5.2.2019. Wegen Brandgefahr wurden die Fassaden und die Dämmungen von fünf Hochhäusern im Nürnberger Stadtteil Neuselsbrunn abgerissen. Zwar gab es für die umstrittene Maßnahme einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft. Dieser wurde jedoch in Panik und ohne Gutachten, Kostenkalkulation und Finanzierungsplan gefasst. Jetzt bangen viele Wohnungseigentümer, ob sie ihre Wohnung behalten können, wenn sie "mal eben" 50.000 Euro für den Fassaden-Neuaufbau bezahlen sollen.
Die Kosten für die Fassadenerneuerung könnten sich nämlich auf bis zu 20 Millionen Euro belaufen und - bei 390 betroffenen Wohnungen - für die größeren Wohnungen bei 50.000 Euro liegen, wenn die Miteigentumsanteile zugrunde gelegt werden. Allerdings haben Wohnungseigentümer und Mieter nun Anfechtungsklage gegen den Beschluss eingereicht. Sie fordern Schadensersatz und wollen juristisch gegen die Hausverwaltung und die Stadt vorgehen, falls Gespräche scheitern.
Die betroffenen Wohnungseigentümer sprechen von einer Überrumpelungs- und Hauruck-Aktion. Sie fühlten sich von der Hausverwaltung unter Druck gesetzt, denn diese hatte vor der Beschlussfassung mit einer kurzfristigen Zwangsräumung der Häuser durch die Stadt, die eine akute Brandgefahr sah, gedroht. Doch der Fall hatte eine Vorgeschichte: Die Bauverwaltung der Stadt Nürnberg hatte die Hausverwaltung aufgefordert, bis zum 1. August 2018 das Dämmmaterial prüfen zu lassen und zudem das Gutachten eines Brandschutz-Sachverständigen vorzulegen. Die Verwaltung blieb jedoch untätig. Der Abriss der Fassade ist heute umstritten: Experten, die jetzt Wohnungseigentümer und Mieter jetzt vertreten, kommen zu dem Ergebnis, dass keine akute Brandgefahr bestanden habe.
Unklar ist zudem, ob die Hausverwaltung der insgesamt zwölf Häuser umfassenden WEG mit insgesamt 700 Wohnungen überhaupt dazu berechtigt war, den Fassadenabriss zu veranlassen. Denn wie sich herausgestellt hat, erfolgte die regelmäßige Neuwahl der Verwaltung seit einigen Jahren nicht durch eine Gesamtversammlung der Miteigentümer aller zwölf Häuser, sondern die Verwaltung ließ sich von den zwölf Einheiten einzeln wiederwählen.
Wohnen im Eigentum sagt dazu: Es ist sicherlich besserwisserisch, angesichts dieser dramatischen Situation nun noch Tipps zu geben. Natürlich muss eine Sanierung von langer Hand geplant und mit Gutachten, Kostenkalkulationen und Finanzierungsplänen unterlegt werden, siehe Sanierungsfahrplan von WiE. Hier in Nürnberg war die Ausgangssituation allerdings besonders ungünstig: Erst hat die Verwaltung augenscheinlich nicht gehandelt und Fristen "verschlafen", dann Panik verbreitet und massiv Druck gemacht, bis die Eigentümer vorschnell einen Beschluss gefasst haben. Nun sollen sie die Zeche zahlen - bis zum drohenden Verlust ihrer Wohnungen. Denn wie lange die Gerichtsverfahren dauern und ob die Eigentümer die Prozesse gewinnen werden, ist natürlich unklar (Quellen: Informationen von Mitgliedern, Nürnberger Zeitung vom 3.1., 24.1. und 6.2.19)
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