beispiel Teppiche auslegen.

Und wie sieht es beim Errichten von Spielgeräten auf Sonderflächen aus?

Wenn nichts weiter in der Teilungserklärung geregelt ist, gilt: Der Nutzungsberechtigte kann alles machen, solange andere nicht beeinträchtigt werden. Bauliche Veränderungen sind allerdings nicht ohne weiteres möglich. Dabei muss nicht zwingend eine feste Verbindung mit dem Grundstück hergestellt werden, um eine bauliche Veränderung anzunehmen. Alles, was in das Erscheinungsbild des Objekts/der Wohnanlage eingreift, kann eine bauliche Veränderung sein. Auch ein Trampolin, das nicht fest mit dem Erdboden verankert wird, ist demnach als bauliche Veränderung anzusehen. Für das Aufstellen von Geräten wie Schaukeln oder Rutschen und ähnlichem ist daher im Regelfall ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümerversammlung nötig. Hier muss jeder Wohnungseigentümer zustimmen, dessen Rechte durch die geplante Maßnahme objektiv beeinträchtigt würden. Die jeweilige Teilungserklärung kann spezielle Regelungen enthalten, und zwar sowohl hinsichtlich der erlaubten (baulichen) Maßnahmen, als auch hinsichtlich der Mehrheit, die erforderlich ist, um eine Zustimmung/Genehmigung der Gemeinschaft zur Durchführung einer baulichen Veränderung zu erhalten.

Was, wenn trotz eines Verbotes in der Teilungserklärung andere Eigentümer Geräte auf ihren Sondernutzungsflächen stehen haben – gibt es dann eine Art Gewohnheitsrecht, dass jeder so handeln darf?

In einem solchen Fall lohnt es sich, die Protokolle vergangener Eigentümerversammlungen durchzusehen. Wenn andere Eigentümer eine Genehmigung zum Aufstellen eines Spielgerätes erhalten haben, muss künftig auch anderen Eigentümern das Aufstellen genehmigt werden. Gibt es eine solche Genehmigung nicht, darf ein Gerät auch nicht aufgestellt werden, egal, ob andere sich daran halten oder nicht. Denn es gibt keine Gleichheit im Unrecht, wie die Juristen in einem solchen Fall sagen. Wer etwas errichtet, was er nicht darf, der ist zum Rückbau verpflichtet.

Im vergangenen Jahr berichtete die Stuttgarter Zeitung über einen Fall, in dem sich Wohneigentümer wegen ihrer Kinder gemobbt fühlten (siehe hier). Die anderen Eigentümer haben die Hausordnung immer wieder zuungunsten der Eigentümer mit Kindern geändert. Wie können sich Eltern dagegen wehren? Ist das rechtens?

Das ist rechtens, solange es dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Die Verwaltung muss dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechen. Die Mehrheit darf sich nicht über schutzwürdige Belange einer Minderheit hinwegsetzen. Tut sie das – was der benachteiligte Eigentümer allerdings vortragen und beweisen muss – kann der betroffene Eigentümer den Beschluss innerhalb eines Monats seit Beschlussfassung gerichtlich anfechten. Lässt er die Anfechtungsfrist verstreichen, bleibt der Beschluss bestandskräftig. Wer oft eine Anfechtungsklage erhebt, wird allerdings irgendwann Probleme mit seiner Rechtsschutzversicherung bekommen. Außerdem ist eine Anfechtungsklage im Zweifel zwar die einzige Möglichkeit, willkürliche Beschlüsse aus der Welt zu schaffen. Eine Klage kostet aber natürlich auch Geld. Daher sollten die Erfolgsaussichten zuvor unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles juristisch geprüft werden. Lassen Sie sich im Falle einer beabsichtigten Anfechtung rechtzeitig durch eine spezialisierten Rechtsanwalt beraten, auch wenn vor dem Amtsgericht kein Anwaltszwang besteht.

Haben es Mieter mit Kindern leichter als Eigentümer mit Kindern?

Ja, manchmal hat es der Mieter tatsächlich besser als der Eigentümer, auch in diesem Fall. Denn er kann sich immer auf seinen Mietvertrag, ggf. auf sein Recht zur Mietminderung sowie auf eine umfangreiche und oft mieterfreundliche Rechtsprechung berufen - zum Beispiel, was das Abstellen von Kinderwagen im Hausflur betrifft. Diese Rechtsprechung gilt für Eigentümer nicht ohne weiteres. Andererseits kann einem Mieter gekündigt werden, sofern entsprechende gesetzliche oder vertragliche Kündigungsgründe objektiv vorliegen. Einem Eigentümer kann zwar auf der Grundlage des § 18 des Wohnungseigentumsgesetzes theoretisch das Wohneigentum entzogen werden. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch sehr eng und dürften „nur“ durch „lärmende Kinder“ kaum jemals erfüllt werden.

Worauf sollten Eltern achten, die gerne eine Wohnung kaufen möchten?

Generell sollten Käufer eine Eigentümergemeinschaft suchen, die homogen ist, in der also viele eine ähnliche Lebenslage haben. Eltern sollten sich daher eine WEG suchen, in der viele andere Eltern mit kleinen Kindern wohnen. Außerdem sollten sie ganz genau nachsehen, was in der Teilungserklärung steht. Es ist für mich immer wieder erschreckend, wie viele Eigentümer dieses Dokument noch nie gelesen haben. Dabei werden dort teilweise ganz strikte Regeln aufgestellt bis hin zu der Frage, welche Pflanzen im Sondernutzungsbereich angepflanzt werden dürfen – und eben auch, ob dort Spielgeräte aufgestellt werden dürfen. Und wenn Eigentümer doch etwas ändern möchten, und dafür die Zustimmung der anderen Eigentümer brauchen, rate ich, das Vorhaben insbesondere in einer neu gegründeten Wohnungseigentümergemeinschaft möglichst bald zur Beschlussfassung zu stellen. Es ist erfahrungsgemäß einfacher, einen Zustimmungsbeschluss zu erhalten, solange eine Gemeinschaft noch „jung“ ist.

Stand: Januar 2018