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Niedrige Kreditzinsen gleichen Nachteil der gestiegenen Kaufpreise aus / Wohnen im Eigentum e.V. berät zu Finanzierungsfragen

23.9.2016. Kaufen – ja oder nein? Für angehende Wohneigentümer ist das eine schwierige Frage, gerade angesichts der immer weiter steigenden Immobilienpreise. Lohnt sich denn der Erwerb eines so teuren Hauses oder auch der schicken, aber kostspieligen Wohnung überhaupt noch? Josef Anthofer, Finanzexperte des Verbandes Wohnen im Eigentum e.V. (WiE), gibt teilweise Entwarnung: Durch die niedrigen Kreditzinsen sei die Investition in vielen Fällen gar nicht erheblich teurer als bislang.

"Wir hatten in den vergangenen acht Jahren in Städten wie zum Beispiel Berlin und München Preissteigerungen bei Immobilien von durchaus 100 Prozent", bestätigt zwar der Bankfachwirt und Bilanzbuchhalter, der mit seiner Firma (www.buv-anthofer.de) Kunden unter anderem beim Ankauf und bei der Finanzierung von Immobilien berät. Doch wenn man berücksichtigt, dass in demselben Zeitraum die Kreditzinsen um rund 80 Prozent gesunken sind, sind die Gesamtaufwendungen für den Immobilienkauf gar nicht so viel höher als bisher. Denn die meisten Käufer müssen zusätzlich zum Preis der Immobilie auch die Kosten eines Kredites einkalkulieren. Und diese sind immens gesunken, Geld ist sehr viel billiger geworden. Lagen die Zinsen vor acht Jahren noch zwischen 4 und 5 Prozent, gebe es inzwischen Kredite mit Zinsen von unter 1 Prozent, so der Experte. Er verdeutlicht seine Sichtweise an einem Rechenbeispiel: Hätten Käufer vor einigen Jahren noch mit einem Zinsgesamtbetrag von bis zu 140 Prozent (bezogen auf das Darlehen) rechnen müssen, liege dieser Betrag derzeit nur bei 30 bis 50 Prozent. Auf eine Darlehenssumme von beispielsweise 100.000 Euro müssten Käufer also nicht mehr zusätzlich mit Zinsen in Höhe von 140.000 Euro rechnen, sondern nur noch mit 30.000 bis 50.000 Euro – dadurch ergebe sich eine Ersparnis von immerhin rund 100.000 Euro.

Gerade angesichts der niedrigen Kreditzinsen sei es jedoch sehr wichtig, auf eine lange Zinsbindungsfrist zu achten, sagt Anthofer. Denn wenn die Zinsen nach Ablauf dieser Frist wieder angezogen haben, was niemand vorhersehen könne, könne ansonsten die Anschlussfinanzierung zu einem Desaster werden. Anzuraten seien Zinsfestschreibungszeiten von fünfzehn bis zu dreißig Jahren. "Da gibt es durchaus Angebote." Jedenfalls sollte die Restschuld nach Ablauf der Zinsbindungsfrist nur noch sehr niedrig sein. "Der Löwenanteil sollte getilgt sein. Damit meine ich deutlich mehr als die Hälfte der Summe", konkretisiert der Finanzexperte. Um das zu erreichen, sollten Darlehensnehmer eine höhere Tilgung leisten als noch vor einigen Jahren üblich. Waren ehemals Tilgungsraten von jährlich 1 Prozent - bezogen auf die Darlehenssumme - normal, sollten sie heute besser nicht unter 3 Prozent liegen, so Josef Anthofer.

Dazu kommt: Nicht nur die Zinsen könnten sich künftig ändern, sondern im Zusammenhang damit auch die Preise. „Nach einem Höhenflug entsteht auch wieder mal Gegenwind an der Preisfront“, so Anthofer. Denn sollten die Zinsen steigen, könnte sich ein erheblicher Teil der Käuferschicht mangels ausreichendem Einkommen die aktuellen Preise nicht mehr leisten. Das könnte dann durchaus auch dazu führen, dass viele Eigentümer ihre Immobilien nicht mehr zu den gekauften Preisen absetzen können. Eine Immobilienkrise wie vor acht Jahren in USA hält er dennoch für unwahrscheinlich, da die mitteleueropäischen Finanzierungskonzepte mit denen der USA nicht vergleichbar seien und in Deutschland durch langfristige Zinsfestschreibungen doch partiell abgesichert seien.

Nicht nur als selbst genutztes Wohneigentum, auch als Geldanlage lohne der Erwerb von Immobilien partiell nach wie vor, führt Anthofer weiter aus. Ein Grund dafür seien wiederum die niedrigen Zinsen. Denn lasse man sein Geld als Guthaben bei der Bank, erhalte man dafür derzeit sehr wenig Zinsen. Dagegen lasse sich mit dem Erwerb und der Vermietung von Immobilien auch in Ballungszentren immer noch Renditen von zwischen 2, 5 und 3 Prozent erzielen. Aber Vorsicht: In weniger begehrten Lagen bleibt ein hohes Risiko, dass sich die Finanzierung bei Leerstand trotz niedriger Zinsen als Milchmädchenrechnung erweist, warnt WiE-Geschäftsführerin Gabriele Heinrich.

Dazu kommt: Günstige Zinsen oder nicht – nicht jeder Interessent bekommt einen Kredit. Nach Maßgabe der neuen Wohnimmobilienkreditrichtlinie stellen die Banken schärfere Prüfungen an. Insbesondere für Interessenten, die älter sind ab 50 Jahre, sei es dadurch schwieriger geworden, einen Kredit zu bekommen, so Anthofer. Der Grund: Die Banken dürfen nur Kredite gewähren, die innerhalb der statistischen Lebenserwartung zurückgezahlt werden können.

Der Verband Wohnen im Eigentum e.V. rät aber nicht nur wegen der Erfolgschancen für den Kreditantrag, genau zu kalkulieren, ob man sich eine Immobilie leisten kann. Dafür sollten Käufer einen Eigenkapitalanteil von mindestens 20 Prozent, besser noch 30 Prozent einbringen können. Zudem sollten Käufer nicht mehr als 40 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Finanzierung verplanen, so die Geschäftsführerin Gabriele Heinrich. Für Nebenkosten seien auch noch Kosten einzuplanen. Außerdem sei zu beachten, dass noch genügend finanzieller Spielraum für eine Instandhaltung und – bei älteren Immobilien – Modernisierung bleiben müsse.

Gabriele Heinrich empfiehlt Darlehensnehmern, mehrere Angebote einzuholen, zu vergleichen und zu verhandeln. Denn schon eine geringe Zinsdifferenz von 0,2 Prozent könne bei einer Hausfinanzierung zu einer Ersparnis in fünfstelliger Höhe führen. Auch Josef Anthofer rät dazu, verschiedene Angebote von Banken einzuholen. "Zwei bis fünf sollten es schon sein."

Bei der Finanzplanung hilft der Verband Wohnen im Eigentum e.V.: Mitglieder können die kostenlose Finanzierungsberatung des Vereins nutzen. Näheres dazu auf der Homepage des Verbandes unter https://www.wohnen-im-eigentum.de/service/beratung/finanzierungsberatung...