Wohnungseigentümergemeinschaften und deren Verwalter:innen als ihr Organ sind nicht verpflichtet, vor der Beauftragung eines Rechtsanwalts bzw. einer Rechtsanwältin oder einer Gutachter:in Vergleichsangebote einzuholen. Außerdem dürfen sie auch erst im Nachhinein eine Beauftragung per Beschluss genehmigen. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof in einem Urteil klargestellt.
Normalerweise sind Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) nach überwiegender Rechtsprechung verpflichtet, vor der Beauftragung von Handwerksunternehmen und Dienstleistern in der Regel mindestens drei Angebote einzuholen.
Das Urteil vom 18.07.2025 (Az. V ZR 76/24) ist für WEGs insbesondere dann wichtig, wenn Eile geboten ist – beispielsweise, wenn Schäden dringend festgestellt werden oder Forderungen rechtzeitig geltend gemacht werden müssen. Hier würde das Einholen von Vergleichsangeboten Entscheidungen möglicherweise verzögern, ohne dass es den Wohnungseigentümer:innen nützt.
Ergebnisoffene Dienstleistung
Der Bundesgerichtshof (BGH) begründet seine Ansicht damit, dass Rechtsanwält:innen und auch Gutachter:innen eine ergebnisoffene Dienstleistung erbringen – im Unterschied zu Handwerkerleistungen, bei denen verschiedene Ausführungsarten zur Auswahl stehen können. Vergleichsangebote lieferten daher keinen Erkenntnisgewinn über die Leistung der Anwält:in oder das Ergebnis. Auch das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Mandant:in und Anwält:in lasse sich durch einen Angebotsvergleich nicht abbilden.
Aus Sicht von WiE ist allerdings fraglich, ob die Argumentation des BGH auf alle Arten von Gutachtertätigkeiten übertragbar ist. Bei der Feststellung von Mängeln wird dies in der Regel zutreffen. Bei komplexeren Fragestellungen mit unterschiedlichen fachlichen Ansätzen und möglichen Lösungspfaden können Vergleichsangebote jedoch – ähnlich wie bei Handwerkerleistungen – sinnvolle Entscheidungsgrundlagen für die Auswahl einer geeigneten Gutachter:in bieten.
Honorarvereinbarungen zulässig
Auch eine Honorarvereinbarung, um die es im verhandelten Fall ging, ist bei der Beauftragung laut BGH zulässig, solange die Gebühren sich im Rahmen des Ermessens bewegen. Maßgeblich seien dabei nicht die günstigsten Konditionen, sondern die Bedeutung des Falls für die WEG, die erforderliche fachliche Expertise sowie das zu erwartende Engagement der Kanzlei. Dass die WEG im Erfolgsfall – also wenn sie den Rechtsstreit gewinnt – von der unterlegenen Partei nur die gesetzlichen Gebühren erstattet bekommt und auf einem Teil der Anwaltskosten sitzen bleibt, ist aus Sicht des BGH zweitrangig.
Nachträglicher Genehmigungsbeschluss
Wichtig außerdem: Wenn die Beauftragung eines Anwalts bzw. einer Anwältin oder Gutachter:in nach den genannten Kriterien ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, darf die Eigentümergemeinschaft die Entscheidung der Verwalter:in auch im Nachhinein per Beschluss genehmigen, so der BGH.
Der Fall
Im verhandelten Fall hatte die Verwalterin einer WEG ohne einen vorliegenden Beschluss Gutachter und eine Rechtsanwaltskanzlei damit beauftragt, Baumängel zu prüfen und Gewährleistungsansprüche gegen die Bauträgerin zu sichern. Die Eigentümer:innen genehmigten dies später nachträglich in der Eigentümerversammlung. Die Bauträgerin – zugleich auch Eigentümerin mehrerer Wohnungen – focht daraufhin diese Beschlüsse an und argumentierte, es hätten Vergleichsangebote vorgelegt werden müssen und die Verwalterin habe ihre Kompetenzen überschritten.
Das sah das Amtsgericht anders. Das Berufungsgericht hob demgegenüber die Beschlüsse über die Genehmigung der Beauftragung der Gutachter und Rechtsanwälte sowie über den Abschluss einer Honorarvereinbarung mit den Anwälten auf. Die WEG legte daraufhin Revision beim Bundesgerichtshof ein, der das amtsgerichtliche Urteil wieder herstellte: Alle gefassten Beschlüsse entsprachen ordnungsgemäßer Verwaltung.
Hinweise für Wohnungseigentümer:innen und WEGs:
• Es kann für WEGs häufig sinnvoll sein, der Verwalter:in Weisungen für die Zukunft erteilen, beispielsweise bestimmte Rechtsanwaltskanzleien oder Gutachter:innen zu beauftragen, mit denen in der Vergangenheit bereits gut zusammengearbeitet wurde.
• Bei Honorarvereinbarungen sollten WEGs stets genau hinsehen, wie hoch die vereinbarten Stundensätze ausfallen. Im verhandelten Fall enthielt die Honorarvereinbarung einen Stundensatz in Höhe von 150 Euro für Sekretariatsarbeiten. Beiräte sollten im Rahmen einer Rechnungsprüfung einen höheren Stundensatz für Sekretariatsaufgaben kritisch hinterfragen. Honorarvereinbarungen, die angefangene Zeitabschnitte und nicht nur beendete Zeitabschnitte abrechnen, dürften übrigens wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam sein (siehe hierzu ein Urteil des Landgerichts Köln vom 18.10.2016, Az. 11 S 302/15).